Im Dokumentarfilm
Im Dokumentarfilm "Holy Shit" ziert meist ein überdimensioniertes Scheißhaufen-Emoji Rubén Abruñas Fortbewegungsmittel. Mit Auto, Fahrrad oder Boot fährt der Regisseur durch 16 Städte auf vier Kontinenten.
Thurn Film

Jeder macht es jeden Tag, aber niemand spricht darüber. Scheißen ist ein Tabuthema, und das wiederum führt zu einem großen ökologischen Problem, unsere Ausscheidungen verschmutzen nämlich die Umwelt, sie machen krank – sie töten. Für seine Dokumentation Holy Shit – Mit Sch#!$e die Welt retten folgt Regisseur Rubén Abruña einer Fäkalienspur um die Welt, er will herausfinden, wo unsere Kackwürste landen und welche Auswirkungen das hat. Steckt darin vielleicht eine nützliche Ressource, die wiederverwendet werden kann?

Seine Reise führt ihn als Erstes nach Paris. Wenn das mit dem Klimawandel nämlich so weitergeht, hat Paris ziemlich gute Chancen, eine wortwörtlich beschissene Stadt zu werden. Das Abwasser fließt nämlich direkt in die Seine, zwei Millionen Kubikmeter pro Jahr. Sollte der Wasserspiegel zu sehr ansteigen, wird die Stadt der Liebe von Flüssen voller Scheiße überschwemmt. "Sacrebleu!" Auch in Chicago sieht es nicht besser aus, dort vermischen täglich fünf Millionen Menschen reines Trinkwasser mit ihren Exkrementen und spülen es hinunter.

Giftiger Klärschlamm

In den Abwasserkanälen vermischt sich das dann mit toxischen Substanzen aus der Industrie – in Kläranlagen wird versucht, diese chemisch-biologische Suppe zu reinigen. Es entsteht Klärschlamm, auch wenn der englische Name "biosolids" ansprechender klingt, lässt sich dieser aber gar nicht so gut vermarkten. Aufgrund von Schwermetallen und Schadstoffen ist er nämlich umstritten – in Österreich, beim Weinbau, sogar verboten. Abruña behandelt kein ökologisches Nischenthema. Mehr als 3,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu hygienischen Toiletten, nach Angaben von Unicef sterben täglich etwa 1000 Kinder an den Folgen von verseuchtem Wasser.

In einem Slum in Kampala, der Hauptstadt von Uganda, forscht Patrick Mavo in seinem Ghetto-Forschungslabor daran, wie man menschliche Exkremente in Kompost verwandeln kann, um damit Lebensmittel anzubauen. "Die Komposttoilette ist die Antwort auf alle Probleme", findet er. Unterstützt wird er dabei vom amerikanischen Unternehmen Give Love, das hygienische und ökologische Alternativen zu den vorherrschenden Latrinen propagiert. Mit Afrika, da ist sich Mavo sicher, geht es bergab, wenn solche Ideen der Kompostierung nicht genutzt werden. Am anderen Ende der Welt in Winchester, England, zeigt uns beim Boomtown-Festival der Unternehmer Hamish Skermer seine Komposttoiletten: "So sieht es aus, wenn 260.000 Leute vier Tage lang scheißen."

HOLY SHIT | Trailer [HD]
Ein Dokumentarfilm von Rubén Abruña
farbfilmverleih

Holy Shit lenkt den Blick auf ein wichtiges Thema. Mit Humor, ganz ohne dabei zu belehren – und vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, wie man Menschen überhaupt noch erreicht. In seinen besten Momenten erinnert man sich an Perfect Days zurück, den schönsten Film des Vorjahres. Wim Wenders hat darin in poetischen Bildern den Alltag eines Toilettenputzers in Tokio gezeigt, der eine Vorliebe für Lou Reed und Patti Smith hat – und dessen Job vor dem Hintergrund von Holy Shit extrem wichtig erscheint. (Jakob Thaller, 21.2.2024)