Ein würfelförmiges Haus mit Holzfasade.
Ein Holzhaus in Hamburg. Die Bedeutung von Holz als Methode, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, sollte nicht überschätzt werden, warnt eine neue Studie.
IMAGO/Joerg Boethling

Der Holzbau wird aktuell oft genannt, wenn es um Kohlenstoffspeicher geht, die klimaschädliches CO2 der Atmosphäre entziehen. Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber etwa sieht in Holz eine wichtige Möglichkeit, in der Bauwirtschaft CO2 zu binden statt bei der Produktion freizusetzen. Die Bauwirtschaft ist aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes bei der Zementproduktion ein relevanter Faktor für den Klimawandel. Holz könnte eine Lösung sein, doch viel Hoffnung auf einen größeren Beitrag zur Klimawende durch das Entziehen von CO2 sollte man sich nicht machen, berichtete ein Forschungsteam des Instituts für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien kürzlich in einer Studie.

Dazu berechneten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Erstautorin Lisa Kaufmann den gesellschaftlichen Kohlenstoffbestand, also die gesamte Menge des in Materialbeständen wie Gebäuden und Infrastrukturen enthaltenen Kohlenstoffs, für den Zeitraum von 1900 bis 2015. Neun Weltregionen und insgesamt acht kohlenstoffhaltige Komponenten wie Holzprodukte oder Plastik wurden unter die Lupe genommen.

Wenig "aktiver" Kohlenstoff

Laut der in der Fachzeitschrift "Environmental Research Letters" veröffentlichten Studie wuchs der globale gesellschaftliche Kohlenstoffbestand von 2,5 Gigatonnen im Jahre 1900 um das 16-Fache auf 42 Gigatonnen im Jahr 2015. Im Jahr 1900 steckte den Angaben zufolge weniger als ein Viertel des Kohlenstoffs in Verbindungen, bei denen der Kohlenstoff auch über lange Zeiträume gespeichert bleibt – zum Beispiel in Schotter aus Kalkstein. Im Jahr 2015 betrug der Anteil dieser Verbindungen, die für die Klimapolitik nicht unmittelbar relevant sind, bereits fast zwei Drittel.

Aktiver Kohlenstoff etwa aus Biomasse und fossilen Rohstoffen hingegen kann potenziell klimarelevant sein und legte im selben Zeitraum nur um das Achtfache von 1,9 auf 16,8 Gigatonnen zu. "Der Anteil des aktiven, klimarelevanten Kohlenstoffs im Bestand sank also deutlich. Grund dafür ist die veränderte Zusammensetzung der Baubestände", sagte Kaufmann der APA. So wurde über die Jahre mehr mit Beton und Asphalt, in denen weniger Kohlenstoff, dafür aber langfristiger gebunden ist, als mit Holz gebaut.

Die in 115 Jahren gespeicherte Menge an aktivem Kohlenstoff entspreche dabei lediglich vier Prozent der Kohlenstoffmenge, die für die Einhaltung des Paris-Ziels (Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad) bis zum Jahr 2100 der Atmosphäre entnommen werden müsste, relativiert die Forscherin. Und auch der jährliche Zuwachs der Kohlenstoffbestände um netto 0,49 Gigatonnen stehe der Freisetzung von 9,9 Gigatonnen aus fossilen Brennstoffen und industriellen Prozessen gegenüber. Gebäude und Infrastruktur als Speicher für kurzfristig für die Atmosphäre relevanten Kohlenstoff würden daher eher vernachlässigbar scheinen, wenn gleichzeitig die 20-fache Menge aus Fossilenergie freigesetzt wird.

Einspeichern wird überschätzt

"Wir können nicht in die Zukunft schauen, aber in den vergangenen 115 Jahren wurde relativ wenig Kohlenstoff in Materialbeständen gespeichert im Vergleich zu dem, was zur Stabilisierung des Klimas gemacht werden muss. Mit Holz zu bauen und hier viel einzuspeichern wird daher wahrscheinlich mehr Bedeutung zugesprochen, als es hat", sagte Kaufmann. Viel wichtiger sei aktuell, die CO2-Emissionen sofort zu beenden. Gleichzeitig werde Kohlenstoff auch im Wald gespeichert, was auch der Biodiversität diene. "Holznutzung hat Vorteile gegenüber anderen Materialien, und Bauen ist noch immer besser als Verbrennen. Aber wir sollten diese Speichermöglichkeiten nicht überschätzen", so die Sozialökologin.

Auch wenn Holz als Baumaterial bisher der Atmosphäre vergleichsweise wenig CO2 entzog, bleibt seine Bedeutung als Ersatz für Beton hoch. "Die Zementproduktion ist, was kaum jemand weiß, für rund acht Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich", erinnerte Schellnhuber im STANDARD-Interview. "Das ist dreimal so viel wie der ganze Flugverkehr." (red, APA, 22.2.2024)