Kräne auf einer Baustelle
Es muss nicht gleich der Pleitegeier landen – aber viele Bauprojekte verzögern sich derzeit.
IMAGO/Rainer Keuenhof

So hatte sich Peter Harrer (Name von der Redaktion geändert) das nicht vorgestellt. Vor rund zwei Jahren hatte er auf der Plattform Dagobert Invest in rund 25 unterschiedliche Projekte investiert und die Laufzeiten so gewählt, dass alle Beträge bis Sommer 2024 zurückbezahlt sind – mit dem Ziel, sich aus dem Ertrag selbst eine Liegenschaft teilfinanzieren zu können. Doch der Traum zerplatzte: So gut wie alle Projekte sind verzögert, manche gar komplett ausgefallen. Bisher fehlen ihm knapp 30.000 Euro.

Gegenüber dem STANDARD beklagt Harrer, dass die Projekte auf der Startseite der Plattform beworben würden, die Unterstützung seitens Dagobert Invest aber ausfalle, sobald das Geld an die Emittenten überwiesen worden sei. Zwar würden gelegentlich Nachrichten der Bauträger weitergeleitet, eine aktive Eintreibung der ausstehenden Zahlungen finde aber nicht statt. Teils gebe es seit einigen Monaten keine Updates. Harrer tappt im Dunkeln und weiß nicht, ob er sein Geld jemals wiedersieht.

Eine ganze Branche ist betroffen

Und er ist nicht allein. So lassen auf der Bewertungsplattform Trustpilot mehrere Menschen ihrem Ärger freien Lauf, dort wird Dagobert Investment mit 2,1 von fünf möglichen Punkten bewertet, vor allem in den vergangenen drei Monaten erfolgten diverse Ein- und Zweisternebewertungen.

Gleichzeitig ist ersichtlich, dass sich der Frust nicht nur auf diese eine Plattform, sondern auf die gesamte Branche des Immobilien-Crowdinvestings entlädt. Die ebenfalls in diesem Segment tätige Rockets-Gruppe schneidet mit zwei von fünf Sternen sogar noch schlechter ab, die Plattformen Rendity und Exporo kommen mit durchschnittlich drei beziehungsweise 4,2 Sternen zwar besser weg, doch auch hier häuften sich vor allem in den vergangenen Wochen die negativen Bewertungen.

Klarnamenpflicht?

Die Kritik ist fast immer dieselbe: Projekte verzögern sich oder werden gar komplett gestoppt, die Investoren müssen entsprechend auf ihr Geld warten oder gar einen Totalverlust befürchten. Zu beobachten ist jedoch auch, dass hier bestimmte Einzelpersonen besonders aktiv sind: So entdeckte DER STANDARD in einer Stichprobe eine Bewertung, die von einem User im fast gleichen Wortlaut sowohl bei Dagobert Invest als auch bei der Rockets-Gruppe hinterlassen wurde.

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Gegenüber dem STANDARD betont Andreas Zederbauer, Geschäftsführer von Dagobert Invest, dass sein Unternehmen "wirklich mit solchen schlechten Bewertungen zu kämpfen" habe. Man habe die Situation aber analysiert und wisse daher, dass es sich um 20 bis 30 Anleger handle, die sich "hinter dem Deckmantel ihrer Aliasidentität in das Thema verkrallen und die Plattformen beschuldigen", anstatt die eigenen Anlageentscheidungen zu hinterfragen.

"Dies verblendet auch meistens die Sicht darauf, dass jede Plattform zigzehntausende zufriedene Anleger hat", führt Zederbauer weiter aus. "Wir begrüßen daher sehr, wie viele andere Wirtschaftstreibende, dass man zukünftig bei Bewertungen den Klarnamen bekanntgeben soll." In manchen Fällen hätten auch Personen Bewertungen geschrieben, obwohl sie gar nicht investiert hatten.

Die Krise ist da

Das ändert aber nichts an einer Tatsache, die auch Zederbauer bestätigt: dass es eine Krise in der Immobilienbranche gibt und dass es daher bei Projekten zu Verzögerungen und somit zu Problemen bei der vertragsvereinbarten Rückzahlung gibt. Eben nicht nur bei Dagobert Invest, sondern auch bei den anderen Plattformen, wie aus den Onlinebewertungen ersichtlich ist.

Solche Änderungen im Bauzeitplan sind übrigens keine Neuigkeit, sondern können immer wieder vorkommen. So wurden während der Corona-Jahre manche Projekte später fertiggestellt, weil es zu Lieferengpässen gekommen war. "Dass verspätete Rückzahlungen von Emittenten für Investoren ärgerlich sind, ist uns bewusst", sagt Zederbauer.

Als "groben Unsinn" bezeichnet er hingegen die auf Trustpilot von einzelnen Usern getätigte Aussage, dass mindestens jedes zweite Projekt ein Totalausfall sei: Dagobert Invest wurde 2015 gegründet, seitdem wurden 329 Projekte platziert. Sechs Projekte sind in diesem Zeitraum ausgefallen, bei drei weiteren kam es zu Teilausfällen.

Ein Bote, kein Berater

Und was ist nun mit dem Vorwurf, dass sich die Plattformen aus der Kommunikation herausnehmen, sobald sie ihre Vermittlungsprovision erhalten haben? Immerhin, so Privatinvestor Harrer, bestehe für eine Plattform kein Anreiz für weiteren Einsatz zugunsten der Investoren, sobald sie von den Emittenten ihre Provision erhalten hätten und ein Projekt somit aus Sicht der Plattform als "erfolgreich abgeschlossen" gelte.

Hier heißt es seitens Zederbauer zunächst, dass die Plattformen weder Vermögens- noch Anlageberatung durchführen. Es werden lediglich die Immobilienprojekte von Emittenten präsentiert, die zuvor geprüft wurden. "Anleger kommen auf die digitale Plattform, informieren sich und treffen ihre eigenen Anlageentscheidungen in einer digitalen, beratungslosen Zeichnungsschiene", sagt Zederbauer. Eine Crowdinvesting-Plattform zur Verantwortung ziehen zu wollen sei so, als wolle man eine Krypto-Handelsbörse wie Bitpanda auffordern, sich für einen möglichen Wertverlust bei Krypto-Investments zu erklären: "In beiden Fällen ist das nicht erfreulich für Anleger, aber um die Antworten zu finden, muss man nicht die Plattformen fragen, sondern die Emittenten einer Veranlagung."

In Bezug auf die Kommunikation nach Abschluss der Investition betont Zederbauer, dass das Vertragsverhältnis zwischen Anleger und Emittent besteht. "Der Emittent ist somit auskunftspflichtig gegenüber den Anlegern und nicht der Plattform", sagt er. "Wir sind lediglich der Bote von Informationen, nicht der Generator." Wenn man von den Emittenten valide Informationen erhalte, dann verteile man diese über die eigenen Systeme. "Wenn wir keine oder unsinnige Informationen bekommen, was leider in der Krisensituation mancher Immobilienentwickler vorkommt, so haben wir selbst wenig Handhabe."

Knackpunkt Nachrangdarlehen

Auf Anfrage des STANDARD bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu der Thematik heißt es, dass ein Teil der Vorwürfe der FMA bereits bekannt sei. Allerdings betreffen diese primär nicht den von der FMA beaufsichtigten Teil der Crowdfunding-Plattform, sondern Projekte aus der Zeit vor der Zulassung als Crowdfunding-Dienstleister durch die FMA, als das Unternehmen auf Grundlage des AltFG noch Nachrangdarlehen für Bauprojekte vertrieben hat.

"Nachrangdarlehen sind grundsätzlich sehr riskante Veranlagungen, bei denen der Darlehensgeber auf viele seiner Rechte verzichtet", heißt es dazu aus der FMA. Was das konkret bedeutet, erfährt man auf Nachfrage auch bei Dagobert Invest. So gibt es bei qualifizierten Nachrangdarlehen nur einen bedingten Rechtsanspruch, weil der Schuldner die sogenannte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre geltend machen kann. Das bedeutet, dass er Darlehen inklusive Zinsen nicht zurückzahlen muss, wenn er dadurch zahlungsunfähig würde.

Die gute Nachricht: Mitte September 2023 hat Dagobert Invest von der FMA die sogenannte ECSP-Lizenz erhalten. Unter dieser haben die Investoren einen unbedingten Rückzahlungsanspruch, der ihnen eine bessere Rechtsposition einräumt. Unter der neuen Lizenz sind Nachrangdarlehen nicht mehr vorgesehen. Die schlechte Nachricht: Davon haben Investoren wie Harrer nichts, die noch unter dem alten Modell investiert haben. Seit 2020 bietet Dagobert Invest zwar auch die Möglichkeit, Nachrangdarlehen mit Sicherungsmitteln zu versehen, diese sind rechtlich jedoch deutlich schwächer als das neue Modell. Geraten wird von Dagobert Invest, eventuell den alten Positionen ein paar neue ECSP-Investitionen hinzuzufügen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ein kleiner Lichtblick für Altinvestoren ergibt sich immerhin aus einer auf Trustpilot geäußerten Kritik, dass man noch nicht einmal eine Verlustbescheinigung für das Finanzamt bekomme. Denn ein Verlust bei einer Kreditvergabe entsteht laut Zederbauer steuerrechtlich erst dann, wenn eine Forderung nach Abwicklung eines Insolvenzverfahrens endgültig wertlos wurde.

"Wir können nachvollziehen, dass private Investoren bei der Meldung, dass eine Rückzahlung verschoben wird, das Schlimmste befürchten", sagt er, "allerdings liegt in dieser Phase noch kein Ausfall vor, weder wirtschaftlich noch steuerrechtlich."

Das kann man natürlich auch optimistisch deuten und sagen: Es gibt noch Hoffnung. Oder, wie ein Emittent an Harrer schrieb: "Da hilft nur warten." Dem Privatinvestor ist das nicht genug. Er prüft nun die Möglichkeit, rechtliche Schritte setzen zu können. (Stefan Mey, 17.2.2024)