"Wir wollen Wladimir Putin zeigen, dass wir nicht müde sind." So umschreiben französische Präsidentenberater das Ziel der Ukraine-Konferenz, zu der Emmanuel Macron am Montagabend in Paris geladen hat. 21 Länder nahmen teil, es kamen 17 Staats- und Regierungschefs aus Europa, darunter der deutsche Kanzler Olaf Scholz, der britische Außenminister David Cameron und Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Die USA schickten hingegen nur einen Stellvertreter von Außenminister Antony Blinken.

Zu Beginn der Konferenz sollte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aus Kiew zuschalten. Am Vorabend hatte er in einer Videoansprache vage eine neue ukrainische Offensive in Aussicht gestellt. Sie soll besser vorbereitet sein als die erste Offensive im vergangenen Jahr, die dem russischen Generalstab offenbar in die Hände spielte, wie Selenskyj einräumte.

Erst vor wenigen Tagen war Wolodymyr Selenskyj (li.) im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz zu Gast bei Emmanuel Macron in Paris gewesen. Frankreichs Präsident will dasVersprechen gegenüber Selenskyj einhalten.
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Mit anderen Worten: Die Ukraine gibt sich keineswegs geschlagen. Die gleiche Botschaft versucht Macron mit dem kurzfristig anberaumten Treffen in Sachen Europa zu vermitteln. Er hatte Selenskyj schon vor zehn Tagen versprochen, dass Frankreich weitere Caesar-Haubitzen sowie Munition im Wert von "bis zu drei Milliarden" Euro an Kiew liefern werde. Auch wenn das Wörtchen "bis" einigen Spielraum beinhaltet, tritt Macron damit dem Eindruck entgegen, sein Land leiste finanziell viel weniger Rüstungshilfe als etwa die USA, Deutschland oder Großbritannien.

Bild geraderücken

Frankreich liegt trotz seines geopolitischen Anspruchs nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) nur auf Rang 16 der Ukraine-Unterstützer. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Außenminister Stéphane Séjourné bemühen sich seit Wochen, dieses Bild geradezurücken, indem sie die französischen Rüstungskosten für die nukleare Abschreckung, aber auch die Anti-Jihad-Missionen in Westafrika und im Roten Meer hervorheben.

Überzeugender wirkt der Proeuropäer Macron persönlich, wenn er die EU- und Nato-Partner aufruft, hinter der Ukraine zusammenzustehen und gemeinsame Rüstungsprojekte zu realisieren. Seine Warnung, dass sich Europa nicht auf den atomaren Schutzschirm der USA verlassen dürfe, erhält mehr Gewicht, seitdem das neue Paket amerikanischer Waffenhilfe an die Ukraine im Repräsentantenhaus blockiert ist; und auch seitdem Präsidentschaftskandidat Donald Trump von den Nato-Partnern in aller Offenheit höhere Verteidigungsausgaben verlangt hat.

Wenn es aber darum geht, konkreten Ersatz für den US-amerikanischen Atomschirm zu bieten, verstrickt sich auch Macron in einen gewissen Widerspruch. Allein schon wegen des Drucks der Rechtspopulisten, die nukleare "Force de frappe" (Schlagkraft) einzig für Frankreich zu reservieren, kann der französische Präsident gar nicht daran denken, eine europäische "Teilhabe" nach Nato-Vorbild ins Auge zu fassen. Frankreich wird nur allein über den "roten Knopf" seiner 300 see- und luftgestützten Atomsprengköpfe verfügen. Deshalb macht das Nato-Mitglied Frankreich zwar in allen Instanzen des Nordatlantikpaktes mit – nicht aber im nuklearen Planungsausschuss.

Gemeinsames Vorgehen

Gerade weil die Frage der europäischen Selbstverteidigung offenbleibt, hat Macron ein weiteres Motiv für die Ukraine-Konferenz: Er will seine Partner zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den hybriden Krieg Russlands auffordern. Frankreich ist in der EU eines der Hauptopfer von Hackerangriffen und Destabilisierungsversuchen, und alle Spuren laufen im Kreml zusammen. In Westafrika ist Frankreich zudem richtiggehend aus mehreren Kolonien geworfen worden, nachdem russische Propaganda-Influencer die öffentliche Meinung dafür "vorbereitet" hatten. In Paris tauchten nach Beginn des neuen Nahostkrieges ferner Graffiti mit Davidsternen auf, die die Anti-Frankreich-Stimmung in den Banlieue-Zonen anheizen sollten – mit russischen Urhebern.

Das Gefühl vieler Europäer, dass der Ukrainekrieg weit entfernt sei, stimmt deshalb laut französischen Geheimdiensten nicht: Europa steckt, ob es will oder nicht, mitten in einem hybriden Krieg. Ein Grund mehr, nicht dem Defätismus oder der Gleichgültigkeit nachzugeben. (Stefan Brändle aus Paris, 26.2.2024)