Manchmal tut Abwechslung gut. ÖBB-Chef Matthä zeigte etwa in der "ZiB 2", wie Fehlerkultur geht und dass man mit Selbstkritik punkten kann. Wohltuend sind oft auch Experteninterviews. Da werden Fragen beantwortet, ohne auszuweichen. Sehenswert sind diese Interviews vor allem dann, wenn die Befragten es schaffen, Sachverhalte für alle verständlich zu erklären. Wie Donnerstagabend die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Uni Graz, sie war bei Christiane Wassertheurer in der "ZiB 3" zum Finale im Kurz-Prozess zu Gast, der Ex-Kanzler steht ja wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss vor Gericht.

Politologin Katrin Praprotnik war Donnerstagabend zu Gast in der
Politologin Katrin Praprotnik war Donnerstagabend zu Gast in der "ZiB 3".
Screenshot: ORF-TVThek

Mögliche Urteile

Wird es für Kurz einen Schuld- oder einen Freispruch geben? Das könne sie freilich nur ganz schwierig beurteilen, der Prozess finde jedenfalls unter sehr genauer Beobachtung statt. Ist sein Superstar-Image wiederhergestellt, sollte er freigesprochen werden? Hier bietet Praprotnik an, die Möglichkeiten durchzuspielen, wie der Prozess ausgehen könnte: Schuldspruch, also dass das Gericht zum Schluss kommt, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Oder eben Freispruch. Am Interessantesten sei die dritte Möglichkeit: ein Freispruch mit einem Verweis auf den sogenannten Aussagenotstand. Der juristische Begriff bedeutet, dass man im Extremfall auch die Unwahrheit sagen könne, wenn man sich sonst selbst belasten würde.

Über den Aussagenotstand

Wäre das dann eine Win-win-Situation?, fragt Wassertheurer. Praprotnik macht auf Berufungsmöglichkeiten aufmerksam, ein rechtskräftiges Urteil werde es am Freitag wohl noch nicht geben. Wenn festgehalten würde, dass Kurz die Unwahrheit gesagt hat, um sich nicht zu belasten, dann wäre das für ihn zumindest ein Kratzer im Image, so Praprotnik. Kurz behaupte ja, dass er nicht die Unwahrheit gesagt habe. Als Belastungszeuge ist auch Thomas Schmid geladen. Was würde ein möglicher Freispruch für ihn bedeuten? Das hängt natürlich davon ab, wie das Urteil im Detail – Stichwort Aussagenotstand – aussieht. Praprotnik erinnert an Schmids Wunsch nach Kronzeugenstatus, die Frage sei, welche Auswirkungen das Urteil im Kurz-Prozess dann auf Schmids Glaubwürdigkeit hätte.

"ZiB 3": Politologin Praprotnik zum Kurz-Prozess
ORF

Praprotnik macht am Ende noch auf die Relevanz des Prozesses aufmerksam. Man soll das nicht abtun, "man darf nicht die Unwahrheit sagen", weder bei der Einvernahme durch die Polizei noch vor Gericht, und auch nicht vor einem Untersuchungsausschuss. Ein U-Ausschuss sei eines der schärfsten Kontrollinstrumente im Nationalrat, ein "hochrelevantes und demokratiepolitisch sehr wichtiges Instrument", man dürfe "ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen". Wir werden sehen. DER STANDARD berichtet hier im Ticker über den Prozess. (Astrid Ebenführer, 23.2.2024)

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"ZiB 3" vom Donnerstag zum Nachsehen in der ORF-TVThek

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