In dieser Abbildung sind symbolische Bitcoin-Münzen zu sehen.
Eine Bitcoin-Investment-Plattform lockte 2017 tausende Anlegerinnen und Anleger in die Falle. Ein neues Gutachten zeigt, dass verschwundene Gelder durchaus auffindbar gemacht werden können.
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Es waren einmal drei Musketiere. Nicht die Romanfiguren von Alexandre Dumas, sondern ein steirisches Gebrüderpaar und ein Niederösterreicher, die sich selbst diesen Spitznamen gaben. Ein bisschen eine "schwindliche" Partie, wie manche Zeitzeugen damals schon zu wissen glaubten. Damals, das war 2017, standen sie im Mittelpunkt eines Systems, das unter der Bezeichnung "Optioment" tausende Anlegerinnen und Anleger, hauptsächlich Österreicher, insgesamt um bis zu 12.000 Bitcoins erleichtert haben soll. Auch recht "schwindlich": Was damals schon mehr als 80 Millionen Euro Schaden verursacht haben soll, wäre nach heutigem Kurs der Kryptowährung mehr als eine halbe Milliarde Euro wert. Geld, das bis vor kurzem noch als komplett verschwunden galt – jetzt gibt es aber offenbar neue Spuren.

Betrug im großen Stil

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Hinter dem System Optioment steckte ein klassisches Ponzi-System. Eine Bitcoin-Investment-Plattform lockte Anlegerinnen und Anleger mit dem Versprechen an, außergewöhnlich hohe Renditen auf deren Bitcoin-Einlagen zu garantieren. Wöchentliche (!) Erträge von bis zu vier Prozent wurden in Aussicht gestellt, die anfangs auch tatsächlich ausbezahlt worden sind.

Wie für "Multi-Level-Marketing" üblich, Neudeutsch schmeichelhaft für Pyramidenspiel, konnte das System in Wahrheit aber nur durch das provisionsbasierte Anwerben neuer Mitglieder am Leben erhalten werden, die laufend frisches Kapital in das System einbrachten. So lange, bis es während des ersten großen Bitcoin-Höhenflugs im November 2017 zusammenbrach und die Auszahlungen eingestellt worden sind. Die Traum vom schnellen Geld war für tausende Anlegerinnen und Anleger geplatzt.

Drei "unschuldige" Musketiere

Federführend für Organisation und Vertrieb dieses Betrugs waren drei Österreicher. Ein Gebrüderpaar aus der Steiermark und ein Niederösterreicher leiteten Optioment und veranstalteten Großevents, teilweise mit hunderten Teilnehmern, um das System zu bewerben. Was von manchen Ex-Mitgliedern im Nachhinein als "sektenartiges" Verhalten bezeichnet wurde, ist ein klarer Fall von Social Engineering.

Sie arbeiteten geschickt mit der Fomo (Abkürzung für das englische "Fear of missing out", der "Angst, etwas zu verpassen", Anm.) der Anleger, die befürchteten, eine seltene Gelegenheit zur Geldvermehrung zu verpassen. Dass bei dem Betrug Bitcoin zum Einsatz kam, hat einen einfachen Grund. Für solche Betrügereien werden Kryptowährungen gerne herangezogen, weil man einfach binnen weniger Minuten große Geldsummen über Staatsgrenzen hinaus verschieben kann – das erschwert die Strafverfolgung enorm, doch dazu später mehr.

Obwohl die genannten Verantwortlichen behaupteten, dass die Investitionen durch einen Trading-Bot und eine angebliche Einlagensicherung in der Höhe von 35.000 Bitcoin abgesichert seien, verschwand das Geld spurlos. Die "Musketiere" distanzierten sich später davon, die Investitionen verwaltet zu haben und behaupteten, lediglich den Vertrieb übernommen zu haben. Ein Däne namens Lucas M. und ein Lette namens Alex P. sollen die eigentlichen Masterminds hinter Optioment gewesen sein.

Jahrelang wenig passiert

Was die Journalisten Nikolaus Jilch ("Die Presse") und Hans Wu (ORF) Anfang 2018 aufgedeckt und veröffentlicht haben, schlug international hohe Wellen und brachte dem Journalistenteam zu Recht Auszeichnungen für Investigativrecherche ein. Und rief die Ermittlungen österreichischer Behörden auf den Plan, die mithilfe von Interpol nach den Betrügern und den gestohlenen Geldern fahndeten. Allein: Passiert ist seither wenig. Die mutmaßlichen Täter sowie die drei Musketiere laufen frei herum, das Geld ist weg, die Opfer geprellt.

Im Gespräch des STANDARD mit einer mit dem Fall vertrauten Person heißt es, dass die Ermittlungsbehörden zunächst versucht hätten, vorhandene Daten mit einer offenbar nicht tauglichen Software in eine verwertbare Form zu bringen. Allein der Versuch, die Daten elektronisch zu sammeln und zu systematisieren, habe fast ein Jahr lang gedauert – bis es zuletzt im September 2023 geheißen habe, dass es eine neue, bessere Software dafür zur Verfügung stünde. Seitdem würde sich wieder kaum etwas tun. Dabei zeichneten sich inzwischen durchaus neue Aktivitäten ab.

Ein neues Gutachten

Manche der betrogenen Anleger scheinen in der Zwischenzeit die Geduld mit den schleppenden Ermittlungen verloren zu haben. Ein Betroffener hat sich nun an die Kryptoforensiker bei AQ Forensics gewandt. Aus relevanten Daten, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden, ließ sich herauslesen, dass Bitcoin-Überweisungen teilweise an Wallets erfolgten, die jahrelang nicht aktiv waren, aber im August 2021 plötzlich wieder Transaktionen durchgeführt wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt endeten die Transaktionen noch regelmäßig bei GOURL, einem Paymentdienstleister aus Großbritannien.

Nach dieser Zeit änderten die noch unbekannten Täter jedoch ihr Vorgehen und leiteten die Assets zu den Plattformen Kraken und Bitmex um. Da diese Kryptobörsen reguliert sind, ergäbe sich die Möglichkeit, mittels Auskunftsersuchens die Empfänger der Transaktionen zu identifizieren. Zusätzlich entdeckten die Forensiker eine Wallet, die nach wie vor über ein Guthaben in der Höhe 0,77 Bitcoin verfügt. Das mag zwar nur ein Einzelfall eines Opfers sein. Das Gutachten, das dem STANDARD vorliegt, dokumentiert aber genau, was eigentlich naheliegend sein müsste: dass Beträge auf einer Blockchain natürlich nicht einfach "weg" sein können.

Die Mühlen der Justiz

Auf Anfrage des STANDARD bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die den Fall verfolgt, stimmt man zu, dass Kryptowährungen grundsätzlich immer die Abbildung auf der Blockchain hätten. Sobald aber Mixer eingeschalten werden oder unendliches Splitting betrieben werde, erhöht sich die zu bearbeitende Datenmenge massiv und wirkt sich dementsprechend auch auf die Ermittlungsdauer aus. "Da stoßen dann auch Rechner irgendwann auf ihre Grenzen", heißt es von einer Sprecherin der WKStA.

Ob dies auch den Fall Optioment zutreffe, wolle man nicht direkt beantworten. Generell gibt sich die WKStA zur Causa erwartungsgemäß zurückhaltend, das betrifft auch Fragen zum Status quo der "drei Musketiere" und der beiden ausländischen Drahtzieher, die damals angeblich irgendwo im asiatischen Raum ansässig gewesen seien sollen – und von denen man nach wie vor nicht weiß, ob sie jemals wirklich gegeben hat.

Interessant ist auch die Diskrepanz, die zwischen der ursprünglichen Angabe der Schadenssumme und der tatsächlich gesicherten Summe vorliegt – laut WKStA sollen es derzeit "nur" vier bis fünf Millionen Euro sein. Man sei sich aber sicher, dass diese Summe im Laufe der Ermittlungen noch deutlich steigen werde.

Tatsächlich bestätigen kann die WKStA., dass sie in der Strafsache "Optioment" gegen zwölf namentlich bekannte Personen sowie gegen einen Verband ein Ermittlungsverfahren führt. Geprüft werden dabei die Vorwürfe des gewerbsmäßigen schweren Betruges, des Ketten- oder Pyramidenspiels, der Veruntreuung und der kriminellen Vereinigung. Zuletzt gab es eine Verhaftung im Jänner 2023, auf die wenig später eine Enthaftung gegen Kaution erfolgt sei.

Bitte warten

Und warum dauert alles so lange? Neben den zuvor bereits erwähnten Methoden, Geldflüsse zu verschleiern, bereite der "sehr umfangreiche Auslandsbezug" große Probleme und kann auch als wesentlicher Grund betrachtet werden, weshalb sich die Ermittlungen nun schon über Jahre hinweg in die Länge ziehen. Zwar ließen sich natürlich Auskunftsersuchen urgieren, aber bei manchen Ländern könne man "sich auf den Kopf stellen" – und dennoch gar keine oder zumindest keine schnellere Antwort erhalten, so die WKStA.

"Eure Bitcoins sind ja nicht weg", scherzte damals noch eines der Musketiere auf einem Video, das den Aufdeckern vorlag: "Die arbeiten nur, anstatt faul auf der Wallet herumzukugeln. Wenn wir schon alle arbeiten, dann sollen unsere Bitcoins auch arbeiten." Das damalige Gelächter im Saal ist längst verstummt. Jetzt gibt es aber zumindest für manche der betrogenen Anleger wieder ein wenig Hoffnung, dass die Bitcoins wirklich nicht verschwunden sind.

Geduld wird man dennoch benötigen: Denn solange die WKStA nicht mit neuen Ergebnissen aus den Auswertungen der Datenberge aufwarten kann, dazu zählt auch das aktuelle Gutachten, und dementsprechend weitere Schritte setzt, bleiben auch den Anwälten der Opfer die Hände gebunden. (Benjamin Brandtner, 18.2.2024)