Junge Frau mit Laptop
Häufig müssen sich Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z den Vorwurf gefallen lassen, arbeitsscheu zu sein. Wissenschaftliche Erhebungen stützen dieses harsche Urteil allerdings nicht.
Jake Jakab via www.imago-images.

Faul, fordernd und anspruchsvoll: Ähnlich wie die Generationen vor ihnen werden auch die jungen Leute von heute mit vielen negativen Vorurteilen bedacht. Bei den Angehörigen der Gen Z, die rund um die Jahrtausendwende geboren sind und somit die ersten Digital Natives der Gen Y ablösen, beziehen sich diese Vorbehalte besonders auf das Arbeitsleben. Gen Z würde im Berufskontext ihr Wohlergehen und ihre Bequemlichkeit klar in den Vordergrund stellen, lautet der Succus medialer Einschätzungen. Leistung und Karriereorientiertheit stünden dagegen – zum Leidwesen der Arbeitgeber, von denen diese Einschätzungen auch großteils stammen – ganz unten auf der persönlichen Agenda.

Doch welche dieser Urteile über Menschen, die gerade erst so richtig in ihr Arbeits- und Erwerbsleben starten, halten tatsächlich einer wissenschaftlichen Überprüfung stand? Für die Wirtschafts- und Sozialpolitische Zeitschrift (WISO) der Arbeiterkammer Oberösterreich haben Bernhard Kittel und Beata Boór vom Institut für Wirtschaftssoziologie an der Universität Wien eine Untersuchung zum Thema "Sinnansprüche und Arbeitsethos jüngerer Arbeitnehmer:innen" durchgeführt, die einige Anhaltspunkte liefern kann. Vorweg: Auch in dieser Generation lässt sich keine grundsätzlich arbeitsscheue Jugend ausmachen. Oder, wie es Soziologe Kittel ausdrückt: "Ich beobachte eine große Diskrepanz zwischen öffentlichem Diskurs und dem, was wir in den Daten finden."

Berühmte "Lottofrage"

Der Datensatz, den die Forschenden auf das Arbeitsethos junger Leute hin abgeklopft haben, stammt aus dem Corona-Panel. Kittel hat mit Kolleginnen und Kollegen im März 2020 mit dem Panel eine umfassende Erhebung von Daten initiiert, um durch die Pandemie ausgelöste soziale Wandlungen zu beobachten. Neben der Uni Wien gehörten der Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) und der Wissenschaftsfonds FWF zu den Geldgebern. Obwohl die Pandemie vorbei ist, versucht man nun eine Anschlussfinanzierung für eine Weiterführung der wertvollen Datenzeitreihe zu finden.

Viele der Ergebnisse der nun vorliegenden Gen-Z-Studie klingen bekannt, weil sie jene früherer Untersuchungen über die Arbeitseinstellungen der Österreicherinnen und Österreicher ohne große Veränderungen fortschreiben: "Man weiß etwa, dass Sicherheit heimischen Arbeitnehmern aller Altersgruppen extrem wichtig ist, noch wichtiger als eine hohe Bezahlung. Gleichzeitig wünscht man sich auch einen Job, der zufrieden macht und der sich gut mit Freizeitaktivitäten verbinden lässt", hebt Kittel hervor.

Der Stellenwert einer erfüllenden Arbeit wird in Umfragen dieser Art etwa mit der "Lottofrage" abgetestet. Sinngemäß wird dabei gefragt, ob man weiterarbeiten würde, obwohl man es – etwa durch einen hohen Gewinn – aus finanziellen Gründen nicht mehr müsste. Die Österreicher und Österreicherinnen zeigen hier traditionellerweise eine starke Zustimmung. Auch im Corona-Panel: Hier sagen insgesamt etwa 70 Prozent, dass sie weiterarbeiten würden. Gleichzeitig wird die Freizeit von mehr als 80 Prozent als wichtig eingeschätzt.

Arbeit und Freizeit gleich wichtig

Diese Kombination sei auch im europäischen Vergleich besonders, sagt Kittel: "Nur in Österreich und Tschechien ist die Bedeutung von Arbeit und Freizeit gleichermaßen sehr hoch." Anders stelle sich die Situation beispielsweise in Ungarn dar. "Dort geben deutlich weniger an, weiterarbeiten zu wollen, wenn sie plötzlich zu viel Geld kommen", erklärt der Soziologe. Einen Grund dafür verortet er in den vielen hoch qualifizierten Jobs in Österreich, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur aus einer Notwendigkeit heraus annehmen, sondern eben auch, weil diese Zufriedenheit verschaffen.

Junge Männer in Berufsausbildung
Eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit wird von jungen wie älteren Menschen gleichsam geschätzt. Daneben bewerten Vertreterinnen und Vertreter der Gen Z einen sicheren Arbeitsplatz als besonders wichtig.
APA/EVA MANHART

Eine nach Altersgruppen aufgeschlüsselte Betrachtung bildet nun aber absolut keines der Vorurteile gegenüber der Gen Z ab. Der Anteil, der nach einem Lottogewinn weiterarbeiten würde, liegt bei den unter 35-Jährigen bei knapp 80 Prozent, bei den über 35-Jährigen eher bei 60 Prozent. Der Freizeit attestieren sowohl Junge als auch Ältere eine hohe Relevanz – 80 Prozent da wie dort. Auch die Corona-Pandemie hatte kaum Einfluss auf diese Einstellungen. "Über die drei Jahre hinweg zeigen sich nur minimale Schwankungen, die statistisch nicht signifikant sind", sagt Kittel.

Hält die Gen Z also gar keine statistisch fassbaren Überraschungen bereit? Nicht ganz. "Ein wenig überrascht hat mich, dass auch den jungen Menschen in Österreich ein sicherer Arbeitsplatz derart wichtig ist", sagt Kittel. "Man könnte annehmen, dass man in jungen Jahren mehrere Lebensmodelle ausprobieren möchte und großen Verpflichtungen eher aus dem Weg geht." Doch das sei offenbar nicht der Fall. "Der alte Scherz, wonach Verbeamtung das höchste Ziel der Österreicher ist, hat wohl auch heute noch einen wahren Kern", fügt er an.

Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis auf dem Land

Faktoren, die diese Ergebnisse erklären, lassen sich ebenfalls finden: Ein großer Teil der Befragten in dem gesamt-österreichischen Sample der Studie lebt auf dem Land, wo Ziele wie Hausbau und Familiengründung noch stärker vorherrschen und entsprechende Sicherheitsbedürfnisse auslösen. Urbane Gruppen mit anderen Lebensentwürfen sind vielleicht in öffentlichen Diskursen stark präsent, aber zahlenmäßig zu gering, um sich in den Ergebnissen abzubilden.

Eine neue gesellschaftliche Realität der Gen Z scheint in den abgefragten Arbeitseinstellungen also kaum durch. Aus deutschen Jugendstudien ist immerhin bekannt, dass es eine Verschiebung der Grunderwartungen an das Leben gibt und die junge Generation eine "deutlich bewusstere Lebensführung" anstrebt. "Ich vermute, dass beispielsweise die Veränderung weg von autoritären Erziehungsstilen zu mehr Selbstbewusstsein bei den jungen Menschen geführt hat", sagt Kittel. Dennoch: Die Gen Z ist wissenschaftlich betrachtet weiterhin ein wenig bekanntes Wesen. In einer neuen Studie, die Kittels Kollegin Beata Boór umsetzt, sollen deshalb die Messinstrumente adaptiert werden. "Die neue Umfrage soll mögliche Veränderungen bei den Einstellungen in Bezug auf ihre Arbeitswelt zielgerichteter erfassen können." (Alois Pumhösel, 18.2.2024)