Herr und Frau Österreicher, wie Manfred Deix sie sah: Schiefe Zähne, gut genährt, meistens auch für ein Spaßerl zu haben.
Herr und Frau Österreicher, wie Manfred Deix sie sah: Schiefe Zähne, gut genährt, meistens auch für ein Spaßerl zu haben.
Manfred Deix/Karikaturmuseum Krems

Ibiza, Regierungschats, Pandemie und die allgemeine Weltlage – manch einer mag sich in den letzten Jahren gefragt haben, was wohl Manfred Deix dazu zu sagen gehabt hätte. Leider ist der wichtigste zeichnerische Chronist der Zweiten Republik bereits 2016 mit 67 Jahren verstorben. Eines macht die nun zu seinem 75. Geburtstag im Karikaturmuseum Krems ausgerichtete Jubiläumsausstellung aber deutlich: "Stoff", wie man so sagt, hatte Deix zeitlebens genug – seine zur Kenntlichkeit entstellten Herr und Frau Österreicher, von ihm stets stereotypisch dick aufgetragen, lieferten verlässlich Skandale und Skurrilitäten, die es wert waren, sich darum zu kümmern.

Leberkäs-Körper "Made in Austria"

Die Sonderschau I love Deix zeigt neben ausgesprochen feinen Tusche- und Bleistiftzeichnungen aus dem Frühwerk und biografischen Details wie der Verehrung für den US-Underground-Cartoonisten Robert Crumb einige Best-of-Karikaturen seiner Lieblings-Zielscheiben: die Mächtigen und Möchtegern-Mächtigen aus Politik und Kirche, prominente Zeit- und Künstlergenossen von Arnold Schwarzenegger bis Hermann Nitsch, Katzen, von denen Deix zeitweise bis zu 80 Exemplare als Hausgefährten umsorgte, und natürlich viele begnadete Leberkäs-Körper "Made in Austria". Die Schärfe und Direktheit, mit der Deix ab den 1980er-Jahren maßgeblich mithalf, Österreichs braune Vergangenheit ans Tageslicht zu befördern und zugleich der gesellschaftlichen Liberalisierung zuzuarbeiten, kann rückblickend nicht hoch genug geschätzt werden.

Künstlerkollegen wie Hermann Nitsch verschonte Deix ebenso wenig wie die Mächtigen des Landes.
Manfred Deix/Karikaturmuseum Krems

Mindestens so viel Energie wie in seine Werke selbst steckte Deix aber auch in seine Ausreden, warum eine Deadline für eine Publikation wieder nicht einzuhalten sei: Dem Ueberreuter-Verlag etwa (der auch den aktuellen Jubiläumsband herausgibt) schrieb er ein Fax, in dem er sich als Notarzt ausgab, und sich mit den Worten entschuldigte: "Schuld ist die Straßenbahn, sie fuhr den großen Künstler an".

Manfred Deix war nicht nur großer Beach-Boys-Fan, er lebte zeitweise mit bis zu 80 Katzen unter einem Dach.
Manfred Deix war nicht nur großer Beach-Boys-Fan, er lebte zeitweise mit bis zu 80 Katzen unter einem Dach.
Manfred Deix/Karikaturmuseum Krems

Deix‘ Freund und Künstlerkollege seit Studientagen, Gottfried Helnwein, erzählte zur Eröffnung der Ausstellung von dessen Radikalität auch in privaten Belangen: Von einer Fahrt der beiden nach Venedig etwa, bei der man im jugendlichen Überschwang und Vor-Bankomaten-Zeitalter aufs Geldbörserl vergessen hatte, und den Hatscher zurück nach Wien mit der Fußmaschine antrat. Helnwein, der seit Jahren seine Entfremdung von Amerika und wiederentdeckte Liebe zu Österreich bekundet, geißelte zudem einmal mehr "linken Wokeness-Terror", der Kunst wie jene von Manfred Deix heute verunmöglichen würde.

Weniger dramatisch sah das der Kabarettist Thomas Maurer, der mit Deix als Heranwachsender sein satirisches Erweckungserlebnis gehabt habe: Ihm, Maurer, mache vielmehr der ökonomische Druck auf Medien und Verlage Sorgen, der es zunehmend erschweren würde, sich Satire leisten zu können. Maurer scheute sich auch nicht, vor den Augen der versammelten ÖVP-Niederösterreich-Prominenz deren Koalition mit der FPÖ aufs Korn zu nehmen.

Protest gegen Israel-Haltung Mikl-Leitners

Und als Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schließlich selbst das Eröffnungswort ergreifen wollte, störte gar eine Protestgruppe die Veranstaltung, entrollte Plakate mit Aufschriften wie "Stop using antisemitism for your racism". Die von israelkritischen Jüdinnen und Juden gegründete Gruppe "Not In Our Name" wandte sich damit gegen die vermeintliche Eindimensionalität der ÖVP-FPÖ-Regierung im Israel-Palästina-Konflikt, die es erlaube, unter dem Deckmantel der Israel-Freundlichkeit antimuslimische Stimmung zu schüren.

Protest gegen Mikl-Leitners Haltung zum Israel-Palästina-Konflikt vor der Landesgalerie in Krems.
Protest gegen Mikl-Leitners Haltung zum Israel-Palästina-Konflikt vor der Landesgalerie in Krems.
Weiss

Ob Mikl-Leitner, die perplex wirkte und auf den Vorfall nicht weiter einging, überhaupt wusste, wie ihr geschieht, sei dahingestellt. Manfred Deix aber, der Irritation und Störgeräusche immer dort zu schätzen wusste, wo die Politmaschinerie allzu geschmiert läuft, wären dazu sicher ein paar Zeichnungen eingefallen. (Stefan Weiss, 17.2.2024)