Regal voller Rucksäcke
Rucksäcke sind beliebt und praktisch, reizen aber auch Taschendiebinnen zum Einsatz. Zwei nun in Wien angeklagte Bulgarinnen waren dabei aber mäßig erfolgreich.
APA / Helmut Fohringer

Wien – Es ist nicht so, dass Richterin Alexandra Skrdla ein emotionaler Eisblock ist. Tragische Umstände würdigt sie in ihren Verhandlungen durchaus. Wenn Angeklagte aber zu sehr auf ihre eigenen Tränendrüsen drücken, kann Skrdla ziemlich rasch genervt sein. Das müssen auch eine 20-jährige und eine 55 Jahre alte Bulgarin feststellen, die wegen gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagt sind. Die beiden Frauen sollen in Wien eine Geldbörse aus einem Rucksack genommen und es in drei weiteren Fällen versucht haben, wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor.

Die Interaktion zwischen den beiden Angeklagten und der Richterin beginnt schon mehr als holprig. "Haben Sie Vorstrafen?", will Skrdla via Dolmetscherin von der jüngeren Erstangeklagten wissen. "In Spanien gab es einmal etwas ...", beginnt die Mutter einer Zweijährigen. "Sind Sie schon einmal wo verurteilt worden?", fragt die Richterin erneut. "In Deutschland. Bedingt, wegen Diebstahls." – "Sonst noch wo? Vielleicht in Polen wegen schweren Diebstahls?" – "Ja, aber das war auch bedingt", scheint der spezialpräventive Ansatz nur bedingt gewirkt zu haben.

Mehrere Vorstrafen

Die ältere Zweitangeklagte, die bereits bei der Überprüfung ihrer Generalien zu weinen beginnt, schluchzt, sie sei nicht vorbestraft. Die Richterin reißt ihre Augen auf: "Ich hab hier mindestens sechs Vorstrafen, von denen zwei auf jeden Fall nicht verjährt sind!", lässt sie übersetzen. "Eine aus Tschechien, eine aus Polen, beide im Jahr 2018!" Die Zweitangeklagte sagt, die Sache in Tschechien habe sie unter Alkoholeinfluss begangen, was keine besonders erschöpfende Erklärung ist. Da sie weiter hemmunglos ihre Tränen fließen lässt, lässt die Richterin noch etwas dolmetschen: "Sie soll jetzt einmal aufhören zu rearn, das kann ich auch nicht leiden."

Die Frauen bekennen sich beide schuldig. "Warum machen Sie das und vor allem warum hier in Wien?", will Skrdla von der Erstangeklagten wissen. "Ich habe keine Erklärung dafür", lautet die Antwort. "Ich bin gekommen, um hier zu arbeiten." – "Wo?" – "In einem türkischen Restaurant." – "Sprechen Sie so gut Türkisch?" – "Nein." – "Sprechen Sie so gut Deutsch?" – "Nein." – "Aber Sie haben gesagt, Sie haben einen Job als Reinigungskraft in Rumänien? Warum wollten Sie plötzlich in ein türkisches Lokal?" – "Weil ich hier mehr Geld verdienen kann. In Bulgarien verdiene ich umgerechnet nur 200 bis 250 Euro." – "Und was ist auf dem Weg zum neuen Job dazwischengekommen? Warum begehen Sie statt dessen Diebstähle?" – "Ich weiß es nicht." – "Vielleicht sind Sie doch einfach gekommen, um zu stehlen, so wie in Deutschland und Polen?", äußert die Richterin eine Vermutung.

Wien als Reiseziel nach Krebsdiagnose

Die ohne Unterbrechung schluchzende Zweitangeklagte sagt, sie sei nach Wien gekommen, da sie nach ihrer Krebsdiagnose reisen wollte. Die Jüngere habe sie zufällig im Bus kennengelernt. "Moment. Sie sind nicht verwandt?", ist die Richterin ob derselben Nachnamen der Angeklagten überrascht. "Nein, in unserer Romasprache sagt eine Jüngere zu einer Älteren immer 'Tante', auch wenn sie nicht verwandt sind", erklärt die Zweitangeklagte. "Ich möchte mich entschuldigen, ich werde so was nie mehr tun!", verspricht die Zweitangeklagte in ihrem Schlusswort, die 20-Jährige bittet nun ebenso unter Tränen "um eine Chance für die Zukunft".

Da die Erstangeklagte unter 21 ist, kommt sie mit neun Monaten Haft, sechs davon bedingt, davon. "Sie haben zwei bedingte Vorstrafen, auch Ihre kleine Tochter hält Sie offenbar nicht davon ab zu stehlen. Daher ist nur eine teilbedingte Haft möglich", begründet Skrdla. Für die 55-Jährige setzt es dagegen zehn Monate unbedingt. Was zu lautem Jammern und Wehklagen führt, das jedoch die Richterin nicht tangiert: "Sie soll jetzt aufhören zu rearn, sie hat sich das selbst zuzuschreiben", lässt sie übersetzen. Am Ende akzeptieren die Angeklagten die Entscheidung so wie der Staatsanwalt, die Urteile sind daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 23.2.2024)