Reichart in grauem Anzug mit schwarzer Krawatte.
Bernd Reichart glaubt an den Erfolg der Super League.
Boris Breuer

Vergangenen Dezember entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Uefa Klubs für die Teilnahme an Wettbewerben anderer Organisatoren nicht sanktionieren darf. Noch am selben Tag publizierte die Sportmarketingagentur A22 das neue Modell der Super League, das sich deutlich vom 2021 gescheiterten Anlauf unterscheidet.

In dem explizit als Alternative zu den Uefa-Bewerben konzipierten Format sollen 64 Teams in drei Ligen spielen: Das Königsprodukt ist die Star League mit zwei Achtergruppen samt folgender K.-o.-Runde, die darunterliegende Gold League funktioniert nach dem gleichen Format. Zwei Teams je Liga steigen ab beziehungsweise auf, in der Blue League sollen jedes Jahr 20 der 32 Plätze für Qualifikanten frei sein.

A22-CEO Bernd Reichart betont im STANDARD-Interview, dass Gespräche mit Teams, Spielern und Ligavertretern noch laufen und an dem Modell gefeilt wird. Wie die Super League in der Praxis aussehen könnte, können Sie am Dienstag auf derstandard.at/Sport lesen.

STANDARD: Wie sollen die Ligen in ihrem ersten Jahr besetzt sein?

Reichart: Da werden wir den Klubs den Vorschlag machen, sich auf einen transparenten, objektiven und ausschließlich auf Leistungsparametern beruhenden Index zu einigen. Was sind die 64 Teams, die aufgrund ihrer Leistungen national und europäisch die Riege der besten Klubs in Europa stellen? Und die würden wir dann diesen drei Ligen zuweisen, bevor wir dann im laufenden Wettbewerb den Zugang auch über die nationalen Ligen sicherstellen.

STANDARD: Ist für Sie denkbar, dass Uefa-Bewerbe und Super League parallel zueinander bestehen?

Reichart: Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Wir wollen ein so breit konsensfähiges Angebot machen, dass sich möglichst alle Mannschaften mit europäischer Ambition in unserem Modell wiederfinden, und wir wollen die Fußballfamilie nicht in zwei Lager spalten.

Das neue Format der Super League
A22 Sports Management

STANDARD: Laut den ersten Reaktionen waren die Fans dagegen, laut offiziellen Statements sind die Klubs dagegen, die Ligen auch. Wie soll das denn klappen, dass wir irgendwann Super League statt Champions League schauen?

Reichart: Indem das Konzept überzeugt. Nicht nur einzelne Klubs, sondern auch ganze Ligen arbeiten gerade an Alternativen, bemühen sich um Reformen, bemühen sich um Wettbewerbsfähigkeit und um eine solide, zukunftsfähige Finanzierung. Sie denken auch national an Streamingplattformen, um mit ihren Fans in Austausch zu kommen. Sie geben sich Mühe, digital und international zu sein. Genau in dieser Stoßrichtung sind wir eine wahnsinnig attraktive, wichtige Alternative. Und ich widerspreche Ihnen, dass Fans europaweit gegen die Superliga sind. Es gibt auch unabhängige Umfragen, die das ganz anders betrachten.

STANDARD: Haben Sie auch mit Klubs aus Österreich gesprochen?

Reichart: Ja, aber wenn jemand mit uns ein vertrauliches Gespräch führt, dann soll er sich auch darauf verlassen können, dass das so bleibt.

STANDARD: Was kommen da grundsätzlich für Signale aus Österreich?

Reichart: Man muss erst mal immer noch Überzeugungsarbeit leisten. Aber wenn man das einmal durchspielt und fragt: "Was sind eure Probleme? Was fehlt euch, um eure Talente zu halten?", dann ist zu erkennen, dass ein europäisches Ligasystem, für das man sich national qualifizieren kann, in dem man mit guter Leistung aufsteigen kann und vor jeder Saison vor garantiert 14 Spielen steht, ein Gewinn ist. Und dass das eine nachhaltigere Perspektive bietet als die unsichere Lotterie, die das jetzige System für die Klubs darstellt. Bis auf die ewigen Dauermeister in den Ligen kann kaum einer sicher mit der Qualifikation für Europa planen und entsprechend seinen Kader aufstellen.

Joselu mit Fallrückzieher gegen Napoli.
Napoli und Real Madrid sind zwei der wenigen Teams, die offen zur Super League stehen.
EPA/Kiko Huesca

STANDARD: Spanische Medien haben von 4,6 Milliarden Euro Preisgeld pro Jahr berichtet. Ist das ein Betrag, der in die richtige Richtung geht?

Reichart: Der Modus, den wir vorschlagen, wird sehr viel attraktivere Spieltage liefern, bei denen es auf höchstem Niveau um etwas geht. Die Problematik des alten wie des neuen Champions-League-Modus ist, dass es viel zu viele Spiele gibt, die auf den Ausgang des Wettbewerbs keine unmittelbare Konsequenz haben. Daher glauben wir nicht, dass die Attraktivität und globale Reichweite dieses Wettbewerbs zulegen wird. Die Erlöse, die die Uefa-Klubbewerbe in der Zukunft in Aussicht stellen, müssen wir natürlich mindestens übertreffen. Daher kommen die Zahlen, die Sie in den Medien gelesen haben. Auf jeden Fall werden wir den Klubs der European Super League in den ersten drei Jahren mindestens die Erlöse garantieren, die sie im bisherigen Wettbewerb im kommenden TV-Rechte-Zyklus erwarten würden.

STANDARD: Es würden 40 Klubs weniger als im derzeitigen Europacup spielen. In Österreichs Beispiel bekommt Salzburg jedenfalls noch mehr Einnahmen, sonst hätten nur Sturm Graz und der LASK aktuell eine Chance auf die Top 64. Würde das dann nicht zu noch mehr Polarisierung führen?

Reichart: Dann könnten sich die von Ihnen genannten Vereine auf deutlich mehr internationale Spiele verlassen. Und sie haben dann die einmalige Gelegenheit, sich ihr Ticket mit einer guten Leistung in Europa erneut zu verdienen. Natürlich ist es leichter für einen Klub, Investments zu tätigen, wenn sie das Abstiegsrisiko kalkulieren können, als wenn sie sich Jahr für Jahr immer wieder national für Europa qualifizieren müssen. Wenn drei Mannschaften aus Österreich die Möglichkeit haben, an Europa zu wachsen, dann bedeutet das, dass die nationale Meisterschaft attraktiver wird. Jedes Jahr hat der Topklub, der noch nicht in der European Super League ist, mit einem einfachen Knockout-Qualifying Zugang. Das heißt: Es könnte sein, dass Österreich jedes Jahr eine neue Mannschaft in Europa etabliert. Das ist eine große Gelegenheit für ein Land, das aufgrund der Größe seines TV-Markts immer mehr Schwierigkeiten bekommt, Talente zu halten und wettbewerbsfähig zu sein. Bevor TV und Pay-TV das Wirtschaftsgefüge im Fußball verändert haben, war der kritische Faktor: Wie groß ist meine Stadt, wie groß ist mein Einzugsgebiet, wie groß ist mein Stadion? Ob das Stadion in Wien, Budapest oder Mailand stand, war nicht entscheidend. Über die Jahre hat sich jetzt die Größe des nationalen TV-Markts als der alles entscheidende Faktor ergeben. Und Europa könnte doch einen alternativen, einheitlichen großen TV-Markt bieten. Können wir den Klubs europaweit eine einheitliche Spielwiese geben, indem Europa eine Liga austrägt mit den Vorteilen, die jede nationale Liga kennt?

STANDARD: Angenommen, es qualifizieren sich zu Beginn wirklich drei österreichische Teams und verdienen sehr gut – ich hätte die Sorge, dass die Schere in der Liga weiter aufgeht.

Reichart: Aber haben Sie das Gefühl, dass jetzt die Schere nicht aufgeht, dass der jetzige Status quo in die richtige Richtung läuft und den österreichischen Klubs die Möglichkeiten gibt, die sie brauchen? Ich habe eine andere Wahrnehmung, und ich führe andere Gespräche. Wir machen ein Angebot. Und wenn wir nicht überzeugen und Klubs und Fans sagen, das ist nicht attraktiv genug, das löst unsere Probleme nicht, dann werden wir auch keine großen Sprünge machen. Wenn Sie Klubs sagen: "Zeichne mir mal deine nächsten fünf, zehn Jahre auf", dann sind das keine hoffnungsfrohen Perspektiven, die ich da zu hören bekomme. Die Klubs in den nationalen Ligen, auch in den größeren, haben das Gefühl, dass sie abgehängt werden im Wettbewerb mit den größten Ligen in Europa, dass ihre nationale Liga immer mehr polarisiert wird und die Schere immer weiter aufgeht.

STANDARD: Soll es ein Limit für Klubs pro Land geben?

Reichart: Ich glaube, das könnte Sinn machen. Und auch dort würden wir Vorschläge erarbeiten und den Klubgremien vorstellen. Auf der einen Seite ist sportliche Leistung ein wichtiger Eckstein, den auch die Fans fordern. Gleichzeitig soll es ein vielfältiger europäischer Wettbewerb sein, in dem vor allem auch große Traditionsklubs, die den europäischen Pokal auch in der Vergangenheit gewonnen haben, aber in kleineren TV-Märkten den Anschluss zu verlieren drohen, die Chance bekommen, sich wieder stark zu machen. Von daher ist ein Länderlimit ein Konzept, das wir zur Diskussion stellen werden. Die Motivation dahinter wäre allerdings, die Dominanz einer großen Topliga zu vermeiden, nicht den Zugang für kleinere Ligen zu beschränken, wie es aktuell für Österreich der Fall ist.

STANDARD: Wenn dann zum Beispiel eine Mannschaft wie Leicester City englischer Meister wird – eingestiegen wird nur in der dritten Liga, der Blue League, oder?

Reichart: Das ist richtig. Wenn ein Klub von unten kommt, sich wahnsinnig gut entwickelt, sozusagen das Recht auf den großen Traum lebt, dann öffnet sich die Tür zu Europa für ihn über eine tolle nationale Leistung. Dort hat er dann die Möglichkeit, sich im ersten Jahr zu konsolidieren, daran zu wachsen, im zweiten Jahr aufzusteigen. Und der Weg zur Krone im europäischen Fußball steht ihm in diesem Fall offen.

Leicester-Mannschaft feiert Meistertitel.
Das Meisterschaftswunder von Leicester 2016: Trainer Claudio Ranieri und Torwart Kasper Schmeichel halten den Meisterpokal. Christian Fuchs hat in der Mitte Spaß.
Action Images via Reuters

STANDARD: Die Planbarkeit hätte man in dem vorgestellten Modell ja nur in den obersten Ligen, die Teams der Blue League bei 20 Absteigern pro Saison weniger.

Reichart: Genau. Man muss eine Balance finden aus dem, was die Klubs in ihrer nationalen Liga in einem Ligamodell schätzen: Dass in unserem Fall von 16 zwei absteigen, ist ungefähr das Mittel von dem, was man aus nationalen Ligen kennt, und dass es gleichzeitig keinen Flaschenhals gibt und der Zugang offen bleibt, sich nicht das ganze System abkapselt und die Schere größer wird. Ist der Zugang zu 20 Plätzen in der Blue League das richtige Mittel, um Stabilität und Offenheit in Balance zu bringen? Wir haben das im Austausch mit vielen Klubs so entwickelt. Es steht den Klubs frei, dort auch noch einmal Hand anzulegen. Unter den 20, die aus der Blue League absteigen werden, werden sich auch immer Mannschaften befinden, die sich im gleichen Jahr national wieder qualifizieren. Es ist in unseren Simulationen selten so, dass alle 20 komplett das System verlassen.

STANDARD: Alle Spiele sollen auf Ihrer Streamingplattform Unify gratis verfügbar sein. Haben Sie sich das durchgerechnet? Es zahlen sehr viele Menschen sehr viel Geld für Pay-TV, Pay-TV zahlt sehr viel Geld für Fernsehrechte. Glauben Sie wirklich, dass sich das nur mit Freemium und Werbeeinnahmen ausgeht?

Reichart: Ja, auf jeden Fall. Das haben wir sehr detailliert über Monate modelliert und berechnet, auch in Zusammenarbeit mit den Investoren. Genauso wie heute würden die Erlöse des Fußballs über Werbegelder und über Abos generiert, nur eben von der Liga selbst auf einer eigenen Plattform. Der Gedanke, mit einer großen Reichweite vor allem für Werbekunden attraktiv zu sein, ist kein so disruptiver, wie manchmal suggeriert wird. Gleichzeitig wissen wir, dass viele Fußballfans auch bereit sind, Geld zu zahlen, um Zugang zu Nicht-Live-Inhalten, speziellen Highlightpaketen, Watchpartys oder einer Plattform, die sie auch noch mit Klubs und mit anderen Fans verbindet, zu haben.

STANDARD: Investoren wollen ja auch ihr Geld vermehren. Inwieweit bekommen die da bei der zukünftigen Ausrichtung ein Mitspracherecht?

Reichart: Nein, der Wettbewerb wird 100 Prozent klubgeführt sein. Es werden Klubs sein, die den Wettbewerb ausrichten und managen. Die Technologieplattform, die die Perspektive hat, diesen Wettbewerb dann zu refinanzieren und weltweit die Distribution zu übernehmen, das wird sozusagen ein anderes Unternehmen sein.

STANDARD: Und dort verdienen die Investoren irgendwann Geld.

Reichart: Genau. Diese Plattform benötigt einmal die Unterstützung von Investoren, um ins Leben gerufen zu werden und die Erlöse auch zu garantieren. Die Klubs sollen nicht ins Risiko gehen, sie sollen sich darauf verlassen können, dass die Erlöse der ersten drei Jahre garantiert werden.

STANDARD: Also die Investoren gründen die Streamingplattform, und die kauft schon einmal die Rechte für drei Jahre von der Liga, die damit finanziell abgesichert ist.

Reichart: Die Klubs und die Liga werden natürlich Anteilseigner von Unify sein, der Streamingplattform.

Auf dem Plakat steht:
Der erste Anlauf der Super League im April 2021 scheiterte auch wegen massiver Fanproteste binnen weniger Tage. Im Bild ein Plakat beim damaligen Carabao-Cup-Finale zwischen Manchester City und Tottenham.
REUTERS/CARL RECINE

STANDARD: Die Klubs verwalten die Liga – wie genau soll das aussehen?

Reichart: Im Grunde gibt es ganz viele Governance-Modelle, die in unterschiedlichen nationalen Ligen erfolgreich umgesetzt sind. In der Bundesliga, in der Serie A, La Liga, Premier League – alle haben sich auch Statuten gegeben und ein Governance-Modell entwickelt, an dem man sich orientieren kann. Wenn man sich von unten in die Profiliga qualifiziert, dann erwirbt man nicht nur den Startplatz, sondern auch ein Mitspracherecht.

STANDARD: Wenn sich doch abzeichnet, dass das Freemium-Modell mittelfristig nicht ganz so attraktiv ist wie angenommen – können Sie garantieren, dass man diesen Fußball dauerhaft gratis sehen kann?

Reichart: Ja, das ist kein Promotion-Angebot, sondern ein Geschäftsmodell, das auf genau den beiden wirtschaftlichen Geschäftsmodellen basiert wie der Fußball heute auch: Werbung und Aboerlöse. Natürlich werden wir Fans auf der Plattform immer wieder ein Angebot machen, auf die Attraktivität von zusätzlichen Services im Abobereich umzuspringen. Das ist genau das, was andere große globale Technologieunternehmen auch machen. Viele starteten im Free und haben es geschafft, sich über den Mehrwert von Aboerlösen zu einem hybriden Modell zu entwickeln. Genauso wie es jetzt Abo-Unternehmen wie Netflix oder Disney Plus tun, wenn sie Werbung schalten, um den Preis ihrer Abos attraktiver zu machen. Im Grunde enden alle genau auf dem gleichen Fleck: einem hybriden Modell, das Werbung und Aboerlöse generiert und so ein direktes Endkundengeschäft betreibt. (Andreas Gstaltmeyr, Martin Schauhuber, 19.2.2024)