Ich arbeite seit 10. September 1990 bei der ÖBB. Ursprünglich war ich in Ex-Jugoslawien, im heutigen Kroatien, im Gastgewerbe tätig, habe Koch und Kellner gelernt, meine Frau riet mir in Österreich zu diesem Job. Es gab theoretisch drei Möglichkeiten: beim Land, bei der Post oder bei der Eisenbahn zu arbeiten. Diese drei galten für mich als sichere Jobs, der Verdienst ist auch gut. Ich habe mich von Beginn an für die Eisenbahn entschieden.

Zugbegleiter Georg Kitzmüller, 56
Der Zugbegleiter Georg Kitzmüller (56) arbeitet seit 34 Jahren bei der Eisenbahn.
Sascha Aumüller

Der damalige Vorstand in Linz war von meinen Sprachkenntnissen begeistert und meinte schon damals: "Wir machen aus dir einen Zugbegleiter!" Das würde gut mit meinem gelernten Beruf zusammenpassen. Angefangen habe ich, mit der Kehrmaschine zu fahren, also in der Wagenreinigung, dann nach ein paar Monaten bin ich zum Verschub. Das war komplettes Neuland für mich. Aber ich hatte supernette Kollegen, und die Vorgesetzten haben mich sehr unterstützt, damit ich Fortschritte mit der Sprache mache. Ich musste ja über Funk reden und verstehen. Das hat gut funktioniert, und innerhalb von einem Jahr bin ich zum Schaffner-Kurs gekommen. Ab da hat alles seinen Lauf genommen. 1992 bin ich als Schaffner gefahren, ab '93 als Zugführer.

Was ist der Unterschied? Schaffner – oder wie es heute heißt: das Sicherheits- und Kontrollteam – kontrollieren die Tickets, sie sind nur im Zug. Zugführer ist derjenige, der auch betriebliche Aufgaben hat, zum Beispiel den Zugverband prüft, ob technisch alles in Ordnung ist, den Zug abfertigt, also wartet, bis alle Passagiere eingestiegen sind, und dem Lokführer das Signal zur Abfahrt gibt. Man kennt uns unter dem Überbegriff Zugbegleiter.

Als ich mit dem Job begonnen habe, konnte ich zehn Wörter Deutsch. Mein Glück war, dass ich bald von Linz rauf ins Mühlviertel gezogen bin und dort keine Bekannten aus Ex-Jugoslawien mehr hatte. Dadurch habe ich mich sehr schnell anpassen müssen und in sechs Monaten viel von der Sprache gelernt. Nach 34 Jahren bei der Eisenbahn kann ich sagen: Es ist zwar ein riesiger Betrieb, aber trotzdem irgendwie familiär. Ich bin dort 2003 wohl als einer der ersten Männer im Unternehmen sechs Monate in Karenz gegangen. Ja, wir halten zusammen. In guten und in schlechten Zeiten, wie in einer Ehe. Natürlich läuft nicht immer alles reibungslos ab, aber man fühlt sich gut aufgenommen.

Der Vorteil langer Schichten

Ich bin hauptsächlich im Fernverkehr unterwegs. Wien, Innsbruck, Graz, Salzburg. Am liebsten fahre ich nach Tirol. Da sind die Leute ein bisserl anders. Meine Arbeit ist nach einem Schichtplan organisiert. An einem Tag fahre ich zum Beispiel von Graz über den Semmering zum Flughafen Schwechat und vor dort zurück nach Linz. Dazwischen habe ich Pause, da geht sich Mittagessen und eventuell ein kurzes Schläfchen aus. Das sind insgesamt fast elf Stunden bezahlte Arbeitszeit. Ich persönlich mag die langen Schichten, weil ich dann in zwei, drei Tagen die Stunden für die Woche schon hinter mir habe und der Rest Freizeit ist. Wir haben einen Jahresplan mit fixen Ruhetagen, und für zwei Monate bekomme ich den Dienstplan im Voraus. Damit kann man recht gut planen, etwa Geburtstage und andere Feste an Wochenenden.

Im Schnitt arbeite ich zwei bis dreimal im Monat am Wochenende, aber nicht das gesamte. Oft komme ich schon am Samstagvormittag nach Hause, einen ganzen Sonntag arbeite ich auch eher selten. Zweimal in 34 Jahren musste ich bisher am 24. Dezember arbeiten. Aber es gibt zur Weihnachtszeit viele schöne Begegnungen. Immer wieder bekomme ich von Passagieren kleine Präsente. Ich werde nie vergessen, als mir eine Frau etwas gehäkelt und sehr lang auf mich gewartet hat, nur um mir ihr Geschenk zu überreichen. Ein anderes Mal hat mir eine Ordensschwester ein Medaillon von einer Reise nach Lourdes geschenkt. Das habe ich aber verloren, und Jahre später schenkt sie mir ein neues. Kurz danach hatte ich einen schweren Motorradunfall und dabei wohl einen Schutzengel.

Die meisten Fahrgäste sind superklasse Leute. Es gibt nur einen kleinen Teil, der kompliziert ist – wie überall. Ich höre mir gern deren Anregungen, Beschwerden oder was auch immer an und suche – wenn möglich – eine Lösung. Das kann man lernen, man muss nur wollen. Manchmal muss ich aber wohl betonen, dass ich nicht im Strafvollzug bin, sondern ganz im Gegenteil ein Mitarbeiter, der zu helfen versucht. Ich bin schlicht für den Service da. Natürlich verstehe ich Fahrgäste, die erbost fragen: "Warum wird der Zug gecancelt?" Ich würde genauso agieren, wenn ich Fahrgast wäre. Wenn ich ein Produkt kaufe, möchte ich etwas dafür bekommen. Ich versuche, den Leuten ordentlich zuzuhören und das Problem genau zu erklären, nicht auf eine grantige Weise. Es gibt trotzdem eine Stelle, wo man anrufen kann, wenn sich das Problem einmal nicht vor Ort lösen lässt, und diese Information gebe ich gerne weiter.

Zugbegleiter Georg Kitzmüller, 56
Georg Kitzmüller freut sich über volle Züge, hätte aber gerne mehr Zeit für die Passagiere.
Sascha Aumüller

Seit der Railjet unterwegs ist und es das Klimaticket gibt, hat die Anzahl der Passagiere stark zugenommen. Freilich, als damals das Klimaticket ins Leben gerufen wurde, hätte man auch gleich schauen können, ob überhaupt genug Material und Personal im Bahnverkehr vorhanden ist. Aber das liegt nicht an uns. Ich finde die Entwicklung trotzdem super, weil wir ein öffentliches Verkehrsmittel sind. Wir fahren von A nach B, egal ob der Zug voll ist oder nicht. Mir wäre es das Liebste, alle Züge wären immer ausreserviert und jeder hätte einen Sitzplatz. Aber manchmal gibt es halt trotzdem Engpässe. Speziell am Freitag und Sonntag. Wenn man in der Freizeit unterwegs und es sich aussuchen kann, sollte man diese Tage eher meiden.

Ob ich in der Freizeit nur mit dem Zug unterwegs bin? Erwischt! Ich war zwar auch schon mit dem Nachtzug in Rom und öfter in Hamburg. Und wenn ich selbst Passagier bin, ist das Zeit, in der ich abschalten kann oder mit den Kopfhörern so laut Musik hören kann, wie ich will. Es ist Zeit für mich. Aber ich lebe auf dem Land, 50 Kilometer von Linz entfernt. Das heißt, wir brauchen leider sowieso ein Auto bis zum Zug. Und wenn mir ein Fußballspiel in Salzburg anschaue, fahre ich halt gleich mit dem Auto weiter, weil ich schon drinsitze. Außerdem: Das Spiel endet oft um 23 Uhr. Dann habe ich unter Umständen keinen Zug mehr zurück.

Räder oder Sitzplätze

Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer, Rennrad und Mountainbike. Tatsächlich hat der Radsport gewaltig zugenommen, und die Eisenbahn versucht, darauf zu reagieren. Im Railjet gibt es fünf bis sechs Abstellplätze für Fahrräder, die man früh reservieren muss. Vor allem im Sommer sind sie oft restlos ausgebucht. Aber mehr ist derzeit nicht möglich, weil ja auch so viele Sitzplätze benötigt werden. Dabei gab es früher zwischen Linz und Passau bis zu zwei Radwaggons. Aktuell muss man im Fernverkehr aber Tagverbindungen und Umsteigen in Kauf nehmen. In den Nachtzügen können Räder derzeit nur auf bestimmten Strecken mitgenommen werden.

Es ist aber immerhin alles am Laufen. Eigentlich hätten wir schon viel mehr neue Garnituren haben sollen, aber durch die Probleme in der Produktion ... Man muss sich manchmal eben gedulden. Aber spulen wir die Zeit ein bisschen zurück. Die Zeit der Intercitys ist noch nicht lange her. Immer wieder gab es Störungen der Klimaanlage. Jetzt, mit dem Railjet, haut das hin, da reden wir von einer angenehmen Fahrt für 800 bis 900 Passagiere. Was das an Parkplätzen für Autos ausmachen würde, wenn die alle auf einmal in einer Stadt ankommen! Und alle zwei Stunden fährt ein Zug nach Frankfurt, München, Zürich – das ist doch gewaltig! Klar, wir brauchen noch mehr Züge, aber man vergisst leicht, was im Hintergrund dafür an Vorbereitungen nötig ist. Seit Corona haben wir auch viel mehr Geschäftsreisende. Das ist toll, denn früher ist so mancher ganz allein mit dem Privatchauffeur unterwegs gewesen, wo jetzt in einem einzigen Zug 16 Menschen in der Businessclass sitzen und 72 in der Ersten Klasse. An manchen Tagen sind wir dort komplett ausreserviert.

Ich werde noch rund viereinhalb, fünf Jahre berufstätig sein. Was ich heute trage, ist eine top Uniform. Auch das mobile Equipment, das man uns zur Erleichterung der Arbeit mitgibt, passt. Luft nach oben gibt es immer. Natürlich wäre es besser, wenn wir im Railjet mehr Leute im Team wären, dann hätten wir mehr Zeit für die Passagiere. (saum, 18.2.2024)