Theresa Riess und Fanni Schneider in der Serie
Theresa Riess und Fanni Schneider in der Serie "Biester": ab Montag im ORF-Fernsehen.
ORF/MR Film/Fabio Eppensteiner

Wien – Die "Biester" sind keine "Vorstadtweiber", auch wenn zwei der vier Protagonistinnen der neuen ORF-Serie in einer Millionenvilla mit umwerfendem Wien-Blick zu Hause sind. Drehbuchautor Uli Brée setzt diesmal nicht nur auf eine jüngere Besetzung, sondern vor allem auf simple Gegensätze. Das funktioniert, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, erstaunlich gut. Ab Montag (19. 2., 20.15 Uhr, ORF 1) sind die im Stream seit Jahresbeginn abrufbaren "Biester" im linearen TV-Einsatz.

Die "Biester", das sind die beiden verwöhnten Schwestern Tiz und Nelly bzw. Tiziana und Penelope (Theresa Riess und Fanni Schneider), Töchter eines Baugroßmarktmagnaten und einer Galeristin, und die in einem Nagelstudio arbeitenden Freundinnen Vero und Jennifer (Anja Pichler und Mara Romei). Deren Lebenswelten und -erfahrungen sind, dazu braucht es nicht viel Fantasie, extrem unterschiedlich. Doch erst allmählich wird in den zehn unter Regie von Mirjam Unger und Andreas Kopriva gedrehten 45-Minütern deutlich, dass der Witz weniger im Kontrast als in der Vermischung der unterschiedlichen Sphären liegt.

Tief in der Klischeekiste

Der erste Eindruck ist: Mitunter wird allzu tief in die Klischeekiste gegriffen, um Figuren und Milieus zu charakterisieren. Doch bald wird klar, dass sich alle Beteiligten lustvoll auf die sprachlichen und mimischen Übertreibungskunststücke einlassen. Nicht nur die hervorragend gecasteten jungen Hauptdarstellerinnen haben daran ihren Spaß. Auch Ursula Strauß genießt es sichtlich, mit Arroganz und Blasiertheit gegen ihr sonstiges Image anzuspielen, und bietet in den Auseinandersetzungen mit ihrem Baumarktmagnatengatten (Simon Schwarz) wahre Gustostückerl des Stichelns.

Der Wortwitz der Dialoge ist deutlich schärfer als bei den erfolgreichen Vorgängerinnen aus der Vorstadt und bietet, weil in Eloquenz und Rasanz nicht gerade naturalistisch, fast so etwas wie eine zweite eigene Ebene neben der Bildsprache, bei der sich auch die Ausstattung austobt. Die Kagraner Gemeindebautristesse in der Wohnung von Jennys Eltern (Claudia Kottal und Aleksandar Petrovic) ist so ausgesucht pittoresk, dass sie schon wieder hip wirkt: Shabby Chic.

Bald hängen alle irgendwie mit drin

Der Plot, der die Fäden der zehn Folgen und wohl auch der nächsten Staffel zusammenhält, ist eine Krimihandlung, in der fast alles zu finden ist: Brandstiftung, Versicherungsbetrug, fahrlässige Körperverletzung, Unfall mit Fahrerflucht, Anstiftung zum Amtsmissbrauch, Geldwäsche, Erpressung, Kunstfälschung ... Bald hängen alle irgendwie mit drin. Dass Jennys Vater einst gemeinsam mit dem Baumarktbesitzer die Schulbank drückte, soll die Ereignisse, bei denen man leicht den Überblick verlieren kann, plausibler machen. Doch die Frage ist ohnedies nicht "Wer war's?", sondern "Was steckt dahinter?". Und das bezieht sich weniger auf die Machenschaften als auf die Masken der Menschen. Und genau dafür lohnt sich für die Zuschauer der lange Atem: Im Grunde sind fast alle anders, als sie scheinen. Der Rollenwechsel ist allerdings nicht ohne Gefahren.

Erleichtert wird einem das Binge-Watching durch den Umstand, dass es tatsächlich gelingt, einem die einzelnen Figuren ans Herz wachsen zu lassen. Jeder und jede hat seinen Schmäh und seinen Dreh, keine und keiner ist auf Dauer unsympathisch. Das gilt nicht nur für die "Biester" selbst, auch für die Nebenfiguren. So brilliert Claudia Kottal als Jennys Mutter, die ihre Lust an der täglichen Arbeit entdeckt, stakst Felix Oitzinger als (bald: Ex-)Freund von Jenny wie ein ferngesteuerter Schlafwandler durch die Szenen und überrascht doch immer wieder durch trockene Sprüche oder gibt Wolfgang Hübsch einen alten Meisterfälscher, der doch nicht ganz so dement ist, wie ihn seine Tochter gerne hätte.

Nicht alles ist geglückt bei den "Biestern", aber dass sie eine zweite Staffel erhalten, ist die richtige Entscheidung. Zu hoffen ist, dass dann auch bisher vernachlässigte Figuren wie Veros am Gemüsemarkt arbeitende Mutter (Ines Miro) mehr Platz erhalten werden. Das Potenzial ist vorhanden. Die Vorfreude auf die Fortsetzung ebenso. (APA, 15.2.2024)