Blick auf eine Baustelle und einen Kran im Sonnenuntergang
Die immer noch hohe Inflation und gestiegene Finanzierungskosten sorgen für einen Rückgang bei Immobilienkäufen.
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Es sind düstere Prognosen, die dieser Tage der Baubranche gestellt werden. 16.000 Arbeitsplätze sind heuer am Bau gefährdet. Kommendes Jahr stehen 12.000 Jobs auf der Kippe. Zu dieser Einschätzung kommt das Marktforschungsinstitut Branchenradar.com aufgrund aktueller Daten. Im Vorjahr seien bereits 10.000 Stellen weggefallen. Dass sich das noch nicht voll in der Arbeitslosenstatistik niedergeschlagen hat, liegt laut Andreas Kreutzer, der das aktuelle Branchenradar zur Bauwirtschaft in Österreich erstellt hat, daran, dass es vor allem Leiharbeiter sind, die nicht mehr für Bereiche am Bau beschäftigt werden. Im Vorjahr erhöhte sich die Anzahl der Arbeitslosen in der Bauwirtschaft um rund 1500 Personen.

Ein Mix aus mehreren Ursachen

Die Inflation hat nicht nur das Leben potenzieller Immobilienkäufer verteuert, auch die Preise für Material wurden angetrieben. Hinzu kommen die seit Mitte 2021 stark gestiegenen Zinsen, die Finanzierungen verteuert haben. Wurde für private Wohnbaudarlehen im Jahr 2021 noch ein Effektivzinssatz von 1,57 Prozent (Jahresdurchschnitt) verrechnet, waren es zuletzt im Mittel 4,21 Prozent. Ein Umstand, den auch Bauunternehmer und Immobilienentwickler bei der Finanzierung neuer Projekte spüren. Oben drauf kommt, dass die Kreditvergaberegeln für Private verschärft worden sind.

Nicht vergessen werden dürfen die Lohnkosten. Die Löhne am Bau sind per 1. Mai 2023 um 9,5 Prozent gestiegen. Verhandelt wurde ein Zweijahresvertrag, heuer steigen die Löhne im Mai um die rollierende Inflation plus einen Aufschlag von 0,35 Prozent.

Die Kombination aus alldem führt dazu, dass "im heurigen Jahr die Bauleistung erstmals seit 2010 schrumpfen wird", sagt Kreutzer. In Anbetracht des massiven Rückgangs der Baubeginne im Hochbau bei gleichzeitigem Ausdünnen laufender Bauprojekte sei daher mit einem Erlösminus von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 55,4 Milliarden Euro zu rechnen.

Immobilienmarkt hat sich deutlich verändert

Nach dem Wohnbauboom der vergangenen Jahre habe sich auch die Nachfrage verändert, erklärt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria. Der Teil der Gesellschaft, der sich eine Immobilie leisten kann, habe bereits eine. Der Kreis jener, die sich noch ein Eigenheim leisten wollen oder können, werde kleiner. Das führe zu einem Rückgang der Nachfrage, weswegen Neubauprojekte verschoben werden. Die Grundstückspreise sind laut Bruckbauer nach wie vor hoch, in Kombination mit den gestiegenen Finanzierungskosten führe das vermehrt zu Verschiebungen von Käufen oder privaten Hausbauten. "Jene, die nicht sofort bauen wollen oder müssen, warten auf sinkende Finanzierungskosten", sagt Bruckbauer.

Im Wohnbau wird laut der Branchenradar-Analyse die Bauproduktion heuer voraussichtlich um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sinken, im Wohnungsneubau sogar um zwölf Prozent. Zudem war die Schaffung von neuem Wohnraum in Relation zur allgemeinen Preislage noch nie so teuer wie jetzt, hält Kreutzer fest. Zwischen 2020 und 2023 haben sich die Baupreise im Wohnbau um ein Drittel erhöht und damit um mehr als die Hälfte rascher als die Inflation.

Laut der Konjunkturumfrage der Unicredit Bank Austria hat sich die Stimmung am Bau zum Jahresauftakt weiter verschlechtert, was auf Auftragsrückgänge im Hochbau und bei den Nebengewerben zurückzuführen war. Die Aussichten für den Tiefbau haben sich hingegen leicht aufgehellt.

Wohnbauförderung müsste verdoppelt werden

Im Wohnungsneubau kommt die negative Entwicklung für Kreutzer nicht überraschend. 2023 wurden in neuen Gebäuden um fast 27 Prozent weniger Wohnungen bewilligt als im Jahr davor. Gestützt von den Baugenehmigungen der Jahre davor, reduzieren sich folglich im laufenden Jahr – im Vergleich zu 2023 – die Baubeginne insgesamt um rund 18 Prozent, bei Einfamilienhäusern sogar um nahezu 20 Prozent. Alles in allem wird heuer wohl nur noch mit dem Bau von rund 39.600 Wohnungen begonnen.

Problematisch sei auch, dass die Wohnbauförderung immer weniger in der Lage ist, für leistbares Wohnen zu sorgen. Seit der Jahrtausendwende hat die Wohnbauförderung rund zwei Drittel an Wert verloren – vor allem weil es keine Valorisierung mit den steigenden Baupreisen gegeben hat. "Um die ‚Kaufkraft‘ der Wohnbauförderung wiederherzustellen, müsste die derzeitige Dotierung von zwei Milliarden auf vier Milliarden Euro verdoppelt werden", sagt Kreutzer.

Förderungen sind ein Dschungel

Thermisch-energetische Renovierungen werden die Delle beim Neubau bei weitem nicht ausgleichen können. "Modellberechnungen zeigen, dass im besten Fall mit einem Erlösplus von etwa 560 Millionen Euro zu rechnen ist", sagt Kreutzer. Dem stehe ein Rückgang um 1,9 Milliarden Euro im Neubau gegenüber.

Denn auch das Sanieren und Renovieren ist teurer geworden, der Markt seit 2012 rückläufig. Koste der Tausch von Fenstern um 20 bis 30 Prozent mehr, überrasche es nicht, dass diese Ausgaben verschoben werden. Investitionen in langlebige Güter (Möbel oder Küchen) sind im Vorjahr um 9,4 Prozent gesunken. Einen ebenso großen Rückgang verbuchten Baumärkte und der Baustoffhandel.

"Der Staat müsste die Kosten für die Preiserhöhungen abfedern", sagt Kreutzer. Es gebe zwar viele Förderungen, aber das Fördersystem sei zu komplex. Zu neun Landesförderungen kommen Bundesförderungen – etwa für die Anschaffung von Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen. Was aber fehlt, sei eine Übersicht – ein Tool, das individuelle Pläne mit aktuellen Fördermöglichkeiten abgleiche.

Der Topf von 800 Millionen Euro für den privaten Ausstieg aus Öl und Gas sei im Vorjahr nur zur Hälfte ausgeschöpft worden. Ebenso jener für thermische Sanierung. Eine frühere Befragung vom Branchenradar zeigt, dass weniger als zehn Prozent jener, die sich eine PV-Anlage aufs Dach montieren, dies aus Klimagründen tun. Die Mehrheit macht das, weil der Strom für sie dann billiger ist.

In Summe zeige sich, dass viele Menschen die Hoffnung aufgegeben haben, sich etwas schaffen zu können. Ausgaben fließen daher in die Bereiche Freizeit, Gastro und Urlaub. Frei nach dem Motto: Ich lebe jetzt. (Bettina Pfluger, 16.2.2024)