MGMT auf der Suche nach einer Hookline: Ja, wo ist sie denn?
MGMT auf der Suche nach einer Hookline: Ja, wo ist sie denn?
imago images/Gonzales Photo

Die letzten Songs erinnern an den Film Der Partyschreck. So heißt eine Komödie aus dem Jahr 1968 mit Peter Sellers. Der spielt in der Eröffnungsszene einen indischen Trompeter, der zum Angriff auf britische Besatzer bläst – und nicht mehr damit aufhört. Obwohl er längst durchlöchert ist, durchsiebt von den Kugeln des Feindes und denen der eigenen Leute. Doch er hört nicht auf, trötet und quietscht in elender Agonie weiter durch das Blech, will sich dem Schicksal nicht ergeben.

Bei den letzten vier Songs des neuen Albums von MGMT ist es ähnlich. Das Werk heißt zum Vergleich passend Loss of Life – und ist im letzten Drittel stehend k. o. Oder liegend scheintot. Endet es deshalb? Siehe Peter Sellers.

Das US-amerikanische Duo MGMT ergeht sich in diesen Liedern in atmosphärischen Übungen, bei denen einem der Gedanke kommt, ob man damit Lebenszeit vergeuden möchte. Das Ende dergestalt hinauszuzögern ist zwar nerdig, was Sympathiepunkte bringt, verströmt aber reichlich Fadgas. Die eigentliche Kompetenz der Band liegt woanders, und gerade erlebt sie es selbst.

MGMT - Dancing In Babylon (feat. Christine and the Queens) [Official Video]
MGMTVEVO

Denn durch den Einsatz ihres 2008er-Hits Time to Pretend im Film Saltburn – eine Art Die blaue Lagune der Generation letzter Buchstabe – erfährt diese eine Renaissance. Time to Pretend war ein lässiger Indie-Hit mit Quietschenten-Synthie, infizierend und ein Volltreffer im Zeitgeist, der das Duo aus dem Stand heraus berühmt machte. Was MGMT selbst überrascht.

MGMT spielen seit damals so eine Art Yachtrock fürs Schlauchboot. Das dabei Einsatz findende elektronische Gefrickel verlieh ihrem Sound eine zarte Psychedelic und platzierte MGMT in Verwandtschaft von Bands wie Foxygen oder den Flaming Lips – aber nur als eher schlappe Cousins.

Aus der Ferne

Als solche haben sie ein Gespür für eingängige Melodien, was sich im Mother Nature erneut zeigt, selbst wenn der Song ein wenig nach den Beatles oder irgendwelchen von ihnen abhängigen Britpop-Jüngern der 1990er klingt. Es ist zugleich einer der lebendigeren Songs des Albums, die meisten anderen erfüllen und übererfüllen die im Werktitel vorhergesagte Leblosigkeit. Daran ändern selbst Gastmusiker wie Nels Cline oder Sean Lennon nichts.

MGMT - Mother Nature (Official Music Video)
MGMTVEVO

MGMT ergeben sich einer gängigen Introvertiertheit. Musik für die Sitzdisco der einsamen Herzen. Wenn sie von den People in the Streets singen, gewinnt man den Eindruck, sie wüssten von diesen nur aus der Ferne. Die Stimmen von Ben Goldwasser und Andrew VanWyngarden klingen dazu stets, als wären sie gerade erst aus den Federn gekrochen: Forever 21, wobei man sich die beiden nicht als Partykanonen vorstellt, dafür ist die Musik doch zu erschöpft vom Erschöpftsein.

Das ergibt in Summe ein Album wie ein Klischee. Statt Tiefsinnigkeit herrscht Leere, statt griffiger Hooklines hört man dem Duo beim Ideensuchen zu, das Ganze ersäuft in Atmosphäre. So oder so ähnlich klingen aber schon zu lange zu viele Mitbewerber, um damit noch jemanden zu begeistern, der Musik abseits des Mobiltelefons konsumiert. Eindeutig zu lifeless. (Karl Fluch, 23.2.2024)