Das Zivilrecht bietet Möglichkeiten, um Zahlungen eine:r (insolventen) Schuldner:in von der Empfänger:in zurückzufordern. Eine davon ist die Anfechtung von Rechtshandlungen. Ab Insolvenzeröffnung üben Insolvenzverwalter:innen das Anfechtungsrecht aus. Vor einer Insolvenz können auch Gläubiger:innen auf vergleichbare Bestimmungen der Exekutionsordnung (EO) zurückgreifen. Aufgrund der aktuellen Signa-Insolvenz soll in diesem Blog-Eintrag die Anfechtung aus insolvenzrechtlicher Sicht beleuchtet werden. Die Unterschiede zur Exekutionsordnung sind ohnehin überschaubar, etwa der Anknüpfungspunkt der Anfechtungsfristen.

Hammer auf Geldnoten, Gericht
Bei Insolvenzverfahren geht es meist um deutlich mehr als "nur" ein paar Hundert Euro. Insolvenzverwalter:innen prüfen dabei auch vergangene Transaktionen und Rechtshandlungen.
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Die in der Praxis relevantesten anfechtbaren Rechtshandlungen sind Geldzahlungen. Die Anfechtung kann auf mehrere, unterschiedliche Anfechtungsgründe gestützt werden, die in der Insolvenzordnung geregelt sind. Rechtshandlungen können bis zu zehn Jahren vor Insolvenzeröffnung rückwirkend angefochten werden. Die Anforderungen sind strenger, je länger das Rechtsgeschäft zurückliegt. Anders gesagt, gerade Rechtshandlungen kurz vor Insolvenzeröffnung sind besonders kritisch zu prüfen, weil Gläubiger aufgrund möglicher Anzeichen einer wirtschaftlichen Schieflage oft "die Schäfchen ins Trockene bringen" wollen. Diese Rechtshandlungen sind auch leichter anfechtbar.

Das Ziel ist mehr Geld für Insolvenzgläubiger

Für eine erfolgreiche Anfechtung sind unterschiedliche Voraussetzungen zu erfüllen. Gemeinsame Voraussetzung aller Anfechtungsgründe ist die Gläubigerbenachteiligung. Die Anfechtung muss also die Befriedigungsaussicht der Gläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse erhöhen. Angefochtene Zahlungen sind das Paradebeispiel für eine höhere Befriedigung, weil dadurch die Insolvenzquote steigt.

Bei etlichen Anfechtungsgründen spielt das Wissen des Empfängers eine ganz zentrale Rolle. Bei Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung können Rechtshandlungen zehn, bei fahrlässiger Unkenntnis zumindest zwei Jahre vor Insolvenzeröffnung angefochten werden. Manche Rechtshandlungen sind leichter anfechtbar als andere, so etwa solche gegenüber Ehegatten und nahen Angehörigen, Vermögensverschleuderungen und unentgeltliche Rechtsgeschäfte. Hier reicht oft fahrlässige Unkenntnis oder es kommt gar nicht auf den Kenntnisstand an.

Heikle Frist kurz vor der Insolvenz

Besonders spannend und knifflig wird es im Zeitraum ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise 60 Tage vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung. Für diesen Zeitraum gibt es einen Anfechtungsgrund, der die sogenannte "Inkongruenz" erfordert: ein umständliches Wort mit einem recht sinnvollen Hintergrund. Anfechtbar sind Rechtshandlungen, auf die der Gläubiger keinen Anspruch hatte. Anders ausgedrückt: Wenn beispielhaft eine Forderung ohne Fälligkeit bezahlt wird, hatte der Gläubiger darauf keinen Anspruch. Die Zahlung ist anfechtbar.

In der Praxis ist regelmäßig die Einräumung zusätzlicher Sicherheiten betroffen. Bei Gläubigern wird die Insolvenzmöglichkeit aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage ins Kalkül gezogen. Es werden daher Sicherheiten gefordert, die im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen waren. Werden derartige Sicherheiten innerhalb der Anfechtungsfrist eingeräumt, besteht ein Anfechtungsrisiko. Diese Regelung soll verhindern, dass neu besicherte Gläubiger anderen gegenüber in der Insolvenz bevorzugt werden, was dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung widersprechen würde.

"Zeitnahes" Einklagen erforderlich

Aus zivilrechtlicher Sicht wird es etwas schneller gehen müssen als im Ermittlungsverfahren. Schließlich muss der:die Insolvenzverwalter:in das Anfechtungsrecht binnen Jahresfrist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausüben, sprich einklagen. Eine Verlängerung ist einmalig um drei Monate möglich. Die Anfechtungsverfahren können sich zeitlich natürlich in die Länge ziehen. Aus zivilrechtlicher Sicht wird es "zeitnahe" Entscheidungen der Insolvenzverwalter:innen geben. Rechtskräftige Urteile werden aber auch hier noch in gewisser Ferne bleiben. (Bernhard Campara-Kopeinig, 23.2.2024)