Die Stadt Wien will die Einfahrten vom Ring in Richtung Innenstadt massiv beschränken. Zur Überwachung braucht es nach Ansicht der Stadtregierung aber eine Kameralösung. Und diese müsste der Bund durch eine Reform der StVO ermöglichen.
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Seit Jahren kündigt die Stadt Wien eine Verkehrsberuhigung für die Innenstadt an. Sie soll mit einer erheblichen Beschränkung der erlaubten Einfahrten erreicht werden. Um diese Maßnahme kontrollieren zu können, will Wien Überwachungskameras am Ring aufstellen; diese sollen ausschließlich Kennzeichen fotografieren. Allerdings braucht es dafür eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung (StVO) – für die der Bund zuständig ist. Diese rechtliche Grundlage gibt es aber nach wie vor nicht. Einmal mehr machte die Wiener Stadtregierung die zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) als Blockiererin aus: Sie verhindere das "größte Verkehrsberuhigungsprojekt, das es in Wien jemals gegeben hätte", kritisierte Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ).

Zur Unterstützung der Forderung kamen am Mittwoch auch Vertreter anderer Städte nach Wien, die sich ebenfalls eine Kameralösung für ihre Citys wünschen. So würden sich insgesamt bereits 25 Städte für ein kamerabasiertes Zufahrtsmanagement interessieren, sagte Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds. Neben Wien fordern auch sechs weitere Landeshauptstädte eine Lösung für das Aufstellen von Überwachungskameras vom Bund: Linz, Graz, St. Pölten, Salzburg, Innsbruck und Bregenz. "Das ist ein österreichweites Thema", sagte Markus Figl (ÖVP), Vorsteher des ersten Bezirks in Wien.

Einfahrtsverbote mit Ausnahmen

Die Pläne in der Bundeshauptstadt sind am weitesten gediehen: So sollen künftig nur noch Bewohnerinnen und Bewohner, Einsatzfahrzeuge, Taxis, Lieferanten sowie Autofahrer auf dem Weg in eine Parkgarage vom Ring in die Innenstadt einbiegen können. Zur Überwachung sind Kameras an den Ein- und Ausfahrten sowie vor den Parkgaragen geplant, die fotografierten Autokennzeichen sollen automatisch in einer Datenbank abgeglichen werden. Steuert eine Autofahrerin oder ein Autofahrer nicht binnen 30 Minuten eine Garage an oder entfernt sich wieder aus dem Ersten, soll es Strafen geben. Für die Kameras braucht es aber eben eine Novelle der StVO durch die Bundesregierung.

Die Zahl der Ein- und Ausfahrten am Ring soll im Rahmen der Verkehrsberuhigung von aktuell 34 auf 26 reduziert werden. An diesen Stellen sind dann Überwachungskameras vorgesehen.
APA, DER STANDARD

Zwar existiert bereits seit Oktober 2023 ein erster Entwurf des Verkehrsministeriums, auf diesen konnten sich ÖVP und Grüne bisher aber noch nicht einigen. Gewesslers Vorschlag sah unter anderem vor, dass aus Datenschutzgründen bei Demonstrationen oder ähnlichen Großereignissen die Kameras in den betroffenen Bereichen "auszuschalten und mit einer geeigneten Abdeckung zu verhängen" sind. Dieser Punkt sorgt für heftige Kritik: Laut Sima mache das bei rund 1.800 kleinen und größeren Veranstaltungen in der Inneren Stadt pro Jahr "keinen Sinn", wie sie ausführte. Das Nein der ÖVP zum grünen Vorschlag unterstützte Sima: Unabhängig davon, ob die Kameras auch technisch per Knopfdruck verschließbar seien, würde das System damit ad absurdum geführt, meinte die rote Politikerin.

Vergangenen Freitag fand rund um die geplante StVO-Novelle ein runder Tisch im Verkehrsministerium statt. Teilgenommen haben Vertreterinnen und Vertreter aus Wien und Graz, des Innenministeriums, des Städtebunds und der Verkehrsclubs sowie Datenschützer. Es seien "gute Vorschläge gemacht" worden, wie es aus dem Ministerium zum STANDARD hieß. Man sei zuversichtlich, die koalitionsinterne Abstimmung "nun rasch voranbringen zu können. Nach einer Einigung kann der Entwurf unmittelbar in Begutachtung gehen." Die Frage, ob die verpflichtende Abdeckung von Kameras bei Demos weiterhin Teil der geplanten Novelle sein wird, wurde nicht beantwortet.

Wiens Verkehrsstadträtin Sima hält von der Ankündigung des Verkehrsministeriums wenig – und rechnet mit einer weiteren "Verzögerungstaktik" bis nach den Nationalratswahlen, wie sie es bezeichnete. Viel zu lange schon habe Gewessler bei der StVO-Reform gebremst, sagte sie. Doch selbst wenn sich Türkis und Grün im Bund auf einen Entwurf einigen: Bis zur Umsetzung einer Überwachung der Einfahrten mit Kameras dürften noch weitere Jahre vergehen.

Zwar arbeite Wien bereits an einer Ausschreibung, sagte Sima. Diese könne aber erst nach der StVO-Novelle starten. Für Ausschreibung und Vergabe sei rund ein Jahr einzuplanen, erst danach komme die notwendige Installation der Kameras an 26 Zufahrtspunkten am Ring sowie bei den Parkgaragen. Wie lange dieser Prozess dauere, könne noch nicht gesagt werden. Erst danach sollen zahlreiche frei werdende öffentliche Stellplätze in der Innenstadt auch umgestaltet werden, und zwar in Grünflächen, attraktive Aufenthaltsbereiche oder auch Radwege.

Stadt Graz für abgedeckte Kameras bei Demos

Der Linzer Vizebürgermeister Martin Hajart (ÖVP) will ebenfalls geplante Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt mit Kameras kontrollieren. Denn die Polizei könne Fahrverbote nicht lückenlos überwachen. Auch Schulstraßen können so kontrolliert werden. Im steirischen Leoben hat der dortige Bürgermeister Kurt Wallner (SPÖ) festgestellt, dass die Disziplin der Autofahrer im verkehrsberuhigten Zentrum "enorm gesunken ist". Mit Kameras könnten die Verkehrsmaßnahmen demnach besser überwacht werden. Dem schloss sich auch der St. Pöltener Vizestadtchef Harald Ludwig (SPÖ) an.

Vertreter der Stadt Graz waren am Mittwoch bei dem Termin in Wien nicht anwesend. In einer Aussendung sprach sich aber auch Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) für eine StVO-Novelle mit einer kamerabasierten Zufahrtskontrolle aus. Der aktuelle Entwurf, also mit der Abdeckung der Kameras bei Demos, wird in Graz als "positiv" und "äußerst praktikabel" beurteilt. (David Krutzler, 21.2.2024)