Neuer Job, neues Glück.
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Wenn Oliver Glasner in der Spur bleibt, müsste er in ein paar Jahren das Nationalteam Nigerias trainieren. Eintracht Frankfurt, Crystal Palace, Nigeria – die Adler, The Eagles, The Super Eagles. Wer da kein Muster erkennt, ist ein Huhn oder glaubt an halblustige Zufälle. Bleiben wir im Hier, bleiben wir im Jetzt. Am Dienstag wurde bestätigt, was die Adler schon länger aus den Horsten gerufen hatten: Glasner (49) wird Trainer von Crystal Palace. Der Oberösterreicher lenkt nach Ralph Hasenhüttl als zweiter Österreicher die Geschicke eines Premier-League-Vereins.

Die Strahlkraft des englischen Fußballs ist unbestritten, die Premier League ist die finanzstärkste Liga der Welt, das bedeutet Aufmerksamkeit, Glanz und Glamour. Quasi jeder, der fußballerische und finanzielle Ambitionen hegt, will auf die Insel. Und doch scheint die Sonne besonders auf die Großen: Manchester City und United, Liverpool, Arsenal und Chelsea sind die Zugpferde, jedes Kind kennt sie. Dahinter formiert sich ein Mittelstand, zu dem auch Crystal Palace zählt. Der Verein aus Südlondon hat sich etabliert, spielt seit 2013 in der obersten Spielklasse. Und ist dabei vieles, nur nicht fad.

Denkwürdige Rettung

Einer, der sich mit dem Klub auskennt, ist Johnny Ertl. Crystal Palace war die erste Auslandsstation des Grazers, er wechselte 2008 zum damaligen Zweitligisten. Der Wechsel hinterließ Eindruck: "Ich bin noch immer sehr mit dem Verein verbunden. Vor allem mit den Fans", sagt Ertl dem STANDARD. Der Eindruck beruht auf Gegenseitigkeit. Denn noch heute sprechen sie im Selhurst Park vom 2. Mai 2010.

An diesem sonnigen Sonntag hieß es: Eulen gegen Adler, Sheffield Wednesday gegen Crystal Palace, alles oder nichts. Es ging um den Verbleib in der Championship, der zweithöchsten Spielklasse. Palace wurden während der Saison nach finanziellen Turbulenzen gleich zehn Punkte abgezogen, die Saison wurde zum Kampf gegen den Abstieg. Am letzten Spieltag reiste man als 21. ins geschichtsträchtige Hillsborough Stadium nach Sheffield. Mit einer Niederlage würde man absteigen. Ertsl stand in der Startaufstellung, spielte durch. Am Ende reichte das 2:2 für den Klassenerhalt, die 6000 Auswärtsfans rasteten völlig aus, der Tag ging als "Survival Sunday" in die Geschichte des Vereins ein.

The Story of Survival Sunday | Crystal Palace 2010
Crystal Palace FC

Die dunklen, finanzmaroden Zeiten sind Geschichte, Palace hat sich konsolidiert und könnte für einen wie Oliver Glasner der perfekte Einstieg in die Premier League sein. Ertl, mittlerweile Experte bei Joyn und Puls 24, ortet einen "perfect match": "Für Glasner ist es eine Riesenchance, weil er seine Ideen, seine Strukturen und seine DNA implementieren kann. Und das hat er bei seinen bisherigen Vereinen schon geschafft. Und für den Klub ist es auch eine Riesenchance für eine Neuorientierung."

Fantastische Fans

Druck ist zwar da, aktuell liegt Palace auf Platz 15, fünf Punkte vor einem Abstiegsplatz, die Lage ist aber nicht unmittelbar besorgniserregend: Burnley und Sheffield United sind abgeschlagen, neben Glasners Team sind noch Luton, Everton, Nottingham und Brentford in der Gefahrenzone. Ertl: "Mit diesem Kader muss er oben bleiben, keine Frage."

Glasner sieht Chancen.
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Das Besondere an Crystal Palace? "Der Verein ist ganz speziell, du steigst bei der Zugstation aus, gehst an ein paar Pubs vorbei, und plötzlich stehst du bei Crystal Palace. Eine besondere Atmosphäre. Die Fans sind fantastisch", sagt Ertl. "Die Riesenansprüche gibt es nicht. Ein solider Mittelfeldplatz und eine klare Spielstruktur, und sie wären zufrieden. Und was Glasner bei seinen bisherigen Vereinen erreicht hat, wäre ein Riesenerfolg." Das Fußballerlebnis im Selhurst Park hat etwas Ursprüngliches, durch und durch Britisches – obwohl die Fans um die "Holmesdale Fanatics" eine für England ungewöhnliche Ultras-Erscheinung haben.

Einigkeit

Glasners Verpflichtung zeugt von seltener Einigkeit beim Verein. Wie The Athletic rekonstruiert, war der Österreicher schon länger auf der Wunschliste von Miteigentümer John Textor, einem US-Geschäftsmann. Es kam anders, 2023 wurde nicht ohne interne Querelen wieder einmal Roy Hodgson geholt, der für ein Jahr unterschrieb und kürzlich entlassen wurde. Als unsicher galt, ob Wunschkandidat Glasner während der Saison einsteigen würde. Er wollte und überzeugte bei ersten Gesprächen.

Hodgson wurde verabschiedet.
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Der ehemalige Ried-Spieler soll auch bei Nottingham Forest im Gespräch gewesen sein. Bemerkenswert ist, dass man mit Glasner auf jemanden setzt, der noch keine Erfahrung als Trainer auf der Insel hat: Auch Steve Cooper, Kieran McKenna und Julen Lopetegui (allesamt gestandene Coaches in England) waren scheinbar im Gespräch, schlussendlich fiel die Wahl aber wohl ziemlich eindeutig auf Glasner. Sollte der frühere Ried-Spieler bei Crystal Palace Erfolg haben, stehen ihm wohl viele Türen offen. Nicht nur nach Nigeria. (Andreas Hagenauer, 21.2.2024)