Geladen war Österreichs Industrieprominenz: Im Herbst 2018 sollte am Unternehmenssitz Michael Tojners am Wiener Getreidemarkt das Who's who der mit ihm befreundeten Unternehmerschaft zusammentreffen. Auf der Agenda: die "Angelegenheit B&C". Tojner hatte erneut einen Anlauf unternommen, die der Bank Austria nahestehende Industriestiftung mit Beteiligungen etwa an Amag oder Semperit zu "knacken", dieses Mal mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Rahmen eines sogenannten Österreich-Konsortiums. Tojners Ziel war es, der Bank-Austria-Mutter Unicredit die Begünstigtenrechte abzukaufen und künftig bei der B&C mitmischen zu können.

Tojner
Michael Tojner im Herbst 2021.
HARALD SCHNEIDER / APA / picture

An seiner Seite sehen wollte Tojner unter anderem KTM-Chef Stefan Pierer, das Verlegerpaar Eva und Christoph Dichand, Christoph Swarovski von der gleichnamigen Tiroler Industriellendynastie sowie das Ehepaar Cattina und Wolfgang Leitner (Andritz). Auch der Industrielle Martin Ohneberg sollte dabei sein – für Signa-Gründer René Benko sei hingegen kein Platz mehr gewesen, wie aus Chats hervorgeht. Unternehmer Georg Kapsch war die Sache schon im April 2018 zu heikel geworden: "Ich kann keine mediale Aufmerksamkeit und Schlammschlacht gebrauchen", ließ er Tojner damals wissen, auch andere stiegen aus.

PR-Konzepte und Gutachten

Ansprechen wollte Tojner bei dem Termin im Herbst 2018 in seiner Skylounge, wie man das B&C-Projekt umsetzen könnte, welche "Bedingungen wir stellen bzw. wer welche Risikopositionen/Anteile übernehmen will". Der Übernahmeversuch namens Projekt Daytona lief damals schon seit zwei Jahren, bereits 2016 hatte Tojner erste Gespräche mit Unicredit-Managern in Mailand eingefädelt. Tojner bot rund 100 Millionen Euro für die Übernahme.

Nun, 2018 also, sollte es endlich weitergehen – und zwar flott, schließlich warteten auch die Italiener auf weitere Gespräche. Tojner tingelte mit seinem Konzept durch die politische und mediale Landschaft; Anwälte und andere Juristen erarbeiteten Gutachten und "Term Sheets"; außerdem wurde ein PR-Konzept ("positive PR: Zurückholen von Leitbetrieben nach Österreich") erstellt. Etliche der potenziellen Konsortialteilnehmer waren aber unentschlossen – umso mehr, als sich Gerüchte verdichteten, dass sich die staatliche Industrieholding selbst für einen B&C-Deal interessiere.

"Großkampftage"

Für 10. bis 12. Dezember waren freilich die Italiener in Wien angekündigt, und die wollten laut Tojner bereits Nägel mit Köpfen machen, um Beschlüsse im Aufsichtsrat fassen zu können. In den Augen Tojners brauchte es eine Projektgesellschaft, mit der man den B&C-Deal umsetzen könne. Er bot seinen Mitstreitern an, Mitgesellschafter zu werden, andernfalls würde er selbst "voranschreiten" und seine "Konsorten mit Optionen absichern".

Genau an diesem Punkt gab es aber Unstimmigkeiten, weil zumindest eine Mitstreiterin auf der Bremse stand und einen formalen Beschluss herbeiführen wollte. Also gründete Tojner am 6. Dezember 2018 die "Industrie Capital Alpha GmbH" zunächst als Alleingesellschafter, rechtzeitig vor den "Großkampftagen", wie er die bevorstehenden Gespräche mit der Unicredit nannte. Die Verantwortlichen in der B&C-Stiftung selbst wehrten sich damals mit Händen und Füßen gegen Tojners Pläne, die sie als "feindliche Übernahme" werteten.

"Aufschlag für Mühewaltung"

Nur einen Monat später, also Anfang 2019, blies Tojner den Übernahmeversuch ab. In einer Mail an seine Konsortialmitglieder schilderte er, dass sich über die Feiertage "einiges getan" habe. Soll heißen: Tojner hatte selbst mit der B&C-Stiftung Kontakt aufgenommen. Die habe ihm berichtet, dass sie nun selbst vielversprechende Verhandlungen mit der Unicredit führe und ihr ein Angebot gemacht habe. Das liege mit circa 100 Millionen Euro "knapp an unserem Anbot", wie Tojner schrieb. B&C habe der Unicredit in einem ersten Vorschlag 50 Millionen Euro geboten und zudem zehn Millionen Euro pro Jahr "als verpflichtende Hausbankbeteiligung". Das Angebot der Stiftung an die Italiener sei also "nah an unseren 100 Millionen Euro (...), die wir im Rahmen der 'feindlichen Übernahme' bieten". Allesamt Details, die ihren Weg in die Öffentlichkeit bisher nicht gefunden hatten.

Zudem sei die Stiftung bereit, einige der inhaltlichen Forderungen Tojners umzusetzen – etwa mehr Transparenz, weniger Rechte für den Stiftungsvorstand und eine "endgültige Widmung" der Begünstigtenrechte für die Allgemeinheit. Eine "feindliche Übernahme" sei daher "nur dann sinnvoll", wenn die Gespräche zwischen B&C und Unicredit scheitern sollten. Als Goodie würde das Konsortium von der Stiftung vollen Kostenersatz bekommen und "einen noch zu definierenden Aufschlag für die Mühewaltung", wobei laut Tojner von fünf Millionen Euro für die Gruppe die Rede war. Bisher hätten die Gesamtkosten des Projekts rund 900.000 Euro betragen, klärte er auf.

Und auch der Weg zu einer für beide Seiten gesichtswahrenden Darstellung in der Öffentlichkeit war laut Tojner gefunden. Unicredit und B&C würden "öffentlich darstellen", dass sie Ideen des Konsortiums aufgegriffen hätten – damit könne man das Projekt, das noch dazu von Thomas Schmid und seinen Öbag-Plänen gestört werde, quasi "erhobenen Hauptes" beenden, so Tojner. Oder, wie er es in einer E-Mail an einen Geschäftspartner ausdrückte: "Mal nicht viel verdienen und was bewirkt zu haben ist auch nicht schlecht (glaubt man mir nicht)." (Renate Graber, Fabian Schmid, 20.2.2024)