Er gebe nicht auf, sagt Andreas Haider. "Ich habe so viel Energie in den Lebensmittelhandel gesteckt, ich will hier was bewegen." Der Oberösterreicher ist Eigentümer von Unimarkt. Mit seinen 120 Filialen und 3.200 Beschäftigten bedient er ländliche Gemeinden, in denen es kaum noch Nahversorger gibt.

Während der Pandemie boomte der Einkauf zu Fuß oder mit dem Rad. Doch die Renaissance kleiner Kaufleute war von kurzer Dauer.
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Die Corona-Krise hatte kleinen Lebensmittelgeschäften zu einer Renaissance verholfen. Doch seit Preise stiegen und viele Haushalte knapper bei Kasse sind, zerbröseln regionalen Händlern die Gewinne. Im Wettlauf mit den Marktriesen Rewe, Spar und Hofer um Kunden ziehen sie einmal mehr den Kürzeren.

Unimarkt verfehlte im Geschäftsjahr 2022/23 geplante Ergebnisse. Bei Umsätzen von 236 Millionen Euro schmolzen die Jahresgewinne auf 249.000 Euro. Für die zwei Jahre danach zeichnen sich Verluste ab, sagt Haider. Mit schwarzen Zahlen rechnet er erst wieder ab 2025/26. "Ich hoffe, dass sich Konsumenten bis dahin an höhere Lebenshaltungskosten gewöhnt haben und merken, dass es sich finanziell doch ausgeht."

Unrentable Hauszustellung

Haider gab seit November zehn Standorte auf. Ob es damit getan sei, hänge von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab. Den Schlussstrich zieht er unter den österreichweiten Onlineshop. 2015 bot die Unimarkt als erster Supermarkt Hauszustellung von Lebensmitteln quer durchs Land an. Gerechnet hat sich der Versand bis heute nicht.

Gewinn sei auch künftig nicht absehbar. Ein Packerl Milch von Oberösterreich nach Wien zu schicken mache keinen Sinn, zieht Haider Bilanz. Um Kosten zu sparen, baue er den Webhandel um. Online verfügbar sollen in Zukunft nur noch Produkte sein, mit denen man sich vom Rest der Branche unterscheide.

Seine Energiekosten hätten sich verdreifacht, rechnet Haider vor. An Energiekostenzuschuss habe er für Unimarkt zuletzt nur 125.000 Euro erhalten. "Ein Tropfen auf den heißen Stein." Von gestiegenen Zinsen bis hin zu teurerem Personal wuchs die Belastung, während die Mengen der verkauften Lebensmitteln und damit die Deckungsbeiträge sanken.

Wenig Einkaufsmacht

Höhere Einkaufspreise fanden in Verkaufspreisen der Unimarkt erst verspätet Niederschlag. Markenartikelkonzerne hatten mit Lieferstopp gedroht, für den Fall, dass man die Anpassung nach oben ohne Vorlaufzeit nicht akzeptiere, erzählt Haider.

Händler wie er hätten anders als ihre großen Rivalen wenig Einkaufsmacht. Auf wichtige Marken zu verzichten, könnten sie sich ebenso wenig leisten, wie deren breite Palette an Preiseinstiegsprodukten, die derzeit in aller Munde seien.

Unimarkt-Eigentümer Andreas Haider schloss seit November zehn Filialen. Auch seinen Onlineshop sperrt er zu.

Schließen muss Haider auch seine 17 Selbstbedienungsboxen in der Steiermark und Oberösterreich. Seine Kunden konnten darin rund um die Uhr einkaufen, was aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes gegen die Öffnungszeitengesetze verstößt.

Die Boxen nur noch 72 Stunden in der Woche zugänglich zu machen rechne sich nicht, bedauert Haider. Er hält die Entscheidung des Obersten Gerichts für unverständlich – nicht zuletzt mit Blick auf Tankstellen, für die es beim Lebensmittelverkauf keine Sperrstunde gibt. Boxen seien begehbare Automaten, deren Definition mittlerweile 31 Jahre alt sei, meint der Unternehmer. Es sei an der Zeit, diese zu überdenken.

In der Wirtschaftskammer sieht man das anders. Es gebe klare Spielregeln, und diese seien einzuhalten, sagt Christof Kastner, Vizegremialobmann des Lebensmittelhandels. Es gehe um Betriebsanlagen, ob mit Personal oder ohne, sei irrelevant.

Frage der Finanzierung

Haider will Eigentümer der Unimarkt-Gruppe bleiben und sie weiter führen, betont er. "Es braucht die Nahversorgung in Österreich."

Abhängig ist der Fortbestand des Unternehmens zum einen von einer Reorganisation der Gruppe, wie aus der im Firmenbuch veröffentlichten Bilanz hervorgeht. Diese sieht unter anderem vor, alle Filialen an selbstständige Kaufleute zu übergeben. 70 der 120 Standorte sind bereits franchisegeführt.

Zum anderen sei eine Verlängerung der Finanzierung über Juni hinaus nötig. Eine Absichtserklärung der Banken liege vor, ebenso ein Angebot von dritter Seite.

Stärkere Rückendeckung für kleinere Händler auf dem Land erwartet sich Haider von der Regierung, etwa in Form von Stromkostenbremsen, die auch private Haushalte entlasteten. Hilfe wäre für Familienbetriebe zudem, Geschäfte länger offenhalten zu dürfen. Dies sei dank moderner Technik, die es Kunden erlaube, Ware selbst zu scannen und zu bezahlen, ressourcenschonend möglich.

Fehlende Rückendeckung

Die Rahmenbedingungen für die Branche haben sich in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verschlechtert, sagt Kastner. Als Großhändler ist er Partner von 140 Nah-&-Frisch-Händlern. Ihre Zahl habe sich seither um zehn verringert. Anders als Billa oder Spar könnten diese höhere Kosten nicht auf tausende Filialen umlegen oder schwächere Lagen konzernintern ausgleichen.

"Kleinere Händler, die keine Gewinne machen, scheiden aus dem Markt aus", sagt Kastner. Viele seien infolge fehlenden Personals dazu gezwungen, ihre Öffnungszeiten zu reduzieren. Aufgrund der deutlich gestiegenen Gehälter komme die gesamte Lebensmittelbranche um höhere Preise nicht umhin. "Am Ende des Tages werden auch Diskonter sie anheben müssen", ergänzt Kastner.

Wachsende Konzentration

Österreich sei mit 50 Prozent zu viel Verkaufsflächen im Lebensmittelhandel besetzt, daraus macht er keinen Hehl. In stark frequentierten Einkaufsstraßen drängen sich große Supermärkte an jeder Ecke, landauf, landab flankieren sie Kreisverkehre wie Stadteinfahrten – und entzogen damit selbstständigen Kaufleuten in Ortszentren ungebremst Umsatz.

Für Kastner geht es um die Frage der richtigen Verteilung. "Es sind in der österreichischen Raumordnung schwere politische Fehler passiert."

Wolfgang Benischko schätzt die Zahl der Orte, die sämtliche Nahversorger verloren haben, auf gut 1000. Der Oberösterreicher vertritt in der Wirtschaftskammer den Einzelhandel seines Landes. Eines seiner beiden Nah-&-Frisch-Geschäfte übergab er im Vorjahr der Unimarkt. Das andere übernahm "in letzter Sekunde" ein privater Kaufmann. Andernfalls hätte er es geschlossen.

Hybride Märkte

Viel erhoffen sich kleine Nahversorger von neuen hybriden Lebensmittelmärkten, die teils mit Personal geführt werden, teils Selbstbedienung zulassen, sofern Alkohol weggesperrt ist. Um eine Filiale entsprechend umzubauen, brauche es bis zu 40.000 Euro, rechnet Kastner vor. Erste Testläufe führten zu 20 Prozent mehr Umsatz bei 20 Prozent geringeren Personalkosten.

Für Benischko hängt das Überleben der letzten Greißler jedoch auch an anderen Hebeln. Die Gemeinden müssten Vereine dazu verpflichten, bei ihnen einzukaufen, fordert er. Vor allem aber brauche es viel mehr Rückhalt aus der Bevölkerung. "Nur die Milch für den Kaffee im Ort zu besorgen wird nicht reichen."

Sich dabei auf zu hohe Preise auszureden, lässt er nicht gelten. Denn im Schnitt koste ein Warenkorb von 50 Produkten bei Nahversorgern lediglich um zwei bis drei Euro mehr als in vielen großen Supermärkten. "Ist es wirklich nötig, dafür kilometerweit mit dem Auto zu fahren?" (Verena Kainrath, 26.2.2024)