Martin Espernberger
Martin Espernberger auf dem Weg zum Erfolg.
AP/Lee Jin-man

All things possible – alles ist möglich. So lautet das Motto von The Bolles School, einem College in Jacksonville, Florida. Die Alumni-Liste bestätigt das Motto, da findet sich Namhaftes en masse. So hat der spätere US-Air-Force-Kommandant Joseph Kittinger die Bolles-Schule besucht, er hielt ab 1960 den Rekord für den höchsten Fallschirmabsprung – mit einer Höhe von 31,3 Kilometern. 2012 half Kittinger als Mitglied des Stratos-Projekts von Red Bull dem Österreicher Felix Baumgartner, einen neuen Rekord (39 Kilometer) zu fixieren, der allerdings nur zwei Jahre halten sollte.

Von bleibendem Wert sind die Sporterfolge der Bolles-School-Absolventen, die sich im American Football, im Baseball und vor allem im Schwimmen hervorgetan haben. Dies wiederum hat 2020 den 16-jährigen Martin Espernberger dazu bewogen, nach Jacksonville zu übersiedeln. Der junge Linzer galt da durchaus bereits als talentierter Schwimmer, dafür war Englisch quasi ein spanisches Dorf für ihn, das alles brachte seine Mutter Birgitt auf die Idee, den Herrn Sohn zu einem Auslandssemester zu überreden. Sie hatte schon Martins ältere Geschwister Juliana, Philipp und Paul, allesamt ebenfalls respektabel unterwegs, zum Schwimmen gebracht. "Sie wollte, dass wir einen Sport machen, bei dem man sich nicht wehtut", wurde Martin einmal in den Oberösterreichischen Nachrichten zitiert. Und dafür müsse man sich beim Schwimmen "schon ziemlich blöd anstellen".

Viele Angebote

Mit den Staaten hat er sich flott angefreundet, sein Englisch wurde bald besser, sein Schwimmen auch. So sind aus dem einen schon viele Semester geworden, und aus dem College in Jacksonville wurde die University of Tennessee. Sie gab Espernberger 2022 ein Stipendium, er hatte aus Angeboten von dreißig Unis wählen können. In Knoxville studiert der 20-Jährige nun Elektrotechnik, er ist kein Freshman mehr, sondern Sophomore, also im zweiten Studienjahr.

Martin Espernberger
Der WM-Dritte Espernberger studiert in Knoxville, Tennessee.
IMAGO/Andrea Masini / Deepblueme

Die frühe Verlagerung des Lebensmittelpunkts ist Hauptgrund dafür, dass viele dachten, Espernberger wäre aus dem Nichts aufgetaucht, als er bei der WM in Doha die Bronzemedaille über 200 Meter Delfin holte.

Es ist Österreichs siebente WM-Medaille im olympischen, fünfzig Meter langen Becken. Zuvor hatte Maxim Podoprigora 2001 Silber geholt, Markus Rogan zweimal Silber (2001, 2005) und einmal Bronze (2007), Mirna Jukic zweimal Bronze (2005, 2009). Espernberger war mit der viertbesten Zeit nach Katar gekommen, als Viertbester zog er auch ins Finale ein, da gab er sich in 1:55,16 Minuten nur dem Japaner Tomoru Honda (1:53,88) und dem Italiener Alberto Razzetti (1:54,65) geschlagen.

Nüchterne Töne

Der Überraschungsmann kommentierte die Überraschung überraschend nüchtern. "Es war ein gutes Rennen, und es ist sich grad und grad ausgegangen." Weder hatte Espernberger seine Bestzeit (1:54,69) angekratzt noch den heimischen Rekord (1:54,35), den Dinko Jukic als Olympiavierter 2012 fixierte. Mag sein, auch das erklärt die Nüchternheit. In Doha hätten "einige große Namen gefehlt". So oder so sei er "froh" über Bronze. "Die Medaille nehme ich schon mit."

Das hätte Felix Auböck nicht anders gemacht, freilich war dem seit Jahren besten heimischen Schwimmer in Doha kein Erfolgserlebnis vergönnt. Der 27-jährige Kraulspezialist, der 2021 Kurzbahn-Weltmeister und Olympiavierter war, kam über eine Finalqualifikation und dann den achten Platz nicht hinaus und sagte: "Irgendetwas hat nicht funktioniert. Das war alles nicht so, wie ich mir das erhofft habe." Markus Rogan, Felix Auböck, Martin Espernberger, da zieht sich quasi eine rote Linie durch. Alle drei sind in die USA gegangen bzw. geflogen, um dort als Schwimmer groß zu werden. Rogan ist in Kalifornien geblieben, Auböck studiert und trainiert mittlerweile an der Loughborough University in England. Und bei Espernberger wird man sehen, wohin ihn die Reise noch führt, auch sportlich.

Als Medaillenkandidat bei den Olympischen Spielen ab 26. Juli in Paris sieht sich Espernberger nicht. Bei der WM im Vorjahr in Fukuoka hätte seine Finalzeit von Doha auch tatsächlich nur zu Rang sieben gereicht. Doch jeder Wettbewerb ist anders, und Olympia hat eigene Gesetze. Der österreichische Rekord von Jukic wäre bei den Spielen 2021 in Tokio sogar Bronze wert gewesen. All things possible. (Fritz Neumann, 16.2.2024)