Bob Marley
Kingsley Ben-Adir überzeugt im mit vielen Konzertszenen angereicherten Film als Bob Marley, das brave Drehbuch bleibt davon ungerührt
Paramount Pictures

Bis heute gilt Bob Marley mit seiner Musik nicht nur als sommerlicher Gute-Laune-Soundtrack. Seine über 40 Jahre alten Hits sind alljährlich nach der Urlaubszeit als Erinnerung an Sommer, Sonne, Herzinfarkt wieder in diversen Charts zu finden. Mit über 75 Millionen offiziell verkauften Tonträgern zählt Bob Marley zu den erfolgreichsten Musikern aller Zeiten. Ein Gruß aus der Sundowner-Bar unseres Behagens.

Vor allem auch als globaler Held politischer Emanzipations- und Freiheitsbestrebungen in Ländern des globalen Südens wird Bob Marley speziell in Afrika dank seiner recht allgemein gehaltenen spirituellen Botschaften von Friede, Einheit und Freiheit heute noch als Heiligenfigur im Zusammenhang mit der Befreiung vom Kolonialismus und den Ketten der Sklaverei verehrt.

Mit dem aus Peaky Blinders oder Barbie bekannten britischen Schauspieler Kingsley Ben-Adir in der sympathischen und von Mimik und Gestik her hervorragend angelernten Titelrolle inklusive diversen Dreadlock-Perücken wurde ein Treffer gelandet. Nun versucht sich Regisseur Reinaldo Marcus Green nach seinem Oscar-nominierten Film King Richard über den Vater der Tennisschwestern Serena und Venus Williams ein weiteres Mal an einem Biopic.

Bob Marley würde im Gegensatz zu dem seit Jahren populären Genre, diverse Pop- und Rockgrößen zwischen musikalischem Genie und privaten Katastrophen zu beleuchten, biografisch ja tatsächlich etwas hergeben, vor allem auch im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Politik. Allerdings wurde der Film dank der Mitwirkung von Witwe Rita Marley, dem ältesten Sohn Ziggy oder Tochter Cedella als Teil des Produzententeams doch recht glattgebügelt.

Für jeden Anlass ein Lied

Es geht darum, Bob Marley als Lichtgestalt zu preisen, einen freundlichen, von Fußball, Musik und der Rastafari-Religion besessenen Mann, der am liebsten mit seinen Kindern und Haberern abhängt – und dem in jeder etwas schwierigeren Lebenslage gleich ein Lied wie No Woman, No Cry, War,Three Little Birds oder Exodus einfällt. Ein Liebling der Götter!

Man kennt das von ähnlichen Biopics wie Johnny Cash und Walk The Line, Freddie Mercury und Bohemian Rhapsody oder Whitney Houston und I Wanna Dance With Somebody: Eine schlechte Nachrede wirkt sich auch schlecht aufs Geschäft aus. Das wollen die Erbbegünstigten nicht. Bob Marley: One Love beleuchtet zwei Stunden lang die entscheidenden Jahre Marleys zwischen 1976 und 1978.

KinoCheck

In Jamaika herrschen dank der politischen Feindschaft zwischen der rechten regierenden People’s National Party und der linken Jamaica Labour Party und diversen Ganglords bürgerkriegsähnliche Zustände. Zwei Tage vor einem Konzert, das der gläubige Rasta Marley in Kingston geben will, um die verfeindeten Parteien zu versöhnen und die Gewalt auf den Straßen zu beenden, wird er von gedungenen Killern in seinem Haus angeschossen. Er wird leicht verletzt, sein Manager schwer. Frau Rita überlebt, weil die Kugel durch ihre dichten Dreadlocks gebremst wird.

Marley gibt das Konzert, verfrachtet seine Familie nach Florida und flüchtet selbst für zwei Jahre nach London. Dort arbeitet er an seinem epochalen, den traditionellen Roots-Reggae glättenden und für ein weißes Publikum kommerziell verdaulicheren Album Exodus. Er steigt zum Weltstar auf und wird im Sinne der klassischen Heldensaga von den Versuchungen durch Erfolg, Laster und Sünde im von Rastafaris Babylon genannten Westen aus der Bahn geworfen, bevor ihm von seiner Frau Rita ordentlich der Kopf gewaschen wird.

Sie hat für ihn ihre eigene Karriere aufgegeben und singt im Background-Chor. Nebenher zieht sie auch noch ihre eigenen Kinder sowie Marleys sieben uneheliche Gschrappen mit sieben anderen Frauen auf, während der Göttergatte herumlumpt und sich mit Buddies halb um den Verstand kifft.

Die Bibel und die Rastafari

Das alles wird in schönen Bildern und diversen Zeitlupe-Rückblenden in Marleys Kindheit als Sohn eines weißen britischen Offiziers und einer schwarzen Mutter recht brav erzählt. Man sieht Szenen aus den Anfängen seiner Karriere mit den Wailers aus den 1960er-Jahren, einnehmende Landschaftsbilder, ein idyllisches Scherbenviertel in Kingston namens Trenchtown, in dem Marley entgegen der Realität filmisch in sehr sauberen und gepflegten Verhältnissen aufwächst. Nur kurz wird das bunte Treiben von Schießereien unterbrochen. Es regiert Musik, Musik, Musik.

Wiederkehrende biblische Motive wie der mit KI erzeugte Feuerring, aus dem sich der junge Bub Bob am Ende befreien wird, werden mit der Erlöserfigur der Rastafari-Religion kurzgeschlossen, dem 1975 ermordeten äthiopischen Kaiser Haile Selassie als von Rastas verehrte Wiederkehr Jesu Christi. Beim Propheten Zacharias heißt es: "Doch ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer rings um sie her sein und will mich herrlich darin erweisen."

Männer hacken sich weg, Frauen arbeiten

Der Film endet mit Marleys Rückkehr nach Jamaika und seinem berühmtem One Love Peace Concert im April 1978 im Stadion von Kingston. Dort versöhnte er kurz die verfeindeten Parteien Jamaikas. Von "One Love" kann auf der Karibikinsel allerdings bis heute keine Rede sein.

Marley starb 1981 mit nur 36 Jahren an Hautkrebs. Dass im Film die problematischen Aspekte der chauvinistischen und auf Jamaika als absolute Minderheitenangelegenheit marginalisierten Rastafari-Religion keine Rolle spielen, ist ärgerlich (die Männer hacken sich rituell weg, die Frauen erledigen die Arbeit). Entscheidend für den Erfolg Bob Marleys mitverantworliche Musiker wie Peter Tosh und vor allem Bunny Wailer oder Produzent Lee "Scratch" Perry fehlen namentlich ebenso wie die rassistischen Aspekte, mit denen ein Kind einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters in dieser Kultur zu tun hatte.

Und auch die deutsche Synchronisation ("Krasses Konzert, Mann!"), in der Rastafari konsequent falsch mit langem "ie" statt "ei" ausgesprochen wird, ist eine Frechheit. Man wartet auf das kritische Biopic über Michael Jackson. Es ist gerade in Arbeit. (Christian Schachinger, 15.2.2024)

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