Spam, das Frühstücksfleisch, dürfte deutlich mehr Fans haben als das neue Outlook.
APA/AFP/GETTY IMAGES/SCOTT OLSON

Vielleicht ist Ihnen schon eine kleine Schaltfläche aufgefallen, die sich seit einigen Monat im Windows-Boardprogramm Mail rechts oben eingenistet hat. Mit ihr kann man zwischen der klassischen App und dem "neuen" Outlook für Windows wechseln.

Denn: Die altehrwürdige Mail-App hat ausgedient und wird mit 31. Dezember 2024 endgültig in Pension geschickt. Ebenso wie die etwas sperrige Kalender-App. Sie werden durch das neue Outlook ersetzt. Schon seit Ende des Vorjahres versucht Microsoft mit diversen Pop-ups unter Windows 11 die Nutzerschaft zum Umstieg zu bewegen.

Die KI-Supersoftware

Wäre ich neuer Software abgeneigt, hätte ich wohl meinen Beruf als Technikjournalist verfehlt. Microsoft ist darüber hinaus nicht sparsam im Umgang mit Superlativen. "Erweiterte KI" soll mir zu besseren E-Mails verhelfen und Rechtschreibschwächen ausmerzen. Gleichzeitig soll mich die Software daran erinnern, welche wichtigen Unterhaltungen mir entgangen sind. Außerdem verfügt das neue Outlook über einen besseren Phishing-Schutz und kann auch gleich meine Termine verwalten. Das alles gab es bislang tatsächlich noch nicht kostenlos. Wer diese erweiterten Feature haben wollte, musste früher für Office oder heute Microsoft 365 zahlen. Na, wenn das keine Ansage ist!

Das neue Outlook für Windows verfügt aber über noch ein Feature, das es zu keiner Erwähnung im Werbetext gebracht hat. Kein Wunder, denn da wären vermutlich selbst die aufgeschlossensten Userinnen und User abgesprungen. Das neue Outlook mit seiner Super-KI ist nämlich auch eine Spamschleuder.

Spam auf Platz eins

Nein, das heißt nicht, dass der Spamfilter noch nicht richtig funktioniert. Der verrichtet seinen Dienst, wie bei Microsoft-Software üblich, nicht perfekt, aber durchaus brauchbar. Umso erstaunter war ich, als ganz oben im Posteingang plötzlich eine ungelesene E-Mail erschien. Von einem Verlag, der mir ein Fachbuch über Wirtschaftsgeografie andrehen möchte. Diese Nachricht wird auch von der App als Werbung kenntlich gemacht, doch warum sehe ich sie überhaupt, sollte sie nicht im Spamordner verschwinden?

Interessanterweise ist auch der Löschen-Button nicht wie bei allen anderen Nachrichten üblich rechts vom Betreff, sondern plötzlich links. Das wirkt schon ein bisschen wie ein Dark Pattern, damit man versehentlich auf die Nachricht klickt. Denn in Wahrheit handelt es sich gar nicht um eine E-Mail. Es ist einfach nur ein Link, eine Nachricht gibt es nicht. Ein Mausklick öffnet sofort den Webbrowser (natürlich Edge und nicht den Systemstandard Chrome), und ich lande im Webstore des Verlags für wissenschaftliche Fachbücher.

Kein Bug, ein Feature!

Es muss sich um einen besonders eigenartigen Bug handeln, denke ich mir, im naiven Urvertrauen in das Gute an Softwarefirmen. Fünf Minuten später erscheint wieder so ein Link, der sich als E-Mail ausgibt. Diesmal ist es ein Baustoffhändler. Die Bug-Theorie verwerfe ich, aber meine Neugierde ist geweckt. Ich will wissen, welche Systematik hinter den Werbenachrichten steckt. Schließt und öffnet man das Programm mehrfach hintereinander, erscheint immer eine andere Nachricht, bis das System offenbar ein wenig ins Schwitzen kommt. Dann erscheint nämlich an der Spitze des Posteingang plötzlich der Windows-Ladekringel.

Die Spam-Gebärmaschine

Ich kann dem neuen Outlook also dabei zuschauen, wie es Spam-Nachrichten generiert. Nicht falsch verstehen, ich bin personalisierter Werbung nicht zwingend abgeneigt, so funktioniert nun mal ein großer Teil des Webs, aber Microsoft tut sich mit der aktuellen Software keinen Gefallen. Ein Mailprogramm hat unter anderem den Zweck, mich vor potenziell schädlichen Nachrichten zu schützen. Microsoft macht das Gegenteil: Es lässt die Software diese Nachrichten selbst generieren. Die Spam-Gebärmaschine am eigenen Rechner lässt mich sogar bei der unerfreulichen Niederkunft ihrer Sprösslinge zuschauen. Ein Vergnügen, auf das ich zu gerne verzichtet hätte.

Dabei steht nicht nur der Werbeaspekt der neuen Outlook-App in der Kritik. Denn die Anwendungen lässt sich ohne Internetverbindung gar nicht erst starten. Hat der heimische Router also wieder einmal Schluckauf, kann man nicht einmal auf alte Mails zugreifen. Hinzu kommen Datenschutzbedenken, denn die Spamschleuder gibt auch sensible Daten, nämlich die Passwörter der E-Mail-Konten, an Microsoft weiter, ohne darüber aufzuklären. Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rät mittlerweile dringend von der Verwendung der App ab.

Alternativen

Wie entkommt man also der Spamschleuder? Der Entwickler Burak Köse war ebenfalls genervt von Microsofts Werbe- und Datenschutzpraxis sowie den absichtlich irreführend gestalteten Menüs. Er hat deshalb einfach die altehrwürdige Windows-Mail-App 1:1 nachgebaut. Diese kann man ganz offiziell im Microsoft Store herunterladen, ganz ohne ungewollte Werbung im Posteingang. (Peter Zellinger, 24.2.2024)