Nikki Haley bei ihrem Auftritt an der Clemson University.
Nikki Haley bei ihrem Auftritt an der Clemson University.
AFP/JULIA NIKHINSON

Nikki Haley steht auf einer Bühne mit zwölf amerikanischen Flaggen und spricht vom König. "Nein, ich werde nicht seinen Ring küssen. Ich habe keine Angst vor seiner Rache. Und ich erwarte nichts von ihm."

Gemeint ist Donald Trump, den sie als einen Monarchen alter Prägung skizziert, als einen Herrschsüchtigen mit absolutem Machtanspruch. In Amerika, sagt Haley, werde nun mal kein König gekrönt. In Amerika werde gewählt, und zwar so lange, bis jeder, der es wolle, seine Stimme abgegeben habe, statt nur Statist einer Krönungszeremonie zu sein.

Um den demokratischen Wettlauf nicht schon kurz nach dem Start abzubrechen, bleibe sie im Rennen, bis zur Ziellinie. Nikki Haley, die Marathonläuferin im Trikot der Demokratie – so ließe sich ihr Skript kurz zusammenfassen.

Haley will durchhalten

Falls sie meint, was sie sagt, falls die Spender, die ihren Wahlkampf finanzieren, nicht schon vorher den Geldhahn zudrehen, bedeutet es, dass sie noch im Juni für ihre Kandidatur wirbt. Dann, wenn die letzten Bundesstaaten an der Reihe sind, wenn auch dort bei Vorwahlen gefragt wird, wen die Republikaner im Herbst ins Duell ums Weiße Haus schicken sollen.

Aus heutiger Sicht ist es ein Kampf, den sie nicht gewinnen kann, nahezu aussichtslos. Fast so aussichtslos wie ihr Versuch, die anstehende Vorwahl in South Carolina für sich zu entscheiden. In einem Staat, in dem sie theoretisch ein Heimspiel haben müsste.

Die Euphorie bei Nikki Haleys Rede ist überschaubar.
Die Euphorie bei Nikki Haleys Rede ist überschaubar.
AFP/JULIA NIKHINSON

In South Carolina ist sie aufgewachsen, in einer Kleinstadt namens Bamberg, die Tochter indischer Einwanderer, "das einzige Kind mit brauner Haut zwischen weißen und schwarzen", wie sie es selber beschreibt. Sechs Jahre lang hat sie South Carolina als Gouverneurin regiert, einen Staat, dessen konservative Parteibasis in ihrer Mehrheit gleichwohl fest zu Trump zu stehen scheint. Meinungsforscher sehen den Ex-Präsidenten am Samstag mit 25 Prozentpunkten Vorsprung vor seiner Rivalin durchs Ziel gehen.

Scharf auf die Vizepräsidentschaft?

Und es gibt Kommentatoren, die vermuten, dass Haley nur deshalb nicht aufgibt, weil sie das Scheinwerferlicht braucht. Damit Trump sie nicht ignorieren kann. Damit er sie in sein Team holt, wenn die Würfel erst gefallen sind bei den Republikanern, so wie 2016, als er sie zur UN-Botschafterin machte, immerhin ein Posten mit Kabinettsrang. Nur diesmal eben vielleicht als Running Mate, als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.

Hatte man lange den Eindruck, als gehe es Haley tatsächlich nur darum, sich mit allenfalls milder Kritik an Trump für den nächsten Karrieresprung zu empfehlen, so schlägt sie inzwischen andere Töne an. Auch an diesem Abend an der Clemson University, einer Uni, an der sie einst selbst studierte. Die Kulisse: malerisch, wenn man so will, heile Welt. Hinter der Bühne die sanft gewellten Hügel eines Golfplatzes, dahinter ein See, ringsum gediegene Architektur. Und Haley reitet Attacken.

Biden und Trump zu alt?

"Glaubt ihr nicht, dass es an der Zeit ist, Politiker über 75 auf ihre geistige Fitness zu überprüfen?", fragt sie. Bei Joe Biden sei der Verfall ja offensichtlich, aber könne man Donald Trump, einem 77-Jährigen, wirklich bis Jänner 2029 das wichtigste Staatsamt der Welt anvertrauen? "Siebzig Prozent der Amerikaner sagen, dass sie eine Neuauflage des Zweikampfs Biden gegen Trump nicht wollen. Die Mehrheit der Amerikaner mag nicht nur Joe Biden nicht. Die Mehrheit der Amerikaner mag auch Donald Trump nicht." Ob es nicht höchste Zeit sei für einen Generationenwechsel? Übrigens, scherzt sie, das mit der Vizepräsidentin an der Seite Trumps, das Gerücht, das nie verschwinden wollte – das habe sich jetzt wohl erledigt.

Haley spricht von der Staatsschuldenlawine, die dringend gestoppt werden müsse und zu der auch Trump, mit acht Billionen Dollar neuen Schulden in vier Amtsjahren, seinen Teil beigetragen habe. Sie spricht von Steuersenkungen für die Mittelschicht, von Sozialausgaben, die unter Biden aus dem Ruder gelaufen seien. Von Sparen und Effizienz. Und von Amerikas Allianzen in der Welt, an denen man auf keinen Fall rütteln dürfe.

Trump-Anhänger und -Anhängerinnen wie diese hier sind auch in South Carolina in der Mehrheit.
Trump-Anhänger und -Anhängerinnen wie diese hier sind auch in South Carolina in der Mehrheit.
REUTERS/ALYSSA POINTER

Vieles erinnert an die Programmskizze, mit der Mitt Romney 2012 Präsidentschaftskandidat der Republikaner wurde. Doch Romney ist heute ein Außenseiter in einer Partei, deren Basis zu großen Teilen bereit scheint, Trump durch dick und dünn zu folgen, auch wenn es dem widerspricht, was die "Grand Old Party" lange für richtig hielt. Selbst an der Clemson University, bei Haleys Heimspiel, ist das zu spüren.

Kaum Begeisterung

Etwa dreihundert Zuschauer haben sich vor der Bühne mit den zwölf Sternenbannern versammelt, die meisten Sympathisanten – Senioren, auch etliche Studenten. Nur will der Funke nicht recht überspringen. Es gibt höflichen Applaus, hier und da Anfeuerungsrufe, aber Begeisterung sähe anders aus.

Als Haley den chaotischen Abzug aus Afghanistan kritisiert, wo ihr Mann Michael vor Jahren stationiert war, erntet sie vielsagendes Schweigen: Offenbar ist es auch ihren Sympathisanten ganz recht, dass keine US-Soldaten mehr am Hindukusch im Einsatz sind. Es folgt eine Art Abrechnung mit Trump, weil der die Nato-Verbündeten wissen lasse, dass Amerika sie womöglich nicht verteidigen werde, wenn sie für den Schutz nicht angemessen bezahlt hätten.

Die Nato, so Haley, sei eine Erfolgsstory, nun schon seit 75 Jahren. "Sollen wir unsere Verbündeten auffordern, angemessen Lasten zu tragen? Unbedingt!" Trump aber habe Wladimir Putin regelrecht ermuntert, Nato-Länder anzugreifen. "Dieselben Nato-Länder, die nach 9/11 fest an unserer Seite standen. Unsere Freunde, die uns am 11. September 2001 gesagt haben: Was immer ihr braucht, wir helfen euch. Leute, denkt mal darüber nach."

David gegen Goliath

Sätze, auf die das Publikum praktisch gar nicht reagiert. Man kann nicht sagen, dass sich South Carolina brennend interessiert für das Thema. Was an diesem Abend auf dem Clemson-Campus interessiert, ist amerikanische Innenpolitik. Und vor allem das Duell David gegen Goliath, Haley gegen Trump. Das Sich-Aufbäumen einer Politikerin, die zur Attacke bläst, statt klein beizugeben.

Auf einem Parkplatz steht Haleys Kampagnenbus, versehen mit einem sehr beliebigen Slogan ("A better America"). In dem Bus fährt sie kreuz und quer durch ihren Heimatstaat, mindestens drei Auftritte pro Tag. Ihre Tour hat sie unter das Motto "The Beast of the Southeast" gestellt. Das Biest des Südostens: Es soll wohl nach asiatischem Tiger klingen, nach einem kräftigen Sprung nach vorn, nach Wirtschaftswunder.

Es spielt an auf den Aufschwung, den South Carolina erlebt. In dem einstigen Agrarstaat hat sich einiges an Industrie angesiedelt, Flugzeugbau von Boeing, Autofabriken von BMW und Mercedes, um nur drei Beispiele zu nennen. Welchen Anteil die Gouverneurin Haley auch immer an dem Boom gehabt haben mag, sie verkauft ihn als Beleg für ihre Managerqualitäten. "Keine Dramen, keine Rachefeldzüge, einfach nur Resultate", wirbt sie für sich.

Lieber Haley als Trump

Bei David Beasley, Ingenieur, Anfang fünfzig wie sie, kommt das an. Zweimal in Folge hat er Trump gewählt, 2016 und 2020, und würde es im November 2024 wohl ein drittes Mal tun, aber lieber wäre ihm, zöge Haley für die Republikaner ins herbstliche Finale. Trumps unbeschreiblich großes Ego, die Wutanfälle, die hemmungslose Art, wie er über Konkurrenten herziehe, das gehe ihm manchmal schon auf die Nerven, sagt der bedächtig wirkende Mann. Dazu all die Gerichtsprozesse, die Trump führen müsse, Prozesse mit unvorhersehbarem Ausgang. Er sehne sich nach etwas mehr Ruhe, nach Berechenbarkeit.

Bevor Nikki Haley die Bühne verlässt, wird sie mit einem Schlachtruf der Clemson Tigers verabschiedet, der Football-Mannschaft der Universität. Er endet mit einer dreifach wiederholten Aufforderung: "Fight, fight, fight!" (Frank Herrmann aus Clemson, 23.2.2024)