Der Zeitpunkt für eine neue Dokumentation über Lionel Messi könnte kaum besser sein. Der Ärger und das PR-Desaster bei seiner Asien-Reise, als 40.000 Fans in Hongkong vergeblich auf seinen Auftritt im Dienste von Inter Miami warteten, ist noch nicht verebbt, es katapultiert ihn aber in alle Medien. Und in den USA startete Messi gerade in seine zweite Saison als Superstar der Major League Soccer (MLS). Beim 2:0-Auftaktsieg gegen Real Salt Lake hatte er bei beiden Toren seine Beine im Spiel.

Lionel Messi
18. Dezember 2022: Lionel Messi küsst das Objekt der Begierde.
AP/Martin Meissner

Messi begründete seine Absenz beim Gastspiel in China mit Adduktorenproblemen, die Fans schäumten vor Wut. Einige waren sogar aus Australien angereist, um dem achtfachen Weltfußballer noch einmal auf die Beine zu sehen. Nur drei Tage später wurde Messi bei einem Spiel in Japan eingewechselt; und die Fans schäumten noch mehr. Auch wenn man es ihm und seinem Spiel nicht ansieht, aber: Messi wird im Juni 37 Jahre alt. Viele Matches in China dürften sich da nicht mehr ausgehen. Der Veranstalter in Hongkong hat bereits eine Teilrückerstattung der bis zu fast 600 Euro teuren Tickets von 50 Prozent angekündigt. Das Tröpfchen eines Trost für die Fans.

Messi, der Messias

Beste Voraussetzungen also, um Messi groß auf die Bildschirme zu bringen. Sie gipfeln in der neuen Dokureihe "Messi's World Cup: The Rise of a Legend" – zu sehen auf Apple+. Messi ist die Melkkuh des US-Streamingdienstes, und vice versa wird er für sein Engagement fürstlich entlohnt. Eine Symbiose, die sich für beide Seiten auszahlt. Und damit ist schon viel gesagt über die neue Produktion. Messi, der Messias. So wird er auch in Szene gesetzt.

Messi's World Cup: The Rise of a Legend — Official Trailer | Apple TV+
Apple TV

Dass Apple bei der WM 2022 in Katar auf das richtige Pferd gesetzt hat, kommt natürlich nicht von ungefähr, ist aber auch Glück. Mit der argentinischen Nationalmannschaft hatte Messi drei Endspiele der Copa América sowie das WM-Finale 2014 gegen Deutschland verloren, ehe er die zwei begehrten Titel 2021 bzw. 2022 gewinnen konnte. Der Unvollendete wurde zum Vollendeten. Der Schatten Diego Maradonas, der mit Argentinien Titel holte, war endlich weg. Messi wurde nur allzu oft dafür kritisiert, als bester Spieler der Welt ausgerechnet im Nationalteam zu versagen. Das führe zwischenzeitlich sogar zum Rücktritt aus der Albiceleste.

Sieben Tore bis zum Titel

Was lässt sich über den argentinischen Weltmeister noch erzählen, was nicht längst bekannt ist? In "Messi meets America" hat Apple bereits das Engagement des Argentiniers bei Miami in bester PR-Manier gewürdigt, jetzt steht die Weltmeisterschaft 2022 in Katar im Mittelpunkt – und das Scheitern bei Großereignissen davor. Messi führte sein Team schließlich mit sieben Toren zum Weltmeistertitel, sein erster nach vier vergeblichen Anläufen. Und das ist auch schon der Stoff der Heldengeschichte. Wie schafft es der am höchsten dekorierte Kicker der Welt, seinen Traum zu realisieren, die wichtigste Fußballtrophäe der Welt zu gewinnen?

Die Geschichte beginnt natürlich in Argentinien – mit Aufnahmen aus dem Jahr 1993 aus der Stadt Rosario, als dem fünfjährigen Messi der Ball am Fuß zu kleben scheint. Er, kaum größer als die Kugel, gilt als Ausnahmetalent, das wird bereits in seinen frühen Jahren klar. Mit der Nummer zehn auf dem Rücken setze er zu seinen unnachahmlichen Dribblings samt Torabschlüssen an. Messi wechselte bereits im Alter von 13 Jahren von den Newell's Old Boys zum FC Barcelona. Der Rest ist Fußballgeschichte. Mit Barcelona gewann er alles, was es zu gewinnen gab – und noch mehr. In knapp 20 Jahren sollten es 35 Titel werden, darunter viermal die Champions League.

Schock als Weckruf

Bei der Weltmeisterschaft in Katar legte Argentinien einen Traumstart hin. In der neunten Minute verwandelte Messi einen Elfmeter gegen Saudi-Arabien. Dass das Auftaktspiel dann mit 1:2 verloren ging, fällt immer noch in die Kategorie "unfassbar". Ein schlechter Witz der Fußballgeschichte. Die Pointe erfolgte vier Wochen später mit dem Weltmeistertitel im Elfmeterschießen gegen Frankreich. Die Doku rollt den steinigen Weg zum WM-Titel auf und zeigt den Druck, der auf Messis Schultern lastete – mit vielen Interviews seiner Teamkollegen und jeder Menge Rückblenden. Das Pathos kommt dabei nicht zu kurz.

Sportlerdokus sind selten dazu da, um Kritik zu üben. Schon gar nicht, wenn sich die Katze selbst in den Schwanz beißen würde. Apple ist im Besitz der weltweiten Übertragungsrechte an der US-Fußballliga MLS, und Messi wiederum ist an den Abo-Erlösen beteiligt: Daran erinnert die "Süddeutsche Zeitung". Im Spiel sind also zwei Vertragspartner, die davon profitieren, sich gegenseitig zu pushen. Dass Messi von Paris Saint-Germain in die USA wechselte, ist nicht zuletzt Apple zu verdanken. Der Tech-Riese sicherte sich die Rechte an der US-Fußballliga für zehn Jahre und greift dafür tief in die Tasche. Der Deal kostet Apple 2,5 Milliarden Euro für zehn Jahre. Damit sich das Investment irgendwann amortisiert, müssen verdammt viele Abos verkauft werden.

Geschätztes Gehalt

Einen Tag vor Messis Debüt für Inter Miami im Jahr 2023 verkaufte Apple 110.000 Abos für das Fußballpaket. Messi bekommt einen Teil seines üppigen Salärs über die Einnahmen, die aus Apples Saisonpass generiert werden. Messis Grundgehalt beläuft sich auf rund 20 Millionen Dollar pro Saison, insgesamt ist die Vergütung seiner Dienste wohl jenseits der 50 Millionen angesiedelt. Die Zusammenarbeit zwischen Apple und Messi nimmt absurde Züge an, wenn es etwa unter dem Namen "Messi: The Warm-Up von Apple Music" eine eigene Playlist gibt, die der Spieler aufruft, wenn er sich "in den Minuten vor einem Spiel konzentrieren muss". Versprochen werden "Meilensteine des Latin Pop und Rock bis hin zu Reggae und Cumbia" aus Messis Heimat Argentinien.

"Messi's World Cup: The Rise of a Legend" wird wohl auch ein paar weitere Dollar in die Kassen spülen. Die Dokureihe ist weder überraschend, noch ist sie ein Glanzstück des investigativen oder kritischen Journalismus, das ist klar, sehenswert ist sie aber dennoch. Einzig und alleine, weil sie die Krönung des besten Fußballspielers der Welt zeigt: Lionel Messi. (Oliver Mark, 23.2.2024)