Aktuell sind nicht nur wegen der kühleren Temperaturen deutlich weniger Leih-E-Scooter auf Wiens Straßen im Einsatz: Zwei der vier Anbieter haben ihren Betrieb vorläufig gestoppt.
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Das umstrittene Thema Leih-E-Scooter kommt in Wien nicht zur Ruhe. Dabei hat die Stadtregierung erst im Vorjahr ein "Ende des Chaos" versprochen und die Regeln und Strafen empfindlich verschärft. Mit Anfang Juli 2023 wurde zudem die Anzahl der Anbieter auf vier reduziert, diese erhielten Scooter-Konzessionen für drei Jahre. Doch nun zeichnet sich eine weitere Marktbereinigung ab: Nach Informationen des STANDARD haben gleich zwei der vier Anbieter ihren Betrieb in Wien vorläufig gestoppt. Die Geräte von Bird und Link können aktuell in den Apps auch nicht ausgeliehen werden. Über die Hintergründe halten sich die jeweiligen Unternehmen auf mehrfache Anfragen bedeckt. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir leider keine weiteren Informationen bereitstellen, da wir uns derzeit in Gesprächen mit der Stadt Wien befinden", heißt es von Bird. "Kein Kommentar" lautet die Stellungnahme von Link.

1.241 E-Scooter vorläufig beschlagnahmt

Auch im Ressort der zuständigen Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) gibt man sich bei diesem Thema ungewöhnlich wortkarg und will zu all dem aktuell nichts sagen. Im Hintergrund dürften aber zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen laufen, wie in der Sache Involvierte erzählen. Es gibt Hinweise, dass zumindest ein E-Scooter-Anbieter vor einem Abschied aus Wien stehen dürfte. Ob die zweite betroffene Firma nur temporär ihre E-Roller von den Wiener Straßen entfernt hat, ist hingegen noch offen. Dem Vernehmen nach sind neben erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der Unternehmen auch Verwaltungs- und Vertragsstrafen ein Thema bei den Gesprächen mit der Stadt.

Dass es gröbere Probleme in der E-Scooter-Branche in Wien gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass ein illegal betriebenes Lager inklusive Werkstatt eines E-Scooter-Anbieters von der Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt Wien geräumt wurde. Insgesamt wurden 1.241 Geräte vorläufig beschlagnahmt. Es dürfte sich um Roller des angeschlagenen Unternehmens Bird handeln, wie aus mehreren Fotos der Aktion hervorgeht. Nachfragen, ob die Geräte mittlerweile wieder im Besitz von Bird sind, werden aber weder vom Unternehmen noch von den Verantwortlichen in der Stadt Wien beantwortet. Zuletzt gab übrigens Bird Global knapp vor Weihnachten bekannt, sich in einem US-Insolvenzverfahren sanieren zu wollen. Der Betrieb in Österreich sei davon aber unberührt, hieß es damals. Bereits im Herbst 2022 gab Bird seinen kompletten Rückzug aus Deutschland sowie Schweden und Norwegen bekannt. Die zwei weiteren Betreiber Lime und Voi sind aktuell normal in Wien tätig. Lime bedauert in einer Stellungnahme, dass durch die Probleme der E-Scooter-Branche "ein negatives Image verstärkt wird, das aus unserer Sicht nicht der Realität in Wien entspricht".

36.000 Strafen wegen falsch geparkter Roller

Dabei hätte sich nach dem Wunsch der Stadt die Aufregung rund um die Leih-E-Scooter nach der Einführung strengerer Regeln und Verpflichtungen für die Betreiber legen sollen: So dürfen etwa die Geräte nicht mehr auf Gehsteigen abgestellt werden. Seit 1. Juni 2023 werden die Abstellregeln von der Wiener Parkraumüberwachung auch kontrolliert. Das Ärgernis mit falsch geparkten Rollern blieb dennoch weiterhin bestehen: So wurden von Anfang Juni 2023 bis Ende Jänner 2024 insgesamt 36.000 Strafen verhängt, wie die Mobilitätsagentur der Stadt auf STANDARD-Anfrage mitteilte – der Großteil wegen illegal abgestellter E-Scooter. Zuletzt ging die Anzahl der Strafen tendenziell zurück: Im Oktober 2023 gab es fast 7.200 Beanstandungen, im Jänner 2024 waren es knapp 3.700. Die Höhe der Strafzahlung wurde im Dezember von zunächst 25 Euro auf 50 Euro erhöht.

E-Scooter dürfen nicht auf Gehsteigen abgestellt werden. Bei falsch geparkten Rollern beträgt die Strafhöhe aktuell 50 Euro. Da E-Scooter platzsparend auch auf Autoparkplätzen abgestellt werden dürfen, gibt es aber oft Nutzungskonflikte mit Autofahrern.
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Die Strafe ergeht an die jeweils betroffene Leih-E-Roller-Firma. Diese können sich die Bußgelder dann von ihren Kundinnen und Kunden zurückholen. Sowohl Lime und Voi verweisen aber darauf, dass bei 99 Prozent der Fahrten die E-Scooter korrekt geparkt werden. Problematisch ist vor allem die Parkregelung: So können – neben eigens gekennzeichneten Scooter-Abstellflächen und Radabstellanlagen – die Roller auch platzsparend an den Rändern von Autoparkplätzen geparkt werden: Von den Parkstrafen ist aber "jede Dritte darauf zurückzuführen, dass Autofahrer regelkonform abgestellte Fahrzeuge von der Parkspur auf den Gehsteig stellen", sagte Tim Schäfer von Voi. "Autofahrer müssen lernen, dass sie kein Vorrecht auf Parkplätze besitzen." In diesen Fällen seien die Strafen dann gegenstandslos, was aber einen erheblichen Mehraufwand bedeute. Hier ist laut Schäfer auch die Stadt gefordert, auf die Scooter-Regelung hinzuweisen.

Laut Lukas Windler von Lime hat die Firma im November 2023 ein neues Parkkonzept eingeführt, bei dem die Leihe in vielen Stadtbereichen technisch nur noch an vorgegebenen Abstellflächen beendet werden kann. Seither sei die Anzahl der Strafen um mehr als 50 Prozent gesunken. Man arbeite nun mit der Stadt an weiteren festen Abstellflächen, vor allem in den Außenbezirken. (David Krutzler, 22.2.2024)