7. 2. 1999 war der Tag, an dem sich mein Leben veränderte. Denn am Abend dieses verschneiten 7. Februar hatte meine Familie einen schweren Autounfall, bei dem mein Rückenmark durchtrennt wurde. Wobei: Ich war damals noch keine zwei Jahre alt, mein Leben veränderte sich an diesem Tag nicht wirklich – es wurde viel eher geprägt. Und jedes Jahr aufs Neue stelle ich mir die Frage: Wie gehe ich mit diesem Tag um?

Die Geschichte meines Unfalls mit all ihren Details kenne ich in- und auswendig, auch wenn ich diese Zeit nicht bewusst erlebte. Denn als ich noch klein war, mussten meine Eltern neugierigen Menschen oft erklären, warum ihr Sohn denn im Rollstuhl sitze. Und auch heute erzähle ich ihre Geschichte beinahe wortgleich, wenn wieder einmal gefragt wird, was denn mit mir passiert sei. Mich stört die Frage nach der Ursache meiner physischen Einschränkung nicht, ich verstehe vollkommen, dass meine Behinderung manchmal Neugier erweckt. Ich sehe in meinem Alltag auch mehr gehende Menschen als Rollstuhl-fahrende und beäuge die paar, die ich entdecke, sicher auch mit neugierigen Blicken.

Nico Langmann
Nico Langmann
Foto: Nico Langmann

Weil mich die Frage, warum ich im Rollstuhl sitze, nunmal fast mein Leben lang begleitet, verwendete ich diesen 7. Februar immer zur "Generalaufklärung" meines Umfelds. Jährlich veröffentliche ich dazu eine kurze Version meiner Unfallgeschichte in den sozialen Netzwerken – nur dieses Jahr fühlte ich mich schäbig dabei.

Nico, der Mensch

Ich fühlte mich schäbig, weil ich ahnte, wie dieser Post aufgenommen wird. Nach keinem Turniersieg, nach keiner Errungenschaft meinerseits habe ich ähnlich viele Reaktionen und Rückmeldungen bekommen wie nach der "Unfall-Jahrestag"-Meldung. Nach keinem anderen Beitrag bekam ich ähnlich viele emotionale Nachrichten von Menschen, die mir sagten, wie sehr sie mich und meinen Weg bewunderten. Und dass ich aus meinem Schicksal etwas gemacht habe.

Und über jede einzelne dieser Nachrichten freute ich mich, weil sie herzlich waren. Dennoch, ich fühlte mich schäbig. Weil ich mit meinem Beitrag ein gesellschaftliches Narrativ bediente, das ich nicht bedienen will. Und zwar, dass mich dieser Unfall ausmacht, dass mich meine Behinderung ausmacht. Dass es das Erste ist, was an mir gesehen wird, dass es das Erste ist, wonach ich gefragt werde. Und vor allem, dass es etwas Sensationelles sei, wenn man trotz seines "schweren Schicksals" ein normales Leben führt.

Diese Faszination an meinem Unfall befeuere ich mit jährlichen Posts über meine Geschichte sicher zu einem großen Teil selbst. Das werde ich in Zukunft nicht mehr tun. Was nicht heißt, dass ich Menschen nicht mehr über die Ursache meiner Behinderung aufklären will. Ich möchte nur, dass ich als "Nico, der Tennisspieler" oder einfach nur als "Nico, der Mensch" gesehen werde. Und nicht als "Nico, der Rollstuhlfahrer". (Nico Langmann, 28.2.2024)