Nach dem deutschen Chemiekonzern BASF gerät nun auch der Autobauer VW wegen seines Werks in Xinjiang unter Druck. Der Konzern will nun sein Joint-Venture mit dem chinesischen Autobauer SAIC prüfen lassen. Dem vorausgegangen waren Vorwürfe von Mitarbeitern, über die die deutsche Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" berichtet hatte.

Eigentlich gilt der deutsche Autobauer Volkswagen in der von Menschenrechtsskandalen erschütterten Region Xinjiang als guter Arbeitgeber. Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen gelten als überdurchschnittlich. Auch war VW immer darum bemüht, nicht nur Han-chinesische Mitarbeiter einzustellen, sondern auch solcher uigurischer Herkunft. Und doch stand immer die Frage im Raum: Wie moralisch einwandfrei kann ein Konzern in Xinjiang produzieren? Mittlerweile sind die Menschenrechtsverletzungen in Form von Zwangsarbeit, Gehirnwäsche, Überwachung und Zwangssterilisationen von Frauen gut belegt. Selbst also, wenn der Konzern keine uigurischen Zwangsarbeiter beschäftigt, profitiert er indirekt nicht doch von dem Unterdrückungssystem?

Besucher und Besucherinnen begutachten einen Volkswagen ID.4 Elektro-SUV während der Xinjiang International Auto Show.
Volkswagen gilt in der von Menschenrechtsskandalen erschütterten Region Xinjiang als guter Arbeitgeber. Dennoch reißen die Probleme nicht ab.
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Die Vorwürfe, denen der Konzern jetzt ausgesetzt ist, sind aber weitaus konkreter als nur eine "indirekte Beteiligung". 2019 wurde nahe der Stadt Korla eine Teststrecke für Autos gebaut. Dabei sollen auch Zwangsarbeiter eingesetzt worden sein. Dies berichteten VW-Mitarbeiter dem Forscher und Aktivisten Adrian Zenz, der die Vorwürfe anhand von Unterlagen belegen konnte. Zenz beschäftigt sich seit Jahren mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und hat maßgeblich dazu beigetragen, diese weltweit bekanntzumachen.

"Mitarbeiter der Organisationen, die an dem Bau der Teststrecke beteiligt waren, haben aktiv an Maßnahmen zur Kontrolle und Unterdrückung der Uiguren teilgenommen", sagte Zenz, Senior Fellow bei der Erinnerungsstiftung für die Opfer des Kommunismus in Washington, gegenüber dem deutschen "Handelsblatt".

Lager für moslemische Minderheit

Etwa um das Jahr 2014 hatte Peking damit begonnen, ein extensives Lagersystem in der formell "autonomen Region" zu errichten, in der eine große turksprachige, moslemische Minderheit lebt. Zunächst hatte die kommunistische Partei die Existenz der Lager geleugnet, später von "Ausbildungszentren" gesprochen. Überlebende berichten von monatelanger Gehirnwäsche, Folter und Misshandlungen, mit denen die kulturelle Identität der uigurischen Minderheit ausgelöscht werden soll. Noch im Jahr 2019 hatte der damalige Konzernchef Herbert Diess behauptet, nichts von den Zuständen dort zu wissen.

Vergangene Woche hatte BASF angekündigt, seine zwei Joint Ventures in Xinjiang auflösen zu wollen. Zuvor war bekannt geworden, dass Joint-Venture-Partner Markor Mitarbeiter überwache. Der Chemiekonzern hatte allerdings behauptet, die Entscheidung sei bereits im vierten Quartal 2023 gefallen und habe nichts mit der Menschenrechtssituation zu tun.

Hilfe für die Region

Beide Konzerne dürften nur bedingt freiwillig in der wirtschaftlich schwachen Region aktiv geworden sein. Seit Jahren vermuten Experten, dass die Genehmigung rentabler Werke in Südchina an ein Engagement in Xinjiang geknüpft worden war. So wollte Peking die Region wirtschaftlich entwickeln.

Hinter den Entwicklungen könnte auch Druck aus Washington stecken, wo bereits strengere Gesetze hinsichtlich der Lieferketten in Kraft sind. In mehreren amerikanischen Häfen stecken gerade tausende von deutschen Autos der Marken Volkswagen, Porsche und Audi fest. Eine elektronische Komponente im Steuerungssystem der Autos soll in Xinjiang unter Zwangsarbeit gefertigt worden sein, so die Vorwürfe. In den USA gilt seit 2021 der sogenannte "Uyghur Forced Labor Prevention Act". (Philipp Mattheis, 15.2.2024)