Nazi-Truppen in Salzburg 1938
"Der Anschluss": Deutsche Truppen ziehen unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Stadt.
Stadtarchiv Salzburg, Fotoarchiv Franz Krieger

Es war ein feierlicher Abend in den Räumen des Salzburger Stadtarchivs: Das 2008 mit der politischen Rückendeckung des damaligen Bürgermeisters Heinz Schaden (SPÖ) gestartete Geschichtsprojekt "Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus" wurde diesen Dienstag mit der Präsentation des nunmehr achten Bandes der Schriftenreihe formell abgeschlossen. Ein weltweit ziemlich einzigartiges Projekt, wie die Gründungsdirektorin des Hauses der Geschichte Österreich, Monika Sommer, in ihrer Laudatio festhielt. Die Salzburger und Salzburgerinnen hätten nun "eine fundierte Grundlage" für weitere Projekte zur Geschichtsvermittlung, für die Public History.

Das Design des zeitgeschichtlichen Forschungsvorhabens ist umfassend: Vom NS-Alltag über das Thema Widerstand und Verfolgung bis hin zu den nationalsozialistischen Kontinuitäten nach der Befreiung 1945 ist alles enthalten. Über einhundert Zeitzeugen und Zeitzeuginnen wurden interviewt, die Aufzeichnungen der Gespräche sind über 500 Stunden lang. Der zum Abschluss präsentierte Registerband mit tausenden Personen, Orten und Themen soll das Werkzeug für kommende zeitgeschichtliche Forschungsvorhaben sein. Für die breite Öffentlichkeit ist eine eigene Webseite der Stadt Salzburg zum Thema Nationalsozialismus zugänglich.

Projekt Straßennamen

Der politisch brisanteste Output der Forschungen war der Abschnitt Ehrungen von NS-Tätern und Mitläufern. Dabei ging und geht es in der Landeshauptstadt Salzburg vor allem um die zahlreichen Straßennamen. Insgesamt 46 Straßen und Plätze sind ja in Salzburg nach NSDAP-Mitgliedern benannt. Zum Vergleich: Nur 37 öffentliche Flächen sind nach Frauen benannt. Folgt man den Wissenschaftern und Wissenschafterinnen, besteht bei zumindest 13 Straßen und Plätzen akuter Handlungsbedarf – sprich Umbenennung. Darunter so prominente Fälle wie Herbert von Karajan, Josef Thorak oder auch Ferdinand Porsche.

Der über 1100 Seiten umfassende Bericht der Historiker und Historikerinnen wurde allerdings im Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt. ÖVP, FPÖ und ein Neos-Mandatar stimmten gegen die Umbenennungsvorschläge. Nach den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg am 10. März dürfte das Thema freilich bald wieder auf die Tagesordnung kommen. Der für das Stadtarchiv und damit auch für die Geschichtsforschung ressortzuständige Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) kündigte anlässlich des Registerbandes an, dass in der nächsten Gemeinderatsperiode die Umbenennung sicher wieder im Gemeinderat diskutiert werde.

Auinger hofft auf andere Mehrheitsverhältnisse. Und auch aus den Reihen der grünen Bürgerliste sind schon Pläne bekannt, in der ersten Sitzung des neukonstituierten Gemeinderates die Umbenennung mittels Dringlichkeitsantrags auf die Tagesordnung zu setzen. Vorbild für die Umbenennungen sind Graz, Linz oder auch die aktuelle Kulturhauptstadt Bad Ischl. Hier wird beispielsweise ein prominenter Platz mitten in der Stadt im Mai offiziell nach der Widerstandskämpferin Resi Pesendorfer benannt. (Thomas Neuhold, 21.2.2024)