Bei Kerzenschein in der Wiener Canisiuskirche
Bei Kerzenschein in der Wiener Canisiuskirche
Candlelight Concerts

Mehr als tausend LED-Kerzen erleuchten das Wiener Weltmuseum am Donnerstag, dem 1. Februar 2024. Die falschen Flammen flackern in dem mehrstöckigen Marmorsaal. Drei Musikerinnen in roten Ballkleidern bahnen sich ihren Weg zwischen den Kerzen auf die Bühne, gefolgt von ihrem Kollegen im schwarzen Anzug. Das Streichquartett Classic Sound Vienna nimmt Platz und beginnt "Dancing Queen" von Abba zu spielen. Innerhalb weniger Sekunden macht sich ein begeistertes Lächeln auf den Gesichtern der Zuseherinnen und Zuseher breit.

Gerade mal ein paar Hundert Menschen von jung bis alt sitzen rund um die Bühne verteilt und lauschen den zwei Violinen, der Bratsche und dem Cello. Das Konzert ist gänzlich unverstärkt, das Setting intim und schreit nach einer Symphonie von Vivaldi, doch genau das möchte das Publikum heute nicht hören. Das Programm steht unter dem Motto "Abba meets Queen". "Wir wünschen uns, dass ihr die Musik fühlt. Ihr könnt gerne auch mitsingen, jubeln und klatschen", moderiert Bratschistin Katarzyna Karcz-Lou das nächste Stück an. Die ersten Takte von "We Will Rock You" ertönen, und schon stampfen und klatschen die 200 bis 300 Menschen im Saal begeistert mit und halten das gesamte Lied über den Takt.

Kerzenlicht weltweit

Das Konzert am 1. Februar ist nur eines der Candlelight-Reihe. Jeden Monat gibt es rund zehn Konzerttage in Wien – mit jeweils zwei Konzertslots. Die Locations sind immer ähnlich spektakulär wie das Weltmuseum: Kunsthistorisches Museum, Palais Coburg, Albertina oder Rathauskeller. Marlene Pruschak ist Project Manager für Candlelight in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie erklärt: "Die Werke großer Komponisten sind häufig nur in traditionellen Sälen für ein sehr begrenztes Publikum zugänglich. Wir möchten es möglich machen, dass an idyllischen Orten jeder diese hören kann."

Das Ziel bei der Auswahl des Programms war es anfangs, den Zugang zur klassischen Musik stärker zu öffnen. Daraus entwickelte sich dann viel mehr, wie Pruschak berichtet: "Candlelight wurde ursprünglich mit der Idee entwickelt, klassische Musikkonzerte der berühmtesten Komponisten unserer Zeit wie Vivaldi, Mozart und Chopin zu präsentieren. Mittlerweile hat sich die ständig wachsende Liste von Themen weiterentwickelt und zollt jetzt nicht nur Tribut an klassische Komponisten, sondern auch an aktuelle Künstler wie Coldplay, Ed Sheeran, Queen, Abba und viele mehr."

Konzert im Lichtermeer
Konzert im Lichtermeer.
Sandra Gloning

Internationale Konzerte

Das internationale Konzept findet man in 150 Städten weltweit – überall in möglichst spektakulären Locations wie dem Atomium in Brüssel, dem Eiffelturm in Paris oder dem Burj Al Arab Jumeirah in Dubai. In Kanada kann man sogar direkt an den Niagarafällen den Konzerten lauschen. In Österreich gibt es die Konzerte in Wien und seit Oktober 2023 auch in Graz. Für das Publikum spielen professionelle Musikerinnen und Musiker aus der jeweiligen Stadt. Das Classic Sound Vienna Streichquartett aus Wien hat nicht nur Abba und Queen im Repertoire, sondern steht die nächsten Wochen auch mit einer Hommage an Adele, Coldplay und Imagine Dragons auf der Bühne. "You name it – we play it", steht auf der Homepage der Gruppe, was auch ihren Zugang zu Pop-Musik im Streichquartett-Arrangement erklärt.

Geigerin Aleksandra Buczek sagt: "Klassische Musik ist definitiv technisch anspruchsvoller. Das Spielen von Pop-Musik erfordert eine andere Art von Geschicklichkeit und künstlerischem Ausdruck als die klassische Musik. Als klassischer Musiker lernt man in der Regel nicht zu improvisieren und hält sich strikt an die Noten. Durch das Performen von Crossover-Musik konnten wir diese Grenzen überschreiten und uns weiterentwickeln." Jedes Mitglied des Ensembles spielt in diversen Orchestern und Kammermusik-Gruppen. Erste Geigerin Magdalena Wieckowska beispielsweise substituiert regelmäßig für die Wiener Symphoniker. Ihre Kollegin Buczek ist Mitglied des Orchesters der Wiener Volksoper. Für die Profis ist das Pop-Repertoire eine willkommene Abwechslung.

Musik für alle

Die Idee des Veranstalters Fever ist, eine möglichst niedrige Zugangsschwelle zu schaffen. Das zeigt sich auch im Ticketpreis. Die günstigste Kategorie kostet zwischen 25 und 30 Euro, nach oben geht es bis 63 Euro. Für einen Abend Kultur sind die Preise überschaubar, auch wenn Klassikliebhaber bei dem Konzept durchaus die Nase rümpfen könnten. Wie groß die Nachfrage nach bestimmten Musikstücken ist, unterscheidet sich je nach Stadt – das Programm wird international festgelegt und dann an die Musikerinnen herangetragen. Marlene Pruschak weiß: "Wir entwickeln die Programme auch dank der ständigen Rückmeldungen von unserem Publikum wie auch Musikerinnen und Musikern."

Im Weltmuseum spielt das Streichquartett abwechselnd je zwei Lieder von Abba, dann von Queen. Die Lieder sind als Programm bereits bei der Buchung einsehbar – man weiß also genau, was einen erwartet. An diesem Abend sind es "SOS", "Don't Stop Me Now", "Money Money Money", "Chiquitita", "Love of My Life", "Super Trouper" oder auch "Bohemian Rhapsody". Etwas mehr als 75 Minuten dauert das Programm. Nach dem letzten Stück gibt es Standing Ovations vom Publikum, der Jubel hallt durch den Marmorsaal, als das Streichquartett die Bühne verlässt und nur die Zuseher im Kerzenlicht zurücklässt. (Sandra Gloning, 21.2.2024)