Milch ist politisch. Ihre Preise im Handel bringen Bauernseelen regelmäßig zum Kochen. Über die Macht der Molkereien wird ebenso heftig debattiert wie über Milchüberschüsse. Dieser Tage erhitzt ein Vorstoß aus dem Burgenland die dünnhäutige, da von vielen Krisen gebeutelte Branche: SP-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil plant eine eigene Landesmolkerei.

Das Burgenland zählt zwei Biobetriebe, die Milch an Molkereien liefern. Vor drei Jahren waren es vier.
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Die Bauernschaft vermutete erst einen Scherz, harrt nun aber neugierig der Dinge. Details stellt Doskozil im Frühling in Aussicht. Bisher verriet er: Im Mittelburgenland soll in Kooperation mit einem Landwirt eine Biomolkerei entstehen. In der landwirtschaftlichen Fachschule in Güssing ist eine Weiterverarbeitung samt Schaukäserei geplant.

Kalkuliert wird im ersten Schritt mit Milchmengen von 500.000 Kilo im Jahr. Damit will das Burgenland den Biobedarf in den landeseigenen und landesnahen Küchen abdecken.

Mehr Bio in Landesküchen

Nach Wien hat sich auch das Burgenland dem Ziel verpflichtet, ökologischer einzukaufen. Schulen und Kindergärten sollen bis Jahresende zu 100 Prozent mit Bio-Lebensmitteln versorgt werden. 80 bis 90 Prozent gelten als realistisch. Knapp 70 Prozent macht der Bioanteil derzeit in Landeskrankenhäusern aus.

Bei der Milch spießt es sich aber. Nicht zuletzt auch deswegen, weil das Burgenland kein traditionelles Gebiet für Milchwirtschaft ist.

Von 1200 Biobetrieben des Landes liefern nur zwei Milch an Molkereien. Ein Bauernhof vermarktet ausschließlich selbst, dritter Produzent ist die Fachschule in Güssing. Zwei Landwirte gaben die Biomilchproduktion seit 2020 im Zuge strengerer Vorgaben in der Weidehaltung auf. Eine eigene Milchverarbeitung liegt im Burgenland 16 Jahre zurück. Die Nöm hatte damals in Oberwart das Milchgeschäft der Molkerei Mona geschluckt. Zweitere stellt dort heute Soja- und Haferdrinks her.

Die verbliebene burgenländische Biomilch fließt zur Nöm und Berglandmilch. Beide Konzerne engagieren sich stark im Export.

Das Interesse der Milchindustrie, Bio auszubauen und kleinere Strukturen zu erhalten, sei gering, bedauert Simon Ziegler, der für die Außer-Haus-Verpflegung der Biogast verantwortlich ist. Der Großhändler bezeichnet Doskozils Vorstoß als eine Initialzündung für regionale Milchvermarktung abseits der Molkereiriesen. Es sei ein wichtiges Signal, um konventionelle Betriebe zu motivieren, auf Bio umzusteigen.

"Keine freien Milchbauern"

Gut gemeint, aber völlig realitätsfern nennt hingegen Ernst Halbmayr das Vorhaben. Als Mitbegründer der IG Milch versuchte er einst selbst, Landwirte aus der Abhängigkeit großer Verarbeiter zu führen.

"Es gibt in Österreich keine freien Milchbauern mehr", sagt Halbmayr. Alle Lieferanten seien an Molkereien gebunden. Welche Folgen es habe, Abnahmeverträge mit ihnen zu kündigen, sei über Jahrzehnte vorexerziert worden, ergänzt er und erinnert an Strafzahlungen. "Kein Betrieb wird sich das antun."

Das Milchgeschäft sei hoch konzentriert. Es gehe hierbei längst um kein Handwerk mehr, sondern um Hightech-Industrie. Hier von Null weg zu beginnen, sei angesichts des enormen Wettbewerbs und Kostendrucks nicht vorstellbar, zieht Halbmayr nüchtern Bilanz.

Mehr Direktvermarktung

Als Einzellösung für einen Bauern, der mit der Nöm verworfen sei und sich in der Direktvermarktung üben wolle, mache Doskozils Molkerei vielleicht Sinn, fügt er hinzu. Eine richtige Molkerei aber beginne bei 15 Millionen Kilo Milch im Jahr. Wer anderes vorhabe, der verstehe nicht, wie der Markt funktioniere.

Als "Hobbymolkerei des Landeshauptmanns" bezeichnet Johann Költringer, Geschäftsführer des Verbands der Milchverarbeiter, Doskozils Milchpläne. Die Abnahmemengen reichten gerade einmal für einen mittleren Milchbetrieb, maximal für zwei Bauern, rechnet er vor und verortet das Projekt unter dem Titel Politankündigung.

Gemeint sei wohl eine Hofmolkerei. Von einer Landesmolkerei jedoch könne dabei keine Rede sein. ´

Költringer stellt nicht in Abrede, dass das Vorhaben für einzelne Betriebe eine gute Sache sei – sofern das Land nicht nur den Bau wie das Personal finanziere, sondern auch den Absatz sichere. "Der Rechenstift muss dabei jedoch sekundär sein."

"Geldverschwendung"

Über wirtschaftliche Überlegungen will sich Franz Traudtner, Obmann des Bioverbands Bio Austria im Burgenland, nicht auslassen. Nur so viel: Er hielte es generell für vernünftiger, bestehende Synergien in der Milchverarbeitung zu nutzen.

Viel Wert aber sei die Gründung einer Schaukäserei, um die Ausbildung angehender Landwirte zu verbessern. Diese sollten nicht nur lernen, wie Milch verarbeitet werde, sondern auch mehr Erfahrungen in der Direktvermarktung sammeln.

Auf wenig Gegenliebe stößt Burgenlands künftige Molkerei in der politischen Opposition. Die Grünen sehen dafür keine Notwendigkeit. Die ÖVP beklagt eine "konzeptlose Einkaufstour" und kündigt eine Serie von Anfragen im Landtag wegen "roter Geldverschwendung" an. (Verena Kainrath, 21.2.2024)