Trockenes Grasland, das sich bis zu einem Berg im Hintergrund hinzieht
Eine Savannenlandschaft in Kenia.
Kate Parr, University of Liverpool

Um die Folgen der Klimaerwärmung abzufangen, muss nicht nur der CO2-Ausstoß zurückgefahren werden, zunehmend wird klar, dass ein Teil des von Menschen produzierten CO2 auch wieder eingefangen werden muss. Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber lobte unlängst im STANDARD-Gespräch Bäume als wichtiges Mittel, um das zu bewerkstelligen.

Ziel mehrerer Initiativen zur Förderung von Waldflächen ist derzeit der afrikanische Kontinent. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein 2005 beschlossenes Vorhaben, die Ausbreitung der Sahara durch eine "grüne Mauer" zu verhindern, mit eher ernüchterndem Ergebnis: 2021 waren erst 15 Prozent der bis 2030 geplanten Baumpflanzungen realisiert.

Weniger bekannt ist ein Projekt namens AFR 100. Darin vereinbarten 34 afrikanische Staaten ein großes Renaturierungsprojekt, das verlorene Wälder in Afrika wieder aufforsten soll. Finanziert wird es unter anderem von der Weltbank und dem Earth Fund von Jeff Bezos, weitere Partner sind die Uno und die Unesco. Die Aufforstungsmaßnahmen sollen 130 Millionen Hektar umfassen, durchgeführt von kleinen, lokalen Organisationen, die im Vorfeld ausgewählt wurden.

Afrika ist ein wichtiges Ziel für Aufforstung, die Waldfläche geht dort generell zurück, verantwortlich ist vor allem kleinskaliger Ackerbau. Die EU versucht mit der Verordnung der Europäischen Union zur Bekämpfung der Entwaldung die Einfuhr problematischer Waren zu beschränken.

Intakte Savannenlandschaft als Wald klassifiziert

Doch nun übt ein Forschungsteam der Universität Liverpool in einer soeben im Fachjournal "Science" publizierten Studie Kritik an AFR 100. Viele der dafür ausgewiesenen Flächen seien gar kein eigentlicher Wald. Es handle sich um Savannen oder Grasland, intakte Ökosysteme, die durch die Bewaldung zerstört würden. Dabei sei das Ziel von AFR 100 die Wiederherstellung verlorener Waldflächen. Insgesamt sei eine Fläche von der Größe Frankreichs bedroht.

Unter den Unterzeichnerländern des AFR-100-Projekts sind auch acht Staaten, die aktuell gar nicht über Waldflächen verfügen. Etwa die Hälfte der aufgeführten Flächen, ganze 70 Millionen Hektar, gehöre nicht zu Waldökosystemen. Das Problem liege zum Teil in der Beurteilung anhand von Luftbildern, in denen eine zehnprozentige Baumbedeckung bereits als Wald gilt.

"Es ist dringend notwendig, die Definitionen zu überarbeiten, damit Savannen nicht mit Wäldern verwechselt werden, denn die Ausbreitung von Bäumen stellt eine Bedrohung für die Integrität und den Fortbestand von Savannen und Grasland dar", sagt Studienautorin Kate Parr von der Universität Liverpool. Ein weiteres Problem sei, dass oft keine heimischen Baumarten verwendet würden.

Klimaschutz nicht als einziges Ziel

Unabhängige Fachleute teilen zum Teil die Kritik. "Die Studie ist eine von mehreren wichtigen Studien, die deutlich zeigen, dass wir beim Management von Ökosystemen nicht nur auf den Klimaschutz fokussieren dürfen", betont Thomas Hickler vom Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum in Frankfurt am Main. Intakte Naturräume erbrächten viele wichtige Ökosystemleistungen. "Wir dürfen diese nicht opfern, um ein bisschen mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu ziehen, zumal die Potenziale durch Aufforstung im Vergleich zu unseren Treibhausgasemissionen sehr gering sind."

Lisa Biber-Freudenberger von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn stimmt zu: "Gerade die Idee, 'einfach' Bäume zu pflanzen, um den Klimawandel zu bekämpfen, ist eben nicht so einfach wie häufig in der Öffentlichkeit angenommen." Bäume benötigten Land, und das sei knapp. "Politische Initiativen wie die AFR 100 sind daher manchmal gut gemeint und sehr symbolträchtig, bringen aber auch wieder Probleme mit sich", sagt Biber-Freudenberger.

Eine grüne, hügelige Graslandschaft
Grasland in Kenia, das von der Maßnahme bedroht ist.
Kate Parr, University of Liverpool

Vergänglicher Ist-Zustand abgebildet

Ein Kritikpunkt an der aktuellen Arbeit ist allerdings, dass sie nur den Ist-Zustand abbildet. Die Grenzen von Naturräumen verschieben sich aber laufend, ein Effekt, der sich durch den Klimawandel bereits beschleunigt vollzieht. "Die Studie betrachtet das Problem aus einer eher statischen Perspektive, aber natürliche Grenzen sind im Wandel. Das gilt auch für die Wald-Savannen-Grenze", sagt Sven Günter vom Johann-Heinrich-Thünen-Institut. "Der Klimawandel wird die Kipppunkte zwischen Wald und Savanne und ihre zukünftige räumliche Ausbreitung sehr stark beeinträchtigen." Es müsse nicht die aktuelle, sondern die künftige Verbreitung der Naturräume betrachtet werden. Das sei in der neuen Studie nicht geschehen.

Der positive Effekt von Wald auf das Klima erschöpft sich zudem nicht in der Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme. Schellnhuber plädiert dafür, Häuser aus Holz statt aus Beton zu bauen. Statt bei der Betonherstellung CO2 freizusetzen, wird beim Verbauen von Holz das von den Bäumen der Atmosphäre entzogene CO2 dauerhaft gebunden.

Doch dafür braucht es bewirtschaftete Nutzwälder. 2022 untersuchte eine Studie, welche Waldflächen nötig wären, um den Umstieg auf Holz beim Bau von Wohnhäusern auf globaler Ebene umzusetzen. Die Rede ist von einer Verdreifachung der aktuell zur Holzgewinnung verwendeten Fläche weltweit, um den CO2-Ausstoß der Bauwirtschaft auf ein mit Klimazielen verträgliches Maß zu begrenzen.

Diese zusätzlichen Nutzwälder werden in einem Rechtfertigungswettbewerb mit Ackerflächen zur Lebensmittelproduktion und intakten Naturräumen stehen. (Reinhard Kleindl, 16.2.2024)