Im Wald ist eine Leiche entdeckt worden. Iris (Sofia Helin) nimmt den Fundort in Augenschein.
Im Wald ist eine Leiche entdeckt worden. Iris (Sofia Helin) nimmt den Fundort in Augenschein.
ZDF und Carolina Romare

Ein grausamer Mord in einem Grenzgebiet, der zwei charakterlich grundverschiedene Ermittler aus zwei Ländern selbst nahe an Abgründe führt: Mit "Die Brücke" (Original: "Bron") schlugen Sofia Helin und Kim Bodnia von 2011 bis 2018 in vier Staffeln neue Seiten im Krimiserienfach auf. Die schwedisch-dänische Serie genießt inzwischen Kultstatus mit zahlreichen Nachahmern, etwa "Der Pass" mit Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek.

Ein Kult, der Sofia Helin relativ wenig bekümmert. Im Gegenteil: Ihre Rollen kann sie sich durch den Erfolg aussuchen. Zu sehen ist sie demnächst etwa in der dritten Staffel von "Alex Rider", inszeniert wieder vom Österreicher Andreas Prochaska.

Oder eben jetzt in der sechsteiligen deutsch-schwedischen Krimiserie "Iris", zu sehen ab Sonntag um 22.15 Uhr im ZDF. In der Rolle der Kommissarin Iris Broman übernimmt sie in Malmö die Cold-Case-Abteilung und muss sich gleich mit einem grausigen Fund auseinandersetzen: Im Wald wurde ein Menschenskelett gefunden. Es könnte sich um einen vor 20 Jahren verschwundenen Buben handeln.

STANDARD: Das ist Ihre zweite große Krimifigur innerhalb kürzerer Zeit. Besteht nicht die Gefahr, in dem Genre stecken zu bleiben?

Helin: Es ist meine zweite Detektivin bisher, und ich bin schon eine ganze Weile in der Branche. Das hat sich einfach so ergeben. Es gibt Schauspieler und Agentinnen, die strategisch denken, aber ich denke, wenn man das zu sehr tut, dann verliert man sich selbst und seinen kreativen Geist. Nichts für mich. Saga Norén ist als Figur nicht weg. Sie ist ein Teil von mir.

STANDARD: Wie sind Sie zu der Rolle der "Iris" gekommen?

Helin: Ich kannte die Regisseurin Linnéa Roxeheim aus einer anderen, sehr schönen Serie für SVT über junge Leute. Ich mag ihren Ton und ihre humorvolle, gleichzeitig aber auch ernsthafte Art. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, und ich fand die Figur interessant.

STANDARD: Welche Überlegungen haben Sie angestellt bei der Entwicklung der Figur? Für mich als Zuschauerin ist sie zumindest in einem wichtigen Punkt anders als Ihre stilprägende Figur Saga Norén in "Die Brücke": Sie hat Emotionen.

Helin: Stimmt, allerdings mit einer Einschränkung: Saga hatte Emotionen, sie konnte sie nur nicht mitteilen.

STANDARD: Die Zeiten sind schwierig. Hinterfragen Sie Ihre Verantwortung als Krimi-Schauspielerin, zu sagen: Es gibt so viele Grausamkeiten in der Welt, soll ich die Leute wirklich noch mehr erschrecken?

Helin: Als Schauspielerin sollte ich keine Verpflichtungen gegenüber irgendjemandem eingehen, sondern meine Rolle so gut umsetzen, wie ich kann. Wenn meine Fantasie in Gang kommt, dann muss ich nicht über Verantwortung nachdenken. Wenn man anfängt, über persönliche Verantwortung nachzudenken, hört man auf, kreativ zu sein. "Iris" ist außerdem keine gruselige Krimiserie, sondern mehr Mystery und Krimidrama.

STANDARD: In Deutschland und Österreich schauen die Leute die Serie synchronisiert. Haben Sie sich schon mit Synchronstimme gehört?

Helin: Ja, schon sehr oft, und ich habe einmal die französische Kollegin getroffen, die mich synchronisiert.

STANDARD: Wie hört sich das an? In Schweden ist Synchronisation komplett unüblich.

Helin: Absolut, wir schauen alles in der Originalsprache. "Babylon Berlin" war zum Beispiel sehr beliebt hier. Wir schauen es auf Deutsch mit Untertiteln.

DER STANDARD: Umso seltsamer muss es sein.

Helin: Natürlich würde ich meine eigene Stimme bevorzugen. Aber es ist nicht meine Entscheidung, also ist es einfach zu akzeptieren. Wenngleich ich es schade finde, weil ich glaube, den Zuschauerinnen und Zuschauern entgeht etwas. Leider glaube ich nicht, dass sich daran sehr bald etwas ändern wird.

STANDARD: Wie war der Dreh von "Iris"? Es muss sehr kalt gewesen sein.

Helin: Bei der ersten Anprobe war Winter, und ich wusste für Iris, sie würde den Frühling oder den Sommer nicht mögen, also entschied ich mich für sehr warme Kleidung. Gedreht wurde allerdings im Sommer, und das war dann irgendwie ein Problem, denn plötzlich hatte es 30 Grad und mehr. Es war meine Idee, also konnte ich mich nicht beschweren.

STANDARD: Wie oft kam der Arzt?

Helin: Glücklicherweise gar nicht, es war nur unangenehm. Man hat für mich einen Raum eingerichtet, in dem ich mich zwischen den Aufnahmen abkühlen konnte, denn ich wurde mehr als einmal fast ohnmächtig. Ein Luxusproblem, wenn man so will. Wir hatten Kühlpads, ich hatte sie auf dem Bauch, unter den Armen und im Nacken, sodass ich in der Lage war, zu spielen und zu sprechen und nicht verschwitzt auszusehen.

STANDARD: Sie scheinen eine gewichtige Stimme zu haben am Set. Ist Ihnen Ihr Mitspracherecht wichtig?

Helin: Kommt auf das Projekt an. Ich habe für "Alex Rider" mit dem österreichischen Regisseur Andreas Prochaska gearbeitet. Prochaska geht sehr präzise nach Drehbuch vor. In diesem Fall füge ich natürlich meinen eigenen Ton und meine eigene Interpretation der Rolle hinzu. Dann gibt es wieder Projekte, in denen ich mehr Teil des Prozesses sein kann. Dann mache ich Vorschläge, und wir nehmen Anpassungen vor. Ich habe dafür keine Methode. Es geht nur darum, die Figur so authentisch wie möglich zu machen.

STANDARD: Typisch für Nordic Noir ist die Zurückhaltung bei Kostüm und Ausstattung. Im Vergleich zu Produktionen anderer Länder wird darauf wenig Wert gelegt. Sind Sie damit einverstanden?

Helin: Ich glaube, es ist ein skandinavischer Stil, den man auch beim Design von Einrichtung und Mode beobachten kann. Bei "Iris" gab es tatsächlich eine Diskussion über die Frage, warum ich nicht mehr Make-up trage. Aber ich konnte mir unmöglich vorstellen, dass Iris mehr Make-up trägt. Wenn man britische Serien mit amerikanischen vergleicht, sieht man ähnliche Unterschiede. Amerikanische Serien sind stylischer. Es gibt dort definitiv mehr High Heels als in Schweden. Aber natürlich haben wir auch nicht die die Budgets, die sie da drüben haben.

STANDARD: In "Iris" gibt es eine Frau mit energetischen Fähigkeiten, die in die polizeiliche Recherche eingebunden wird. Gibt's das wirklich?

Helin: Ich war sehr überrascht, als ich davon las, und konnte es zunächst nicht glauben. Aber die Autorin Camilla Ahlgren versicherte mir, sie kenne eine Polizeistation, und das gibt es. Aber ganz ehrlich: Ich kann und will mir das nicht vorstellen. (Doris Priesching, 23.2.2024)