Wien – Wer kennt es nicht: Ein politisches Thema in den sozialen Medien regt persönlich auf – und schon schnellen die Finger über die Tastatur, und die eigene Meinung ist in den Weiten des Netzes für immer verewigt. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) warnt nun davor, dass soziale Medien eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie darstellen.

Plattformen wie Facebook, Instagram und X (vormals Twitter) seien heutzutage ein fester Bestandteil der persönlichen Meinungsbildung. Der Diskurs in den sozialen Medien werde aber insbesondere von politischen Rändern bestimmt, beispielsweise von Rechtsextremen. "Deren vorrangig negative, emotionale und polarisierende Postings sorgen auf den Plattformen wiederum für Reichweite und Aufmerksamkeit", warnt die ÖAW in einer Stellungnahme. Userinnen und User derartiger Plattformen laufen deshalb besonders Gefahr, manipuliert zu werden. Für die Demokratie in Österreich habe das zunehmend negative Auswirkungen. Das Vertrauen in die Politik nehme ab, und die Polarisierung der Gesellschaft nehme zu.

Die ÖAW sieht in den sozialen Medien eine Gefahr für die Demokratie.
IMAGO/Jonathan Raa

Ethikrat für politische Werbung

Die Sorgen der ÖAW präsentierten ihre Vertreterinnen und Vertreter am Montag im Parlament. Sie wünschen sich von den Abgeordneten gesetzliche Änderungen für den Umgang mit sozialen Medien und sprechen sechs Empfehlungen aus. So soll etwa nach Vorbild des Österreichischen Werberats ein Ethikrat für politische Werbung und Öffentlichkeitsarbeit im Netz eingerichtet werden.

Ziel solle auch die Festlegung von "grundlegenden Standards" sein – Nationalratsabgeordnete sollten laut ÖAW als Vorbilder agieren und sich an einen Verhaltenskodex halten. Verstößt ein Politiker oder eine Politikerin gegen diese Standards, soll es die Möglichkeit eines "digitalen Ordnungsrufs" geben.

Forderung nach reformierter Medienförderung

Zudem fordert die ÖAW eine Reform der Medienförderung und Inseratenvergabe, um Qualitätsmedien zu stärken. Das sei deshalb notwendig, weil gerade für jüngere Menschen soziale Medien zur Hauptnachrichtenquelle zählen und sie dadurch vermehrt Manipulationen auf Internetplattformen ausgesetzt sind. An der Stellungnahme, die dem Parlament vorgelegt wurde, haben unter anderem Personen aus der Politik- und Kommunikationswissenschaft und der Informatik gearbeitet.

Seit vergangenem Jahr gelten auf EU-Ebene bereits neue Richtlinien für große Onlineanbieter, die auch in Österreich zur Anwendung kommen. Der sogenannte Digital Services Act (DSA) soll die digitalen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger der EU schützen sowie klare Regeln gegen Hassrede und Falschinformation formulieren. Bei Verstößen gegen den DSA drohen den Anbietern hohe Bußgelder. Die ÖAW wünscht sich aber über den DSA hinaus neue Transparenzbestimmungen für den Einsatz von Algorithmen in sozialen Medien. (Max Stepan, 26.2.2024)