Am Mittwoch wurde ein ÖVP-Papier mit konkreten Überlegungen zum Umgang mit Arbeitslosen publik – am Donnerstag präsentierte SPÖ-Chef Andreas Babler die diesbezüglichen Konzepte der Sozialdemokratie. Nach der Pressekonferenz des SPÖ-Vorsitzenden war klar: Einigkeit ist bei diesem Thema zwischen Türkis und Rot keine zu erkennen, die Pläne der Volkspartei und der Sozialdemokratie streben hier vielmehr weit auseinander.

SPÖ Chef Andreas Babler während des Landesparteitags der SPÖ Steiermark am Samstag, 20. Jänner 2024, in der Stadthalle Kapfenberg.
SPÖ-Chef Andreas Babler will 40.000 Langzeitarbeitslose in geförderten Jobs wieder in Arbeit bringen.
APA/ERWIN SCHERIAU

Die ÖVP hat vor, die Lohnnebenkosten zu senken, bis 2030 um 0,5 Prozent pro Jahr. Dazu will sie unter anderem bei der Arbeitslosenversicherung ansetzen, das heißt, sie will dort einsparen – und zwar durch Senken der sogenannten Nettoersatzrate. Diese definiert, wie viel Prozent des zuletzt verdienten Lohns ein arbeitsloser Menschen erhält – derzeit zu Beginn des Bezugs 55 Prozent, ein im EU-Vergleich recht niedriger Wert.

Gegen Einsparungen bei Arbeitslosen

Laut ÖVP soll der Prozentsatz nun zeitabhängig weiter sinken, auf unter 50 Prozent. Dadurch sowie durch ein Streichen der derzeit erlaubten Möglichkeit, neben dem Arbeitslosengeldbezug geringfügig dazuzuverdienen, soll der Druck, einen neuen Job anzunehmen, erhöht werden.

Video: SPÖ-Chef Andreas Babler hat am Donnerstag seine Vorstellung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit präsentiert.
DER STANDARD

Diesem Druck erteilte Babler am Donnerstag eine klare Absage – und zwar unter Hinweis auf "Respekt", den die SPÖ unter seinem Parteivorsitz für Werktätige und viele anderen Gruppen einfordert. Arbeitslose Menschen verdienten Respekt bei der Jobsuche, statt "bestraft" zu werden, sagte er.

Daher gelte es, für Arbeitslose "Arbeitsplatzgarantien" zu schaffen. Das sei gerade jetzt nötig – sei doch die Arbeitslosigkeit im heurigen Jänner im Vergleich zum Jänner 2023 um acht Prozent auf 420.000 Personen gestiegen. Auch am Bau kündige sich für die warmen Monaten ein solches Beschäftigungsminus an, detto in den Klein- und Mittelbetrieben, die unter der von Türkis-Grün unzulänglich bekämpften Inflation stöhnten – und deshalb letztlich ebenfalls Jobs streichen müssten.

Sozialdemokratischer "Paradigmenwechsel"

Besagte Arbeitsplatzgarantie will die SPÖ – so ihr Chef – durch einen "Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zu Beschäftigungsinitiativen" erreichen, die in den kommenden Wochen und Monaten von den die SPÖ beratenden Expertinnen und Experten konkretisiert würden. "Wir knüpfen an sozialdemokratische Traditionen an", sagte er – sprich die Aktion 20.000, die laut Babler diesmal jedoch für 40.000 Menschen ausgerollt werden soll.

Die Aktion 20.000 bot ab Ende Juni 2017 langzeitarbeitslosen Menschen über 50 Jahren insgesamt 20.000 nach Kollektivvertrag bezahlte Arbeitsplätze an. Diese konnten bei Gemeinden, gemeinnützigen Organisationen oder sozialen Unternehmen angesiedelt sein, und sie wurden, da sie anders nicht finanzierbar gewesen wären, staatlich gefördert. Konkret übernahm der Bund die Lohn- und Lohnnebenkosten – bis zu 100 Prozent – für maximal zwei Jahre.

"Stützlehrer, Alltagshilfe, Postpartner"

Laut Babler war die durch Türkis-Blau vorzeitig beendete Aktion ein immenser Erfolg. Nicht nur habe sie den älteren Jobsuchenden eine "identitätsstiftende" und vielfach nachhaltige Arbeit vermittelt. Auch hätten die angebotenen Jobs "gegen die Ausdünnung im ländlichen Raum" gewirkt: "Stützlehrerinnen und -lehrer, Alltagshilfe für ältere Menschen, Postpartner, Parkraumbewirtschaftung", zählte Babler auf. In Traiskirchen, wo er Bürgermeister ist, sei "erst vor wenigen Tagen der letzte Mitarbeiter aus dieser Aktion in Pension gegangen".

Parallel dazu will die SPÖ die Joboffensive 50+ der Stadt Wien auf weitere Städte ausdehnen. Auch hier werden bei Langzeitarbeitslosen über 50 Jahren bei Jobaufnahme die gesamten Lohnkosten und die Lohnnebenkosten übernommen. Zuletzt solle laut Babler geprüft werden, wie das AMS-Modellprojekt einer staatlichen Jobgarantie für Langzeitarbeitslose im niederösterreichischen Gramatneusiedl flächendeckend ausgerollt werden kann.

ÖVP-nahe Gewerkschafter für SPÖ-Pläne

Unterstützung erhielten die roten Pläne auch aus ÖVP-nahen Kreisen; laut Babler ein Signal, dass "Christlichsoziale ein Stück Wegs mit uns gehen": Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) in der GPA stellte sich gegen den ÖVP-Vorschlag zur Reduktion der Arbeitslosen-Ersatzquote. Ihr Vorsitzender Wolfgang Pischinger sprach von "einer gefährlichen Diskussion", die die soziale Sicherheit infrage stelle.

Gegen Zurufe aus der eigenen Partei wiederum verwahrte sich der SPÖ-Chef am Donnerstag mit offenen Worten. In der "Kleinen Zeitung" hatte der SPÖ-Sozialsprecher und Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter, Josef Muchitsch, die roten Kernforderungen nach einer Vermögenssteuer und der 32-Stunden-Woche als unrealistisch kritisiert. Bei Koalitionsverhandungen würden sie eine "unüberwindliche Hürde" darstellen, sagte Muchitsch.

Babler kontert Muchitsch

Das ließ der SPÖ-Chef, von Journalisten darauf angesprochen, nicht so stehen: "In der Partei muss man sich erst gewöhnen, dass jemand Neuer an Spitze steht, der angetreten ist, um ein klares Profil vorzugeben", sagte er. Warum solle man "eine funktionierende Strategie ändern"? Die SPÖ habe in der Vergangenheit "zu wenig Kante gezeigt, sei zuletzt auf ein Wahlergebnis von 21 Prozent abgesunken.

Warum greife man in der SPÖ dann nicht zum Telefon und kläre derlei inhaltliche Differenzen untereinander, fragte ein Journalist daraufhin nach. "Das müssen Sie nicht mich, sondern jenen fragen, der mich nicht angerufen hat", antwortete Babler.

Muchitsch fordert Bau- und Pflegeoffensive

Muchitsch präsentierte am Donnerstag indes auch eigenen Pläne gegen die derzeit steigende Arbeitslosigkeit. Von den Vorschlägen seines Parteichefs sind sie nicht weit entfernt. Die SPÖ habe "konkrete Pläne, um Arbeitslose zu unterstützen und schnell wieder in Beschäftigung zu bringen", wird er in einer Aussendung zitiert.

So müsse "die Pflegeoffensive endlich angegangen und umgesetzt werden". Dasselbe gelte für die Stärkung des sozialen Wohnbaus. "Die Baubranche braucht einen Booster, wie ihn auch der ÖGB in seinem Zehn-Punkte-Plan zur Sicherung von Standort und Beschäftigung fordert", so Muchitsch. (Irene Brickner, 15.2.2024)