Mit der Regelmäßigkeit, in der die Unfallstatistik erscheint, kommen auch immer wieder zwei Forderungen auf. Die bekanntere und breiter diskutierte ist jene nach einer regelmäßigen Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Seniorinnen und Senioren, in der Hoffnung, so die Unfallzahlen im Straßenverkehr zu reduzieren. Fast wie ein Boomerang bringen die anderen darauf die Forderung nach einem Stufenführerschein für Führerscheinneulinge auf.

Blick ins Cockpit eines Sportwagens während der Fahrt.
Gerade wenn der Führerschein frisch ist und man einen Sportwagen fährt, sollte der Mut nicht größer als der Respekt sein.
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"Wann kommen endlich die PS-Beschränkungen bei Autos für Fahranfänger", fragt etwa ein STANDARD-Leser, der einer möglichen Seniorenüberprüfung deutlich näher ist, als in die Gefahr eines Stufenführerscheins zu kommen. Bei den Motorrädern habe man derlei schon vor lange Zeit eingeführt, der Erfolg gebe der Maßnahme recht. Außerdem gebe es ja bereits Länder, die Führerscheinneulingen das Lenken von leistungsstarken Autos verbieten.

Wie eine Erhebung des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) ausweist, gibt es in Italien seit 2013 drei Einschränkungen für Führerscheinneulinge. Das sind eigene Tempolimits – 100 km/h auf Autobahnen und 90 km/h auf Freilandstraßen –, ein Alkolimit von 0,0 Promille und eine Leistungsobergrenze von 55 kW pro Tonne Auto. Für Schillingumrechner sind das rund 75 PS pro Tonne Auto, für Badewannenmathematiker etwa 80 kW oder 110 PS für einen Mittelklassewagen wie einen halbwegs gut ausgestatteten VW Golf.

Tempolimits aufgehoben

In Kroatien gelten für Führerscheinneulinge zwar keine Leistungsbeschränkungen, aber Alkohol- und verschärfte Geschwindigkeitslimits bis zum Alter von 24 Jahren. In Österreich hat man indes sogar die strengeren Tempolimits für L17-Fahrerinnen und -Fahrer aufgehoben. Und das zu Recht, wie Alexander Seger, Fahrschulbetreiber in Mödling, sagt.

"Die L17-Limits wurden aufgehoben, weil man damit nur deppert im Weg gestanden ist", erklärt er überspitzt. Die Beschränkungen wurden demnach nur erfunden, um es in der EU überhaupt durchzubringen, dass man in Österreich schon mit 17 den Führerschein machen darf. "Weil man aber draufgekommen ist, dass diese Leute vernünftig und durch die längere Ausbildung besser fahren", konnte man die Einschränkungen aufheben.

Und Seger ist davon überzeugt, dass es schwer wäre, ein PS-Limit zu finden, das einerseits realistisch, auf der anderen Seite nicht lächerlich wäre.

Wo setzt man die Grenze?

Ein Mittelklasse-SUV, wie er auch in der Fahrschulausbildung eingesetzt wird, "ist mit 150 PS nicht übermotorisiert, aber wenn du deswegen das Limit auf 200 PS legst, werden alle sagen, das bringt nix". Er selbst habe seinerzeit mit einem 50 PS starken Saugdiesel zu fahren begonnen – heute findet man kaum noch ein Auto mit 75 PS. Was dann meist bedeuten würde: Eltern müssten für den Fahranfänger ein weiteres Auto anschaffen.

Ähnlich sieht das auch Ursula Zelenka vom ÖAMTC. "Es wird nicht oft das Geld für ein zweites Auto da sein", und die Familienkutsche halt selten die Limits schaffen – wie immer die auch aussehen könnten. "Die Frage ist auch: Wie groß ist der Markt für so ein Auto nach der Anfangszeit?" Und der Juristin stellt sich gleich eine weitere: "Wie erkenne ich im Verkehr dann jemanden, für den andere Regeln gelten?" Gerade Radarboxen könnten sich da schwertun. Zudem habe eine solche Kennzeichnung auch immer etwas von einer Stigmatisierung. "Wer mit bestandenem Führerschein immer noch mit einem Anfängerschild auf dem Heck fährt, hat es nicht unbedingt leichter", sagt Zelenka. Für Verkehrssicherheit könne sich der ÖAMTC absolut begeistern – aber das wäre der falsche Weg. Den richtigen habe man ohnedies bereits mit der Mehrphasenausbildung eingeschlagen.

Reduktion der Unfälle

"Der Mehrphasenführerschein wurde 2003 eingeführt", erinnert David Nosé, Unfallstatistiker beim ÖAMTC. "Seither hat sich die Zahl der Pkw-Unfälle von jungen Lenkern deutlich verringert." Während sich Unfälle mit Pkw-Beteiligung rund um die Einführung des Mehrphasenführerscheins um 40 Prozent reduzierten, gingen im gleichen Zeitraum Unfälle mit Personenschaden, bei denen junge Pkw-Lenker beteiligt waren, um 59 Prozent zurück.

"Wir haben uns stark für den Probeführerschein eingesetzt, der 1992 eingeführt wurde", sagt Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV). Schon mit diesem sind die Unfallzahlen um rund "zehn Prozent stärker zurückgegangen als in anderen Gruppen". Zwar gebe es auch in Italien einen Rückgang der Unfallzahlen, allerdings könne er aus den ihm vorliegenden Daten keine Aussage darüber treffen, wie die Entwicklung in Relation zu bewerten sei. Das Problem liege aber ohnedies woanders, sagt Robatsch: "Die PS-Zahl ist nicht die wesentliche Unfallursache – das ist die gefahrene Geschwindigkeit." Wir seien ein wenig ein Land der Raser, und Robatsch ist überzeugt, dass strengere Strafen und häufigere Kontrollen mehr helfen würden als ein Stufenführerschein, "auch wenn der beim Motorrad sehr gut funktioniert hat" und die Unfallzahlen stark zurückgingen.

"Da haben wir auch schon die dritte Variante", sagt Zelenka, "und inzwischen denkt man über die nächste Änderung nach." "Beim Motorrad ist das ganz was anderes", erklärt Seger, "da kann man sich auch mit wenig Leistung verräumen. Außerdem hat es da eine Leistungsexplosion gegeben", erinnert er an Motorräder die mehr PS Leistung als Kilogramm Gewicht haben. Und dennoch haben andere Maßnahmen mehr Erfolg gebracht.

Ellipsen statt Limits

Robatsch erwähnt da etwa die auf dem Asphalt aufgemalten Ellipsen in Linkskurven, von denen manch einer gar nicht weiß, wofür sie dienen. Die haben Motorradunfälle um 80 Prozent reduziert, weil Motorradfahrer wegen dieser Markierungen nicht mehr in den Gegenverkehr kommen. Eigene Tempolimits, wie sie auf manchen Strecken nur für Motorradfahrer gelten, sorgen allerdings oft für Probleme, erklärt Nosé anhand von Rückmeldungen der Mitglieder.

Nicht einmal der sonst restriktiv nach Verschlimmbesserungen für Autofahrer rufende VCÖ findet eine PS-Beschränkung für Führerscheinneulinge sinnvoll. Nicht die Leistung, sondern die gefahrene "Geschwindigkeit hat auf die Schwere eines Unfalls enorm großen Einfluss. Aus Sicht des VCÖ ist das Problem von übermotorisierten, zu schweren, zu großen und zu breiten Pkws kein Problem einer bestimmten Altersgruppe, sondern ein allgemeines, das an der Wurzel anzupacken ist." (Guido Gluschitsch, 16.2.2024)