Grafenwörth / St. Pölten – Grafenwörths Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP), der seine Funktion als Gemeindebund-Chef vergangenen Juli ruhend gestellt hat, ist in den vergangenen Tagen erneut unter Beschuss geraten. Ihm werden seit geraumer Zeit fragwürdige Grundstücksdeals im Zuge des Bauprojekts Sonnenweiher in seiner Heimatgemeinde vorgeworfen. Konkret geht es um rund 200 Reihenhäuser, die rund um einen Foliensee gebaut werden.

Für Kopfschütteln sorgten die mutmaßlichen Deals von Riedl auch bei der ÖVP selbst. "Die Optik ist schlecht, ja sogar sehr schlecht", reagierte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) damals. Die niederösterreichische Landesregierung betonte, dass der Landesrechnungshof eine Prüfung in der Gemeinde durchführen werde – dieser Bericht liegt nun vor, DER STANDARD berichtete. Der Landesrechnungshof bemängelte etwa fehlende Regelungen für den Umgang mit Interessenkollisionen.

Kritik äußert nun auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace und nimmt das Land Niederösterreich ebenfalls in die Pflicht. Eine aktuelle Studie in Auftrag von Greenpeace habe neue Erkenntnisse gebracht, heißt es in einer Aussendung. Man sehe "ein Versagen des Landes beim Bodenschutz" – konkret wünscht sich Greenpeace ein strengeres Raumordnungsgesetz. Für das Projekt Sonnenweiher musste die Gemeinde die örtliche Raumordnung ändern, das Land wiederum musste als Aufsichtsbehörde zustimmen. "Hier hätte das Land genauer hinschauen müssen. Die Gemeinde hat die Änderung mit einem höheren Bevölkerungswachstum begründet, das aber gar nicht vorliegt", sagte Studienleiterin und Ökobüro-Geschäftsführerin Lisa Weinberger im Ö1-"Morgenjournal".

Blick auf mehrere Reihenhäuser und den Folienteich in Grafenwörth.
Rund 200 Reihenhäuser werden im Zuge des Bauprojekts Sonnenweiher rund um einen Folienteich in Grafenwörth gebaut.
Wojciech Czaja

Die Studie zeige auf, dass ökologische Bedenken mit fadenscheinigen Argumenten vom Tisch gewischt worden seien. So sei das Areal des Bauvorhabens als "artenarm" bezeichnet worden, obwohl sich in unmittelbarer Nähe ein Europaschutzgebiet befinde. Der aus dem Grundwasser gespeiste Foliensee werde als umweltfreundlich dargestellt, "ohne Belege vorzuweisen".

Greenpeace bezieht sich dabei auf das Raumordnungsgesetz. Darin steht: "Bei der Entwicklung der Siedlungsstruktur ist der Innenentwicklung gegenüber der Außenentwicklung der Vorrang einzuräumen." Das Projekt Sonnenweiher sei aber genau das Gegenteil. Die Häuser werden außerhalb des Ortsgebietes gebaut, zudem sei keine geeignete Anbindung zum Ortskern vorhanden, lautet die Kritik von Greenpeace. Das Land Niederösterreich verweist auf die "plausiblen Unterlagen der Gemeinde", die dem Gesetz nicht widersprochen hätten, berichtet das Ö1-"Morgenjournal". Das Vorhaben musste laut Land deshalb genehmigt werden.

Riedl sieht Prüfbericht positiv

Der Bericht des Landesrechnungshofs sieht wiederum fehlende Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten und mangelnde Dokumentation im Rahmen der Prüfung der Gemeinde. Geprüft wurden sämtliche Grundstücksdeals der Gemeinde in den Jahren 2008 bis 2023. Die Vorwürfe gegen Riedl wurden nicht erhärtet, berichtete der ORF am Samstag. Privatgeschäfte der Firma des Politikers waren nicht Teil der Prüfung.

Grafenwörths Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) steht an einem Rednerpult. 
Grafenwörths Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) sieht in dem Prüfbericht des Landesrechnungshofs eine "positive Bestätigung" der Arbeit seiner Gemeinde.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Der Prüfbericht war auch Thema einer Gemeinderatssitzung in Grafenwörth am Dienstag. Trotz der Kritik des Landesrechnungshofs sah der Bürgermeister in dem Bericht eine "positive Bestätigung" für die Arbeit der Gemeinde. Private Interessenkonflikte wurden laut Riedl erneut zurückgewiesen. Die Neos Niederösterreich reagierten darauf mit Unverständnis. "Alfred Riedl ist offenbar weder in der Lage, sein Fehlverhalten zu erkennen, noch den Prüfbericht des Landesrechnungshofs korrekt wiederzugeben", betonte Landesparteichefin Indra Collini in einer Aussendung. Auch die grüne Bundespartei schaltete sich in die Angelegenheit ein. Für deren Generalsekretärin Olga Voglauer zeigt die von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie, "dass auch das Land Niederösterreich im Umgang mit unseren Böden höchst schlampig agiert". (ste, APA, 21.2.2024)