Mit
"Andrea lässt sich scheiden" ist der neueste Autorenfilm von Josef Hader.
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Doppelte Böden sind beim Satiriker Josef Hader seit 30 Jahren Bühnen- und Schauspielkunst Hausmarke. Immer versteckt sich hinter dem schönen Schein noch ein grausiges Sein. So auch in der Eröffnungsszene von Andrea lässt sich scheiden, dem neuesten Autorenfilm Haders: ein Wirtshaus im ländlichen Niederösterreich, eine 30er-Feier, auf der es nur scheinbar fröhlich zugeht. Gstanzl-Singen, Bier, Stamperln, das Glück wird herbeigetrunken, "auf ex" natürlich. Wenn's sein muss auch mit "dem Ex".

Andrea (Birgit Minichmayr) hat sich von dem ihrigen Andy (Thomas Stipsits) erst kürzlich getrennt. Und wie so viele gekränkte Männer verkraftet der das nur schwer. Nach fünf, sechs Stamperln auf ex zitiert er Andrea zur Unterredung ins Auto. Aus der Aussprache wird Streit, man nimmt Andy den Autoschlüssel ab, großes Drama. Er wankt allein nach Hause – und wird dort nicht mehr ankommen. Wer hat ihn auf dem Gewissen? Eine Tragödie um Vertuschung, Schuld und Reue entspinnt sich – dunkler und mit weniger Humoranteil in Szene gesetzt, als man es bei Hader bisher gewohnt war. Er selbst spielt mit dem zu Unrecht verdächtigten und dank eines patscherten Lebens zynisch gewordenen Religionslehrer Franz auch nur den Nebenpart. Birgit Minichmayr geht in der Hauptrolle der emotional verhärteten und vom Schicksal geschlagenen Provinzpolizistin insofern "auf", als gerade ihre Verschlossenheit der Figur besondere Authentizität gibt. Man leidet förmlich mit.

Düsteres Landporträt

Das Landporträt, das Josef Hader mit dem Film vorschwebte, lebt überhaupt von all den Dingen, die nicht gezeigt werden und doch unterschwellig vorhanden sind: die demografische Ausdünnung; der Wegzug vor allem junger Frauen; die zurückbleibenden Männer; die Altenpflege, die Menschen mittleren Alters wie Andrea neben dem Vollzeitjob an ihre psychischen Grenzen bringt. All diese Metaebenen habe er nicht im Sinn gehabt, sagt Hader. Wenn man das schon glauben möchte, dann sind ihm diese Themensetzungen zumindest ziemlich gelungen passiert.

KinoCheck

Als Anti-Landkrimi spielt der Film mit Sujets des Genres, verquickt es aber mit der naturalistischen Tristesse und Psychologie des Arthouse-Kinos: Der "Mord" wird zum Unfall, die "Täter" zu Opfern ihrer eigenen Umstände. Niemand hat Schuld – wenn schon, ist es die Gesellschaft, die tötet. Und der blöde Zufall.

Sieben Jahre nach Haders erstem Regiewerk, der Satire Wilde Maus, in der städtische Bobo-Milieus bespiegelt wurden, schweift der Blick jetzt also über die Weiten der Weinviertler Straßendörfer – und damit über ein Gebiet, das der auf dem Land aufgewachsene Hader nur zu gut kennt. Zu lachen gibt es diesmal nicht mehr viel, das macht aber gar nichts. Haders bisher dunkelstes Werk ist gut so, wie es ist: sehr wahr und aus dem Leben gegriffen. (Stefan Weiss, 22.2.2024)