Marko Arnautovic schreit.
Der Schrei.
IMAGO/Alberto Lingria

Mailand – Es schien ein verhexter Abend für Marko Arnautovic zu werden. Seine Einwechslung zur Pause hatte Inter Mailand Schwung gebracht, der Österreicher selbst geigte auf, kombinierte, gewann seine Zweikämpfe – aber vor dem Tor verließ ihn das Glück. Arnautovic verstümperte im Champions-League-Achtelfinalhinspiel gegen Atletico Madrid zwei kapitale Chancen, die die "Gazzetta dello Sport" pseudognädig als "nicht unmöglich" bezeichnete, um in Klammern noch ein "Euphemismus!" nachzuwerfen.

Ja, Arnautovic hätte schon vor seinem großen Auftritt gut und gerne zwei Goals auf dem Arbeitsnachweis stehen haben können. In Minute 47 vollierte er eine weite Flanke über das Goal, eine Viertelstunde später hatte er Atleticos Defensive per Doppelpass überlistet, schoss am Fünfereck aber in Rücklage drüber. "Ich dachte schon, dass es auch diesmal schlecht für mich ausgeht", sagte der 34-jährige Floridsdorfer.

Das Tor

Aber dann, die 79. Minute: Nach einem Missverständnis der Madrilenen ist Lautaro Martinez auf und davon, vergisst im entscheidenden Moment aber seine Goalgetterqualitäten und schießt Goalie Jan Oblak an. Arnautovic ist halblinks mitgejoggt, in der Superzeitlupe kann man seine Reaktionszeit messen. Die Beine geben schon Gas, da ist der Kopf noch im Entspannungszustand. Mit ein paar langen Schritten hirscht Österreichs Rekordnationalspieler dem Abpraller nach – und macht es mit seinem Abschluss noch eine Millisekunde lang spannend. Arnautovic schießt unplatziert, der zur Rettung heranfliegende Samuel Lino haut aber mit dem rechten Fuß vorbei und bugsiert den Ball mit dem linken Knie ins Tor.

73.709 Tifosi abzüglich der spanischen Gästefans reißt es den Deckel vom Topf. 78 Minuten unbelohnte Mühsal gegen Diego Simeones gar nicht mehr so stabilen Verteidigungsriegel entladen sich, doch am lautesten brüllt vielleicht Marko Arnautovic. "Es ist eines der wichtigsten Tore meiner Karriere", sagte er nach der Partie. "Ich mache gerade keine leichte Zeit durch."

Ein halbes Jahr lang ist "Nautl" nun bereits von Bologna an die Nerazzurri verliehen, und seit gefühlt einem halben Jahr nehmen ihn Fans und Presse regelmäßig ins Visier. Im September befand die "Gazzetta", er sei manchmal "gereizt" und könne "keinen einzigen Ball halten". Wegen einer Muskelverletzung verpasste Arnautovic den ganzen Oktober, danach kam er länger nicht in Schwung und fiel eher durch vergebene Chancen denn durch wichtige Tore auf.

Der Unterschied

Arnautovic musste sich hinter dem Sturm-Duo Martinez und Marcus Thuram anstellen, er war ein Edeljoker, der selten stach. Am Dienstagabend musste Thuram zur Pause angeschlagen raus. "Ich wurde geholt, um einen Unterschied zu machen, wenn ich reinkomme", sagte Arnautovic. Eine halbe Stunde lang machte er diesen Unterschied zwar nicht vor dem Tor, aber überall sonst: 100 Prozent Passquote und fünf von sechs gewonnenen Zweikämpfen sind für einen Offensivmann durchaus bemerkenswert. Aber eben: die vergebenen Chancen. "Ich habe zwei Tore verpasst, die ich hätte machen müssen", sagte Arnautovic, "aber die Fans und Mannschaftskollegen haben mich spüren lassen, dass sie hinter mir stehen. Sie haben mir Energie gegeben."

Arnautovic mit einem eingesprungenen Volley.
Seine erste gute Chance vergab Arnautovic in schwieriger Lage.
IMAGO/IPA Sport/ABACA

Also kam die 79. Minute, also fiel das Tor, also musste und durfte der "Corriere della Sera" schreiben: "Arnautovic ist Inters tödliche Waffe. Er ist ein Spieler, der nie aufgibt." Und "La Stampa" fügte hinzu: "Inters Fans haben ihm alle Fehler verziehen." Die Uefa-Auszeichnung zum "Man of the Match" war alternativlos.

Eine Diagnose bei Thuram steht noch aus; gut möglich, dass Arnautovic und sein Jokerkollege Alexis Sanchez künftig mehr vom Grün sehen. Bis zum Rückspiel gegen Atletico sind es noch drei Wochen, der Matchwinner prognostiziert: "Das wird ein sehr schwieriges Match. Atletico ist ein extrem starker Gegner." (Martin Schauhuber, 21.2.2024)