Das Pferd im Hintergrund soll darüber hinwegtäuschen, dass wir uns in der Stadt befinden – aber auch in Wien gibt es Gefilde, die Pick-up-tauglich sind.
Foto: Michael Völker

Joseph und mich verbindet mehr als der gemeinsame Arbeitsplatz. Es sind die Kinder, diese allerdings nicht gemeinsam. Seine Kinder und mein Sohn gehen in denselben Kindergarten, Mika und Anton sogar in dieselbe Gruppe. Sie sind nicht die besten Freunde, aber kommen gut miteinander aus. Joseph und mich verbindet darüber hinaus der gemeinsame Weg vom Kindergarten in die Redaktion. Manchmal mit einem Testwagen. (Öfter noch mit der U-Bahn!)

Reaktionstest

Als wir diesen Morgen nach der erfolgreichen Ablieferung der Fratzen aus dem Kindergarten traten und ich den Schritt hin zum aktuellen Testfahrzeug lenkte, machte Joseph einen Luftsprung. Mika oder Anton hätten nicht anders reagiert. "Boah! Monstertruck! Mega!" Joseph war begeistert, noch ehe er in das Fahrzeug stieg. Der blaue VW Amarok, so wie er dort stand, war eine Pracht.

Natürlich kein Monstertruck im engeren Sinn, aber jedenfalls im weiteren. Ein Riesentrumm von einem Auto, in den USA gibt es noch weit größere, aber in unseren Breiten ein Pick-up, der alle Attribute erfüllt, was man in der Stadt eigentlich nicht sehen will: lang, breit, hoch, schwer.

Wie bei Pick-ups so üblich, gibt es etliche Aufbauformen. Das hier ist die mit der Wohnhöhle, ideales Trainingsrevier für angehende Pfadfinder.
Foto: Michael Völker

Ich bemühte mich redlich, Josephs Begeisterung zu bremsen. "Schon arg, oder?" "Sehr arg!", pflichtete Joseph bei und strahlte dabei wie ein Kernreaktor. Widerwillig ließ ich den Motor an. Es war mir fast ein bisschen peinlich. Das Zittern des Sechszylinder-Turbodiesels erfasste den Wagen, Joseph und mich. Joseph: "Boah!" Ich schrie zu ihm hinüber: "Drei Liter Hubraum, 240 PS! Schon arg, oder?" "Sehr arg", pflichtete mir Joseph bei.

Allerdings, bei einem Gewicht von deutlich mehr als zwei Tonnen kann man schon ein bisschen Schmalz im Antrieb gebrauchen. Tatsächlich kommt es ja aufs Drehmoment an, und auch von diesem ist genügend vorhanden: Mit 600 Newtonmeter müsste sich auch der Steilhang bewältigen lassen.

Tarnung als Landeier

Joseph und ich machten uns gerade dran, die Wienzeile stadteinwärts zu bewältigen, wir meisterten Karlsplatz und Schwarzenbergplatz, brauchten dabei weder Allradantrieb, der sich zuschalten lässt, noch die Untersetzung, auf die sich ebenfalls umschalten lässt. Wir führten eine leere, riesige Ladefläche spazieren, die überdacht ist. Immerhin hatte der Amarok, der ja eigentlich ein Ford ist, ein Salzburger Kennzeichen, das wies uns als Landeier aus, keine Schnösel aus der Stadt, die mit Tonnen aus Stahl den Bezirk verstellen.

Beim Interieur hat VW sich Mühe gegeben, ein markentypisches Erscheinungsbild hinzubekommen. Es bleibt trotzdem evident, dass die zweite Amarok-Generation ein Ableger des Ford Ranger ist. Gebaut wird der Pick-up in Südafrika.
Foto: Michael Völker

Joseph und ich fantasierten, was wir mit diesem Wagen anstellen könnten, wenn er unserer wäre, Urlaub im Gelände etwa, mit ewig viel Gepäck. Als wir uns dem STANDARD näherten, holte uns die Wirklichkeit ein. "Was, wenn uns Alicia jetzt sieht?", fragte Joseph bang. "Oder Nora?", malte ich schon noch Schlimmeres an die Wand. Die beiden Kolleginnen sind im STANDARD für Umwelt- und Klimathemen zuständig, und da verstehen sie keinen Spaß. Sie würden uns an den Ohren aus so einem Auto ziehen.

Wir rutschten tiefer in den Sitz und bogen verstohlen in die Garage des STANDARD ein, in der überwiegend Elektroautos abgestellt sind. Keine Alicia, keine Nora weit und breit, Glück gehabt. In der Garage stand dafür Andreas und sagte nur: "Boah!"

Einmal Kindergarten ging noch, und Mika wollte nicht eher aussteigen, bis ihn jemand gesehen hatte, diese Angeberei hat er nicht von mir, und ich konnte ihm kaum erklären, dass es vielleicht besser wäre, wenn uns niemand in der Stadt mit diesem Auto sähe.

Da bog der Vater von Alva mit seinem Lastenfahrrad ums Eck, und ihm klappte die Kinnlade runter, als er Mika lässig in der offenen Beifahrertür des abgestellten Pritschenwagens herumturnen sah. Alva würdigte Mika keines Blickes, und ich rief ihrem Papa noch nach: "Ist nicht meiner!" Aber da war der längst im Kindergarten verschwunden, und ich wusste, Mika und Alva würden nicht heiraten, nicht an diesem Tag. (Michael Völker, 23.2.2024)