Tür eines Damen-WC, auf der ein Zettel mit der Aufschrift Bitte Türe nicht schließen !!! !!!!! hängt.
Manche behördlichen Anordnungen im Landesgericht für Strafsachen Wien muten mitunter etwas seltsam an, werden aber ohnehin ignoriert.
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Wien – Über zwei Drittel der in Österreich lebenden Roma und Sinti wurden laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands von den Nationalsozialisten im Porjamos, wie der Völkermord in Romanes genannt wird, umgebracht. Auf dieses Verbrechen verweist vor Richter Patrick Aulebauer auch Angeklagter K., der sich generell ungerecht behandelt vorkommt, mehrmals. Der 49-jährige Pensionist sieht auch Paralallen zu heute: "I hob glaubt, in Linz san Nazis. Oba in Wien a! Überoi Rechtsextreme! Jeder Roma, Zigeuner, wird schlechter behandelt als Asylanten! I hob nix gegen Asylanten, i hob Freind unter Asylanten, oba 90 Prozent von de Asylanten san aggressiv!", beschwert er sich zum Beispiel. "Moment, Sie beschweren sich über Nazis und sagen gleichzeitig, 90 Prozent der Asylwerber sind aggressiv?", ist der Richter verwirrt. "Sicher! Des is so!", entgegnet der angeklagte Oberösterreicher.

Ihm werden mehrere Delikte im vergangenen Herbst vorgeworfen. So soll er zweimal in Spitälern Personal und teils Mitpatienten bedroht haben, einmal soll er ein Frühstück nicht bezahlt haben und insgesamt viermal bei der Polizei angerufen und mit Bombenanschlägen gedroht haben, unter anderem gegen ein vor allem von Homosexuellen frequentiertes Lokal, aus dem ihn der Kellner kurz zuvor hinausgeworfen hatte.

Schwerhöriger Angeklagter

"Ich bekenne mich nicht schuldig!", sagt der vierfach Vorbestrafte zur Anklage. Er darf direkt vor dem Richter Platz nehmen, da er nach einem Hörsturz schwerhörig sei, wie er sagt. "Ich hatte eine psychische Ausnahmesituation und wurde dreimal aus dem Spital gehaut", sagt er zunächst noch großteils in Hochsprache. "Können Sie sich an die Vorfälle noch erinnern?", will Aulebauer wissen. "Ned so gaunz", gibt der Oberösterreicher, der in Wien zuletzt obdachlos gewesen ist, zu. Er bleibt aber dabei: In einem Spital wollten ihn die Ärzte nicht stationär aufnehmen, obwohl er psychische Probleme hatte. Bei einem anderen Vorfall in einem anderen Krankenhaus habe er wegen seines Asthmas das Fenster kippen wollen, woraufhin ein Mitpatient ihn "Scheißzigeuner" genannt habe. In der folgenden Diskussion haben sich der Oberarzt und ein Pfleger auf die Seite des Mitpatienten gestellt und ihn von der Polizei aus der Einrichtung bringen lassen.

Die anderen Beteiligten schildern die Sache als Zeugen anders. Im ersten Fall habe K. offensichtlich nur einen Schlafplatz gesucht, man habe ihn in der psychiatrischen Ambulanz übernachten lassen. Als er aufwachte, sei er dann ausfällig und rassistisch beleidigend gegen Securitypersonal geworden und stieß schließlich auch Morddrohungen aus. Im Fall des Mitpatienten hörte sogar ein Oberarzt, wie der 49-Jährige drohte: "Ich hau dir in die Fresse!" K. leugnet das vehement, alle würden lügen. "Warum soll ein Arzt, der Sie ja nicht kennt, das machen?", hinterfragt der Richter. "Als Zigeuner wirst in Wien schlechter behandelt als jeder Asylant und Tschusch!", sieht der Angeklagte eine Erklärung.

Forderung nach zweitem Gutachten

Mit den Bombendrohungen will er ebenso nichts zu tun haben, an den Frühstücksbetrug will er sich nicht mehr erinnern können. "Ich bin unschuldig im Gefängnis! Ich steh dazu, wenn ich was mache!", argumentiert der Angeklagte. Der auch darauf verweist, dass er seit seinem elften Lebensjahr an Schizophrenie und Depressionen leide. Allerdings: Ein im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstelltes psychiatrisches Gutachten stellte fest, dass eine geistige Behinderung bei K. ausgeschlossen werden könne und keine psychische Erkrankung im engeren Sinn vorliege, er daher voll zurechnungsfähig sei. K.s Reaktion darauf ist ungewöhnlich: "Das lass ich nicht sitzen auf mir! Ich will ein neues Gutachten!", fordert der zwischen Oberösterreichisch und Schriftsprache wechselnde Mann kategorisch.

Bevor wegen fehlender Zeugen und der Beischaffung der aufgenommenen Drohanrufe auf unbestimmte Zeit vertagt wird, regt der Angeklagte sich noch über Verteidigerin Irene Pfeiffer aus. "Und Sie san mei Vateidigerin und sogn gor nix?", beschwert er sich. "De Oarmenvateidiga redn nie wos! I nimm ma jetzt an eigenen Anwoid!", kündigt er an, ehe ihn die Justizwachebeamten zurück in die Untersuchungshaft eskortieren. (Michael Möseneder, 22.2.2024)