Archäologie und Nachhaltigkeit zusammenzudenken gestaltet sich als Herausforderung. Denn durch Ausgrabungen werden die Zusammenhänge zwischen den materiellen Resten der Vergangenheit, die Grundlage archäologischer Erkenntnis sind, zerstört. Archäolog:innen beobachten und dokumentieren die einzigartigen Kontexte der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Reste sowie der Sedimente, um Ablagerungsprozesse zu rekonstruieren und Zusammenhänge richtig zu verstehen.

Archäologische Grabungen im Vorfeld von Bautätigkeiten sind meist "Rettungsgrabungen". Unter Zeitdruck versuchen Archäolog:innen durch Dokumentation und Bergung so viele Informationen wie möglich zu sichern. Auch Forschungsgrabungen haben ihre Berechtigung, sei es zur Beantwortung dringender wissenschaftlicher Fragen oder zur Verfeinerung archäologischer Methoden. Hier muss besondere Aufmerksamkeit auf nachhaltiges Arbeiten gelegt werden, um archäologische Ressourcen für spätere Generationen zu bewahren.

Archäologische Tools
Wie lässt sich die archäologische Arbeit mit Fragen der Nachhaltigkeit zusammendenken?
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Archäologische Fernerkundung und geophysikalische Prospektion, etwa durch Bodenradar oder Messen der Geomagnetik, ermöglichen die Untersuchung von gebauten Strukturen, Bohrungen können datierbares Material, alte DNA, Proteine und chemische Signaturen bergen, ohne unwiederbringliche Zusammenhänge zu zerstören. Minimalinvasive Eingriffe, vergleichbar mit Schlüssellochchirurgie, werden in Zukunft immer häufiger Einblicke in intakte archäologische Stätten zulassen.

Was bewahren?

Früher dienten Ausgrabungen oft der Gewinnung von Artefakten für Museen und Sammlungen, heute liegt der Fokus auf dem Erkenntniswert des Kontextes. Objekte ohne Zusammenhang sind wissenschaftlich beinahe wertlos, während das, was früher oft zurückgelassen wurde, heute eine bedeutende archäologische Quelle darstellt. In den Sedimenten, die Funde umgeben und beim Freilegen in der Regel weggeputzt werden, können noch wertvolle Mikroreste sowie molekularbiologische und chemische Informationen stecken.

Die Frage, was aufbewahrt und gesammelt werden sollte, stellt sich hier besonders. Vielleicht birgt gerade das, was heute unbeachtet entsorgt wird, die Antwort auf zukünftige Forschungsfragen. Die aufwendige Archivierung nach einer Ausgrabung muss daher im Sinne nachhaltiger Forschung erfolgen und eine repräsentative Auswahl aller dokumentierten und geborgenen Materialien bieten.

Skelette als endliche Ressource

Auch in der Bioarchäologie, die in erster Linie menschliche Überreste untersucht, vollzieht sich ein Umdenken im Sinne der Nachhaltigkeit. Der menschliche Körper stellt eine endliche Ressource dar, und die Erhaltung von altem Erbgut ist nicht überall im Skelett gleich gut. Durch methodische Fortschritte der aDNA Forschung in der Archäogenetik gelingt es, aus immer weniger Probenmaterial bedeutende Mengen an DNA zu gewinnen. So können etwa Geschlecht und Verwandtschaft von Bestatteten sowie deren Zugehörigkeiten zu regionalen Gruppen untersucht werden.

Doch auch wenn Proben heute minimalinvasiv durch Bohrungen an Zähnen und dem Felsenbein des Schädels entnommen werden, ist die Anzahl dieser Körperteile selbst bei gut erhaltenen Skeletten begrenzt. Neben einer Probenauswahl mit genauer Abwägung zwischen wissenschaftlichem Nutzen und Bewahrung ist die Sicherung von Information auf anderem Wege ein Thema der Nachhaltigkeit. Zwischenschritte der DNA-Gewinnung, zum Beispiel Knochenpulver oder sogenannte Bibliotheken, können für spätere Analysen gelagert werden. Ebenso wichtig ist der offene Zugang zu und der Austausch von genetischen Daten zwischen Fachleuten.

Nachhaltigkeit in der Inschriftenforschung am Beispiel Nepal

Große Teile des nepalesischen Kathmandutals sind als Unesco Weltkulturerbe anerkannt. Archäologische Funde und Inschriften zeugen von einer hoch entwickelten Kultur bereits ab mindestens dem dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Steinstelen überliefern königliche Erlässe und Verwaltungsbestimmungen.

Viele dieser Inschriften-Objekte wurden nie in ein Museum gebracht, sondern sind weiterhin im öffentlichen Raum zu finden – in der Nähe von Tempeln oder Palästen, in den für Nepal charakteristischen Becken mit steinernen Wasserspeiern (Hitis) oder bei einfachen Dorfstraßen. Sie bleiben damit Teil der Kulturlandschaft und verleihen ihrer Umgebung nicht nur eine historische Dimension, sondern tragen in manchen Fällen auch zur Konstruktion lokaler Identitäten bei, die für die heutige Nutzung des Raums von Bedeutung sind.

Verwaltungsinschriften als Gottheiten

Während wir durch die Texte und Objektstudien historische Daten zu den Inschriften erschließen, eröffnen uns Interviews mit Interessenträger:innen und Behörden wichtige Einblicke in den modernen Wirkungskontext. Viele königliche Verwaltungsurkunden auf Steinstelen wurden im Laufe der Zeit zunehmend als göttliche Kultobjekte verstanden. So werden sie häufig als Schutzgottheiten angesehen und zur Verehrung mit gewissen Substanzen wie Öl, Zinnober oder Blut von Tieropfern beschmiert.

Stele
Stele mit königlicher Verwaltungsinschrift in Sanskrit, 7. Jahrhundert, Changu Narayan Tempel, Nepal.
Nina Mirnig

Diese Verehrungspraktiken beschädigen die beschrifteten Oberflächen erheblich und werfen schwierigen Fragen zu Erhaltungsstrategien auf: Sollten die Objekte gereinigt, repariert und konserviert werden, damit der historische Wert der Artefakte erhalten bleibt? Oder sollten die veränderte Wahrnehmung und die modernen Praktiken der Verehrung im Vordergrund stehen, auch wenn damit die Inschriften verloren gehen? Was bedeutet Nachhaltigkeit für zuständige Behörden und verschiedene Gemeinschaften?

Nutzungsperspektiven alter Bewässerungssysteme

Andere Inschriften markieren Orte der Wasserverteilung. Das Kathmandutal verfügt über ein komplexes Bewässerungssystem, das seit Mitte des ersten Jahrtausends besteht und durch das Grund- und Regenwasser über Kanäle auf die Felder geleitet und auch über die alten traditionellen Wasserspender Nepals, die sogenannten Hitis, als Trinkwasser verteilt wird.

Einige dieser Wasserstätten sind noch heute wichtige Ressourcen für das tägliche Leben und Brennpunkte urbaner Gemeinschaften, die auch bei Ritualen und religiösen Prozessionen eine wichtige Rolle spielen. Diese Stätten und die damit verbundenen Praktiken sind jedoch aufgrund der raschen Verstädterung und durch größere Infrastrukturprojekte bedroht. Zugleich hat das lokale frühmittelalterliche Bewässerungssystem das Potenzial, eine nachhaltige und kostengünstige Wasserversorgung im Kathmandutal zu gewährleisten, die auch den historischen und kulturellen Kontext für zukünftige Generationen bewahrt.

Erhaltung des Kulturerbes als wünschenswertes UN-Ziel

Inschriften und archäologische Funde beeinflussen die Wahrnehmung städtischer Räume und lokaler Identitäten erheblich. Die Zusammenarbeit mit Behörden und Interessenvertretern ermöglicht die Entwicklung von Erhaltungsstrategien, die eine nachhaltige Sicherung des Kulturerbes in städtischen Gebieten gewährleisten. Diese Stätten spielen eine entscheidende Rolle bei der Identitätsbildung, fördern sozialen Zusammenhalt und stärken die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft.

Daher sollte die Bewahrung und Erforschung des Kulturerbes verstärkt in den Fokus der nächsten UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) gerückt werden. Schließlich bedrohen Globalisierung, Urbanisierung, Klimawandel und viele andere Faktoren auch das kulturelle Erbe der Menschheit. (Nina Mirnig, Katharina Rebay-Salisbury, 21.2.2024)