Karl Nehammer gab den Bundeskanzler und bemühte sich, christlich-soziale Politik darzustellen.
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Am ehesten ist der Kanzler wie ein Kanzler aufgetreten. Die Rede von Karl Nehammer in Klagenfurt war sichtlich und hörbar vom Bemühen getragen, staatstragend zu wirken. Der ÖVP-Chef blieb auf einer konstruktiven Ebene, mahnte das Gestalten ein und erteilte dem Spalten eine deutliche Absage. Das war ganz klar an Herbert Kickl und dessen Gefolgschaft gerichtet, auch wenn Nehammer den FPÖ-Chef nicht namentlich erwähnte. Neues hatte er an diesem Aschermittwoch nicht zu bieten. Im Übrigen auch keine Pointen, wie man sie von einer klassischen Aschermittwochsrede hätte erwarten können.

Nehammer wirkte so, als wollte er aus der ihm zugeschriebenen Not – zu wenig Volksnähe, zu wenig Popularität – eine Tugend machen. Er wolle partout keine launige Rede halten, wie sie an einem politischen Aschermittwoch geboten scheint. Er wollte darlegen, was christlich-soziale Politik zu leisten vermag: "Ich breite mein Herz aus." Über weite Strecken war seine Rede deshalb ein Abriss des "Österreich-Plans" plus Leistungsbilanz seiner Regierungszeit (Abschaffung der kalten Progression, Ausbau der Kinderbetreuung, Ausbau der Gesundheitsversorgung, was die Politik – ein Fehlergeständnis – verschlafen habe).

Ein Motiv, das sich durch den ganzen Abend zog: Nehammer stilisierte die ÖVP zur seriösen Kraft der Mitte, die sich von den "radikalen Rändern" abgrenze – auch in der Migrationsfrage. Er sei keiner von jenen, die mit immer lauteren Parolen "Scheinlösungen" präsentierten – auch wenn das nicht immer so plakativ rüberkomme. Er habe die Verantwortung, die Zukunft positiv zu gestalten. "Wir brauchen keine Extreme für vernünftige Politik. Gestalten wir dieses Land und spalten wir es nicht."

Es war eine konventionelle Rede, die nicht zum Anlass, dem Aschermittwoch, passte, sie passte zu jeder x-beliebigen Parteiveranstaltung. Immerhin schien er die Mahnung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beherzigt zu haben und ließ sich auf kein kleinliches Hickhack ein.

Andreas Babler setzte voll auf die Oppositionsrolle und gab den emotionellen Parteichef.
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SPÖ-Chef Andreas Babler wurde in seinem Auftritt zunehmend emotional, was es auch schwermachte, ihm inhaltlich zu folgen. Bablers Schwäche, zu schnell zu reden und zu viel auf einmal sagen zu wollen, brach hier voll durch. Die Pointen waren dicht, aber nicht immer gelungen. "Die ÖVP ist nicht die bürgerliche, sondern die burgerliche Partei. Sie sind nicht gesund, aber billig – die Hamburger."

Babler arbeitete sich an ÖVP und FPÖ ab, an denen er kein gutes Haar ließ. Die ÖVP sei "entfremdet von den Lebensrealitäten", und so sahen es offenbar auch die Gäste in der gut gefüllten Halle in Kobenz im Bezirk Murtal. Kickl sei nur ein Angstbeißer, der FPÖ warf er vor, Festungen zu plakatieren, aber "Kerker zu produzieren". Babler präsentierte sich als angriffiger Oppositionschef, das Kanzlerformat wollte ihm an diesem Abend noch nicht so recht passen.

Am deutlichsten grenzte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl ab, der seine politischen Mitbewerber mit Inbrunst herabwürdigte.
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Am deftigsten fiel die Rede von Herbert Kickl in der Jahn-Turnhalle in Ried aus, wenn auch weniger aggressiv, als man es von ihm auch kennt.

Dass die eine oder andere Aussage in Kickls Ansprache für tagelang Empörung sorgt – Stichwort "Mumie in der Hofburg" und "Fahndungslisten" von politischen Gegnern – und sogar Ermittlungen nach sich zieht, ist längst schon völlig normal geworden. Derlei heftige Sager blieben Mittwochabend aus, Kickl war in seiner Tonalität nicht ganz so unerbittlich, wie man es sonst von ihm gewohnt ist.

Ein Schelm aber, wer denkt, dass der Appell des Bundespräsidenten zur Mäßigung bei den Aschermittwochsreden Wirkung gezeigt hat – dieser juckte den blauen Frontmann kein bisschen. Auch diesmal verzichtete der dieser nicht auf Untergriffe ganz nach Kickl'scher Manier, einige Sager waren deutlich unter der Gürtellinie.

Die Aussagen Kickls trieften vor Hass, er würdigte die politischen Mitbewerber allesamt herab, auch auf einer persönlichen Ebene. Lustig war die Rede nicht, Pointen waren selten gesetzt. Den Bundeskanzler bedachte er immerhin mit einem Vierzeiler: "Herr Nehammer hat ein Problem, normal nennt er rechtsextrem, der Grund dafür ist klar: Angst, Alk und Psychopharmaka." Viel Zeit verwendete Kickl darauf, den Begriff Rechtsextremismus zu definieren. Offensichtlich hat er kein Problem, dort verortet zu werden, auch wenn er für sich in Anspruch nimmt, mit seinen Forderungen die Mitte zu präsentieren. "Remigration" sei nach wie vor sein Ziel, und in Anspielung auf das Treffen der extremen Rechten in Deutschland meinte Kickl, dass gegen einen "Geh-Heim-Plan" gar nichts einzuwenden sei. Nach diesem geifernden Abend muss es allfälligen Koalitionspartnern wohl noch ein Stückchen schwerer fallen, sich eine Kooperation mit diesem Mann vorzustellen. (Gerald John, Sandra Schieder, Michael Völker, 15.2.2024)