Eine giftige Angelegenheit: Der gemeine Stechapfel.
Jung und Jung Verlag

Zwei einander feindliche Prinzipien bewegen unser menschliches Dasein: der Sinn für das Verantwortliche und das Gefallen am Nützlichen." Mit anderen Worten: Giftmord kann gut sein und labend. Meint Helmut Eisendle.

Der 1939 in Graz geborene Autor studierte Biologie und Psychologie, arbeitete danach zwei Jahre lang als Therapeut und Pharmavertreter und war von 1972 bis zu seinem Tod 2003 rastloser Schriftsteller. Ruhelos war er auch, lebte er doch in Barcelona, Westberlin, in München und Triest, im Süden der Steiermark, in Wien, Amsterdam, ab 1993 dann in Wien. Ebenso umtriebig war seine Publikationstätigkeit. Nahezu jährlich erschien ein neues Buch, verstreut auf diverse Klein- bis Ganzkleinverlage. Als er 2011 in Konstanze Fliedls Handbuch der Kunstzitate gelistet und porträtiert wurde, da war er längst schon ein sehr gründlich vergessener Autor.

Grenz-Ignorierer

Eisendle war gern ein flanierender Grenz-Ignorierer. In seinem Essay über das Betrachten künstlicher Bilder heißt es: "Kunst ist eine Gebärde, der Name einer Wirkung. Oder Künste ist ein Diebstahl an der Wirklichkeit und damit ein eigentümlicher Erwerb eines Besitzes. Oder Kunst ist der Efeu an der Fassade des Lebens."

Efeu sucht man in Tod & Flora vergeblich. Dabei umrankt den Band eine verschlungen mäandrische – ein Adjektiv, das Eisendle gefallen hätte – Vergangenheit. 2009 erschien es erstmals in Buchform, bis dahin gab es nur ein Unikat, ein Typoskript mit eingeklebten Bildern in Privatbesitz, von Eisendle in den frühen 1970er-Jahren verfasst.

Helmut Eisendle, "Tod & Flora: Ein Glossar über die Verwendung von Giftpflanzen für den athenischen Täter". € 26,– / 176 Seiten. Jung und Jung-Verlag, Salzburg 2024.
Jung und Jung Verlag

Handbuch der Tat

Alphabetisch, von Alraun bis Zaunrübe, schreitet Eisendle steifen Schrittes und spitzer Feder die Beete des Todes qua Pflanzen ab. Es ist ein Handbuch der Tat! Selbstredend ist dies in seiner leicht gestelzten Sprache eine Parodie auf Wissenschaft und deren Jargon. Selbstredend reiht sich diese Prosa in die nachtschwarze Gift-Tradition der österreichischen Literatur ein, neben Ludwig Hirsch, Georg Kreisler, Helmut Qualtinger, H. C. Artmann. Astrid Wintersberger macht in ihrem Nachwort auf die unpolitischen Opfer, als da sind Ehegespons, Vater und Großmama, Pfarrersköchin und deutsche Touristen, aufmerksam. Heutzutage ergäbe eine Erhebung andere Opfer und Opfergruppen, die Politiker-"Klasse" etwa. Das Untertiteladjektiv "asthenisch", schwach, kraft-, machtlos, verweist darauf, dass es beileibe und beitode nicht unpolitisch ist. Es sei, so Eisendles satirische These in der Einleitung, das Glück, das den Gifttod einfordere, das Vergiften sei schlechter-, Pardon: guterdings ein Primat wohltuender humaner Nützlichkeit. Freiheit und Frustrationselimination via Toxica, schreibt der promovierte Psychologe Eisendle heimtückisch und konstruiert gar ein infam logisches Schema, das sei Lustgewinn und gebe der Welt Sicherheit. Darauf einen Wasserschierlingsbecher, Näheres auf Seite 145 ff. (Alexander Kluy, 18.2.2024)