Gelacht wird selten im österreichischen Wettbewerbsfilm
Gelacht wird selten im österreichischen Wettbewerbsfilm "Des Teufels Bad" mit Anja Plaschg und David Scheid.

"Todessehnsucht, nur der Tod", sang der Schweizer Barde Dagobert erst vor kurzem. Im Musikvideo zu Todessehnsucht stand Dagobert dann in Nosferatu-Montur in den Alpen, und man sah: Der Wald, die Berge, der Tod, das passt zusammen.

Auf diese Kombi setzt auch Des Teufels Bad, der österreichische Wettbewerbsbeitrag auf der diesjährigen Berlinale. Regie führte das Duo Veronika Franz und Severin Fiala, die seit ihrem gemeinsamen Durchbruch mit Ich seh Ich seh zu den gefragtesten Arthouse-Horror-Regisseuren der Alpenrepublik gehören. Arthouse bedeutet: Ihr Horror ist verkopft. Und so liest sich auch das Presseheft zu Des Teufels Bad wie eine historische Abhandlung zu einem bislang unerforschten Kapitel mitteleuropäischer Religionsgeschichte: des mittelbaren Selbstmords, das heißt der Ermordung anderer, meist Kinder, durch sogenannte Lebensmüde – meist Frauen.

Hübsch morbid

Die Exposition flaggt die Geschichte, die auf historischen Protokollen basiert, bereits aus. Eine Frau tötet ein Kind, um beichten zu können, bevor sie hingerichtet wird. Ihr Kopf ziert von da an die schöne Stelle, an der sie die Bluttat begangen hat. Die junge Bäuerin Agnes (Anja Plaschg) ist fasziniert von dem Schädel. Überhaupt ist sie vom hübschen Morbiden angezogen.

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Einmal schenkt ihr eine Frau eine Haarspange aus Knochen. Eine selten freundliche Geste im ansonsten tristen Leben der frischverheirateten Agnes. Ihr liebloser Mann Wolf (David Scheid) hat Agnes in einer dunklen Waldhütte einquartiert. Der Tag besteht aus harter Arbeit am Fischweiher, in der Nacht rührt Wolf, der Männer möglicherweise attraktiver findet, seine Frau nicht an.

Die Chance auf Kindersegen ist so gering, der Druck auf Agnes aber hoch. Die sensible Seele flieht ins exzessive Gebet, das – no na – nicht hilft. In einer Zeit, in der Depression noch mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde und in der Selbstmord die fürchterlichste Form der Gotteslästerung war, gibt es für Agnes nur einen Ausweg, um ihr Leben zu beenden.

Christentum-Horror

Des Teufels Bad, der schon im März in den hiesigen Kinos anläuft, setzt auf historische Authentizität. Die Bilder ruhen auf Plaschgs Kinogesicht und fangen das harte, dunkle Leben der Waldbauern stimmungsvoll ein. Auch die abgründige Musik hat Plaschg alias Soap & Skin komponiert.

Damit die schlechte Stimmung ausgeleitet wird: Ein Rosshaar in Agnes' Nacken.
Damit die schlechte Stimmung ausgeleitet wird: ein Rosshaar in Agnes' Nacken.

In diese faszinierende Atmosphäre funkt abgetragener Christentum-Horror: eine schmelzende Wachspuppe, ein eitriger Faden, Rattengift und Selbstgeißelung. Neu ist das nicht, und trotz mitreißend inszenierter festlicher Szenen, die den Film umkränzen, geht die verkopfte Kombination aus Historienfilm und Folkhorror nicht ganz auf.

"Sterben": Urkomisch und exzessiv

Dann gibt es auf Festivals auch die seltenen Momente, in denen man völlig überraschend vollkommen beglückt aus dem Kino geht. In Cannes 2023 war das der diese Woche in den Kinos startende Dokumentarfilm Olfas Töchter – der groteskerweise leer ausging, nun aber für einen Oscar nominiert ist. Auf der diesjährigen Berlinale ist das Matthias Glasners Sterben.

Die Prämisse des deutschen Familiendramas klingt anstrengend. Drei Stunden, von einem Regisseur, der zuletzt eher im TV unterwegs war, Lars Eidinger in der Hauptrolle. Und dann entpuppt sich der Film als fesselnde, urkomische und sich am exzessiven Erzählen erfreuende Meditation über das Sterben nahestehender Menschen und über die Gefühllosigkeit, die einen in solchen Situationen manchmal beherrscht.

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Trotz der Länge sind aus der Premiere am Sonntagabend erstaunlich wenige Menschen geflohen, im Anschluss wurden Glasner und sein großartiges Ensemble aus Corinna Harfouch, Lilith Stangenberg und Eidinger frenetisch beklatscht. Mindestens ein Darstellerpreis sollte dafür drin sein. (Valerie Dirk aus Berlin, 20.2.2024)