Euro 7 bringt Verschärfungen für den Schwerverkehr.
Mercedes-Benz

Verschärfungen von Abgasgesetzen wurden bisher unter den Automenschen unablässig diskutiert. Sie waren ja auch für viele ein lukratives Geschäftsfeld. Auf die Bekanntgabe neuer Regeln folgte immer gleich der Startschuss zu heftigen Kontroversen über spätere weitere Verschärfungen.

Das Aufeinandertreffen von progressiven Forderungen und bremsenden Argumenten hatte bis jetzt schon etwas nahezu Rituelles. Doch diesmal, mit Euro 7, ist das anders. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen sind auf vielen Ebenen so krass wie nie zuvor.

Es ist alles sehr kompliziert

Die Klimaproblematik verschärft sich nun auch in der öffentlichen Auseinandersetzung zusehends. Die Weltwirtschaft ist in einer sehr schwierigen Lage. Doch der wichtigste Punkt: Die Elektroautos stoßen gar kein Abgas aus. Gänzlich harmlos sind sie deshalb trotzdem nicht. Und eigentlich ist durch den Technologiewandel alles nur noch viel komplizierter geworden.

Das spiegelt sich auch in Euro 7 wider. Eine weitere Verschärfung der Abgasgrenzwerte, wie sie von der Kommission der EU in ihrem Gesetzesentwurf vorgeschlagen wurde, kommt im Wesentlichen nicht. Das EU-Parlament und der Europäische Rat haben dem Papiertiger sozusagen die Zähne gezogen.

Bremsabrieb mündet generell, bei Lkws und Pkws jedweden Antriebs, in Grenzwerten.
Mercedes-Benz

Die Essenz ist schnell vorgetragen: Für Lkws gibt es tatsächlich einige Verschärfungen, beim Pkw handelt es sich um Kleinigkeiten am Rande: um die Umsetzung von Verschärfungen, die schon in früheren Stufenplänen festgelegt wurden.

Die Geschichte der Entschärfungen reicht viele Jahrzehnte zurück. Lange Zeit dominierte die (deutsche) Autoindustrie die Verhandlungen mit der Politik. Und stand voll auf der Bremse. Die Autohersteller wollten ihr Geschäft nicht durch Umweltvorschriften irritieren lassen. Bis in den 1980er-Jahren die Amerikaner eindrucksvoll demonstrierten, dass es mindestens zehnmal so sauber ging – mit dem Abgas-Katalysator.

Reinigende Wirkung

Der Dieselskandal vor nunmehr fast einem Jahrzehnt, in den ja nicht nur VW, sondern auch andere Autohersteller verwickelt waren, hatte eine reinigende Wirkung: Die betrügerischen Manipulationen an der Motorsteuerung wurden durch zahlreiche neue Vorschriften und Messmethoden weitgehend unmöglich, auf jeden Fall unrentabel gemacht. Interessanterweise ist auch dieser Innovationsschub von den USA ausgegangen, in Form von Prozesslawinen gegen europäische Hersteller.

Für die Einführung der Abgasvorschriften nach Euro 7 gelten nun wieder gänzlich neue Rahmenbedingungen. Europa ist mit seinen Verbrennungsmotoren nicht mehr der alleinige Maßstab für Innovationskraft im Automobilbau. Die Elektroautos verändern die gesamte Perspektive zum Thema Auto und Umwelt.

Seit Einführung der realitätsnäheren WLTP-Testverfahren Standard: RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) mit portabler Emissionsmesstechnik. Die Messkoffer sitzen auf der Anhängekupplung oder finden im Kofferraum Platz.
Mercedes-Benz AG

Die Daumenschraube bei den Verbrennern anzuziehen ist zu wenig. Der Transformationsprozess in Richtung Elektromobilität muss so gestaltet werden, dass Europas Autoindustrie nicht kollabiert oder – weniger pessimistisch – ihn gewinnbringend umsetzen kann.

Eine ständige Verschärfung von Abgasvorschriften wurde zur Routine, die vollautomatisch Verbesserung versprach. Doch der Europäische Rechnungshof hat gerade erst einen Sonderbericht zum Thema wahre Emissionen veröffentlicht. An den tatsächlichen Emissionen der Dieselfahrzeuge hat sich in den vergangenen zehn Jahren nichts geändert, die Benziner sind gerade einmal um 4,6 Prozent sauberer geworden. Die Ursache: Die Autos sind noch einmal gewachsen, zehn Prozent mehr Gewicht und 25 Prozent mehr Motorleistung.

Plug-in-Hybrid im Visier

Während man die Diskrepanz zwischen Prüfstandsmessung und Wirklichkeit seit 2017 durch Straßentests (Real Driving Emissions) deutlich verringern konnte, machen vor allem die Plug-in-Hybride Sorge. Ihr Nutzungsprofil ist realitätsfremd. Die Autoindustrie ersparte sich dadurch allein im Jahr 2020 13 Milliarden Euro an Abgaben, die sie sonst wegen Emissionsüberschreitung hätte zahlen müssen. Erst 2025 sollen Plug-in-Hybride realitätsnäher eingestuft werden.

Erstmals sind mit Euro 7 auch Elektroautos von der "Abgas"-Gesetzgebung betroffen, nämlich in Form von Grenzwerten für Feinstaub, der von Bremsen und Reifen herrührt. Für den Bremsabrieb gibt es bereits konkrete Grenzwerte (3 mg/km für E-Autos, 7 mg/km für alle anderen Antriebe, für schwere Nutzfahrzeuge gilt 11 mg/km), gemessen wird auf dem Prüfstand im Rahmen des WLTP-Zyklus.

Beim anderen Feinstaubthema, dem Reifenabrieb, sucht man noch nach Messverfahren.
TU Graz / Helmut Lunghammer

Auch die Limitierung des Gummiabriebs der Reifen wurde beschlossen, es gibt aber weder ein Messverfahren noch Grenzwerte. Weitere Maßnahmen betreffen den Konsumentenschutz, etwa die Batterielebensdauer, wo im wesentlichen Punkte fixiert wurden, die von den meisten E-Autoherstellern ohnehin in den derzeitigen Garantiebedingungen enthalten sind.

Tatsächlich steht die Automobilwelt durch das Elektroauto vor neuen Herausforderungen. Es geht darum, Ziele der Luftreinhaltung, des Klimaschutzes und der Wirtschaftlichkeit gleichermaßen zu erreichen. Seitens der Autohersteller argumentiert man, dass eine weitere Verschärfung von Abgasvorschriften nur wenig bringen, aber sehr viel Geld kosten würde, das nun besser in die Entwicklung von global konkurrenzfähigen Elektroautos investiert werden sollte.

Kommando retour nach EU-Wahlen?

Trotz der formalen Einigung sind viele Details von Euro 7 noch nicht ausformuliert, und mit den EU-Wahlen kann ohnehin alles wieder auf den Kopf gestellt werden. Der Bericht des Europäischen Rechnungshofs hält jedenfalls andere Faktoren als schärfere Abgasgrenzen für vordringlich: "Elektroautos sind der wohl wichtigste Faktor für die Senkung der Emissionen, doch steigen ihre Verkaufszahlen nicht schnell genug."

Der Ausbau der Lademöglichkeiten geht nur schleppend voran, die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Batterieherstellung ist nicht verlässlich gesichert. Der Europäische Rechnungshof weiter: "Die höheren Anschaffungskosten für Elektroautos könnten Verbraucher dazu bringen, ihre alten umweltschädlichen Autos länger zu fahren." (Rudolf Skarics, 24.2.2024)