Die Frage, ob der Kindesunterhalt sich ausschließlich vom laufenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemisst oder allenfalls sein Vermögensstamm – zum Beispiel Ersparnisse und Verkaufserlöse – heranzuziehen sind, hatte der OGH in einer kürzlich ergangenen Entscheidung zu klären.

Der Kindesunterhalt ist bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zu leisten. Lebt das Kind bei nur einem Elternteil, so hat der andere Elternteil seinen Beitrag durch Geldunterhalt zu leisten. Dieser hängt neben den Bedürfnissen des Kindes und dessen Alter auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils ab.

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Was wird bei der Berechnung des Unterhalts berücksichtigt? Wie eine Entscheidung des OGH zeigt, geht es nicht nur um das Einkommen.
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Wie hoch der Geldunterhalt konkret ist, wird anhand der Prozentmethode als Anteil an der Unterhaltsbemessungsgrundlage, also dem monatlichen Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils, errechnet. Somit gebühren je nach Alter zwischen 16 bis 22 Prozent der Unterhaltsbemessungsgrundlage als Kindesunterhalt, wobei Abzüge durch weitere Unterhaltspflichten, eine Obergrenze in Form des Unterhaltsstopps ("Playboy-Grenze"), ein etwaiger niedrigerer Kindesunterhalt durch Erreichen der Belastungsgrenze sowie eine Unterhaltsminderung durch eigenes Einkommen der Kinder zu berücksichtigen sind.

Bemessung des Unterhalts

Als Unterhaltsbemessungsgrundlage wird grundsätzlich das tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern herangezogen. Damit soll gewährleistet werden, dass der in Prozentpunkten ausgedrückte Kindesunterhalt von dem tatsächlich vorhandenen Einkommen berechnet wird und damit die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechend berücksichtigt wird. Doch wer nun denkt, dass man mit einem absichtlich niedrig gehaltenen Einkommen um die Unterhaltspflicht kommt, der irrt, denn nach dem Anspannungsgrundsatz wird sodann ein fiktives, nach den Möglichkeiten und Fähigkeiten des Unterhaltspflichtigen mögliches, Einkommen zur Bemessung herangezogen.

Besteht über den Anspruch des Kindesunterhalts dem Grund oder der Höhe nach kein Einvernehmen, kann dieser jederzeit im außerstreitigen Verfahren festgesetzt oder neu bemessen werden. Zuständig ist bei Minderjährigen das Pflegschaftsgericht, bei Volljährigen ist der allgemeine Gerichtsstand heranzuziehen, wobei im Regelfall jeweils das Bezirksgericht des Wohnortes des Unterhaltsberechtigten zuständig sein wird.

Geld aus Verkauf einer Wohnung

Die Höhe des Kindesunterhalts wollten auch zwei in der Steiermark wohnhafte minderjährige Kinder, jeweils vertreten durch die Kindesmutter, gegenüber ihrem Vater geregelt wissen. Die Eltern lebten in der Zwischenzeit getrennt, wobei der Kindesvater in seine Heimat Rumänien zurückgekehrt ist. Dort bringt er umgerechnet 287 Euro ins Verdienen. Kurz vor seiner Rückkehr nach Rumänien hat der Kindesvater darüber hinaus 122.500 Euro aus dem Verkauf einer Wohnung in Österreich erwirtschaftet.

Der Kindesunterhalt wurde ursprünglich unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens von 1.100 Euro berechnet und demnach standen den Kindern 210 Euro beziehungsweise 180 Euro monatlich zu. Vor dem Hintergrund des nunmehrigen Einkommens verlangte der Kindesvater eine Herabsetzung auf 46 Euro beziehungsweise 38 Euro monatlich.

Weg durch die Gerichte

Das Erstgericht sowie das Rekursgericht wiesen den Antrag des unterhaltspflichtigen Kindesvaters ab. Begründend führten sie aus, dass auch der Vermögensstamm, sohin der aus dem Verkauf der Wohnung erzielte Erlös, zur Erfüllung der Unterhaltspflicht heranzuziehen sei. Dabei sei darauf abzustellen, wie sich ein pflichtbewusster, mit den Kindern zusammenlebender, Vater verhalten würde. Dennoch wurde der ordentliche Revisionsrekurs "wegen der Besonderheiten des Einzelfalls (geringes Einkommen des Vaters, der aber zuvor in Österreich zu einem nicht unbeträchtlichen Vermögen gekommen ist)" zugelassen.

Doch auch der Oberste Gerichtshof schloss sich der Rechtsmeinung der Vorinstanzen an und wies den Revisionsrekurs des Vaters zurück (OGH 6. 9. 2023, 3 Ob 156/23x). Zwar sei der Vermögensstamm des Unterhaltspflichtigen für gewöhnlich ohne Belang, in zwei Ausnahmefällen sei er aber dennoch zur Erfüllung der Unterhaltspflicht heranzuziehen. So wenn – erster Ausnahmefall – die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können, wobei der Durchschnittsbedarfssatz ("Regelbedarf") einen Richtwert für den "erforderlichen" Unterhalt darstellt, oder – zweiter Ausnahmefall – wenn der Unterhaltspflichtige selbst die Substanz seines Vermögens heranzieht, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken und den für die Lebensführung verwendeten Beträgen im Ergebnis jeweils (zusätzliche) Einkommensfunktion für zuordenbare Perioden zukommt.

Im konkreten Fall ging der Oberste Gerichtshof vom ersten Ausnahmefall aus und führte aus, dass es dem Kindesvater jedenfalls zumutbar ist, zumindest einen Teil des Verkaufserlöses zurückzuhalten, um hiervon seinen Unterhaltspflichten gegenüber den beiden Kindern nachzukommen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, als der Regelbedarf der beiden doppelt so hoch ist, wie der errechnete Unterhalt. Der Regelbedarf dient der Orientierung und stellt den durchschnittlichen Unterhaltsbedarf von Kindern dar.

Alle Lebenssituationen sind zu berücksichtigen

Damit hat der Oberste Gerichtshof nunmehr klargestellt, dass, obgleich – wie im vorliegenden Fall – der unterhaltspflichtige Elternteil aufgrund seines Wohnsitzes in einem Staat mit geringem Lohnniveau lediglich ein geringes Einkommen erzielen kann und sich die Belastungsgrenze demnach nicht nach den österreichischen Verhältnissen orientiert, dennoch sein Vermögen heranzuziehen ist, um höhere Unterhaltsleistungen an das in Österreich lebende Kind leisten zu können. Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen, findet sie doch einen Mittelweg hinsichtlich der Berücksichtigung der Lebenssituation des Unterhaltspflichtigen als auch der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten. (Julia Andras, Magdalena Kainz, 23.2.2024)