Als im Vorfeld des Events des Herstellers bereits durchsickerte, dass HMD, kurz für "Human Mobile Devices", künftig Smartphones unter eigener Marke veröffentlichen will, rumorte es im Gebälk. Denn bisher war das Unternehmen eigentlich dafür bekannt, der Nokia wieder ins Smartphone-Segment verholfen zu haben, nachdem das Windows-Phone-Intermezzo mit Microsoft gescheitert war. 2017 stellte man mit dem Nokia 6 das erste Android-Handy unter dem bekannten finnischen Markennamen vor.

HMD werde keine Nokia-Handys mehr veröffentlichen, unkte es aus diversen Schlagzeilen, als wäre die Eigenmarke als vollständiger Ersatz gedacht. Dem trat Adam Ferguson, Leiter des Produktmarketings des Unternehmens, im Gespräch mit dem STANDARD beim Mobile World Congress entgegen. Allerdings mit Kleingedrucktem. Und er sprach auch darüber, wie sich HMD für dieses Jahr aufgestellt hat.

HMD "Fusion"

Eines vorweg: Abseits eines Barbie-Flipphones ließ man beim Event in Barcelona detaillierte Geräteankündigungen vermissen. Auch in dem hier wiedergegebenen Gespräch ließ man sich nur bedingt in die Karten schauen.

"Fusion" soll jedenfalls im Juli erscheinen. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein modulares Konzept, das auf einen Anschluss mit sechs Pins setzt. Der soll es ermöglichen, das Handy mit diversen Accessoires um neue Features zu bereichern. Die Zubehörartikel sollen dabei helfen, "Probleme zu lösen", formuliert es Ferguson.

Eine Skizze zum HMD Fusion-Smartphone
Fotos oder Renderings zum HMD-"Fusion"-Smartphone gibt es bislang nicht. Diese Skizze ist daher der bisher beste Blick darauf, wie das Gerät am Ende aussehen könnte.
HMD

Neben entsprechendem Equipment von HMD selbst hofft man aber auch auf Dritthersteller, die eigenes Zubehör anbieten. Attraktiviert wird das mit einem offenen Ansatz. Ein Entwicklungs-Toolkit und Dokumentation wurde bereits verfügbar gemacht. Die Umsetzung soll auf Softwareseite kaum schwerer sein als eine normale Android-App zu schreiben. Entwickler möchte man nicht mit Umwegen über eingeschränkte Programmierschnittstellen abschrecken.

Zudem verdient man nach eigenen Angaben auch am Verkauf von Dritthersteller-Accessoires nicht mit. Es gibt keine Tantiemen oder Ähnliches, Stattdessen hoffe man, dass die Verfügbarkeit verschiedener Erweiterungen die Attraktivität des Fusion-Smartphones und des Steckersystems an sich erhöht. Potenzielle Einsatzmöglichkeiten dafür sieht man viele, reichend bis in den medizinischen Bereich in Form von einfach an das Telefon koppelbaren Instrumenten.

Spezifikationen oder gar einen Preis wollte sich Ferguson nicht entlocken lassen. Spekulativ lässt sich zwischen den Zeilen allerdings ein Gerät der wohl höheren Mittelklasse vermuten.

Zweites HMD-Handy mit Fokus auf Reparatur

Ebenfalls für den Juli steht ein weiteres HMD-Handy an. Das setzt allerdings nicht auf Erweiterbarkeit, sondern auf Reparierbarkeit. Man wolle dort weitermachen, wo man bereits bei manchen Nokia-Handys sei. Zum einfach austauschbaren Akku soll sich nun auch ein leicht vom Nutzer zu wechselndes Display gesellen.

Ein Modularitäts-Level à la Fairphone strebt man allerdings nicht an. Dafür müsste man Kompromisse in anderen Bereichen eingehen, die man nicht für gerechtfertigt hält, so der Produktmarketing-Chef, der im gleichen Atemzug dem niederländischen Hersteller aber auch großes Lob zollt.

Das Nokia X20 aus dem Jahr 2021.
DER STANDARD/Pichler

Quo vadis, Nokia?

Schon vor diesen beiden Geräten, nämlich im Mai, will man ein Nokia-Kulthandy neu beleben. Das Modell verrät man zwar nicht, allerdings sieht Ferguson dieses Telefon als Zeugnis für die weitere Treue zur Marke Nokia an. Auch danach sollen noch Geräte mit dem Logo des einstigen Kultherstellers erscheinen.

Nämlich bis 2026. Dann läuft der dereinst auf zehn Jahre geschlossene Lizenzdeal zwischen Nokia und HMD nämlich aus. Über die Zeit danach will Ferguson noch keine Aussagen treffen. Ob dann also doch das Aus für die Marke Nokia, jedenfalls unter dem HMD-Dach, kommt oder man um eine Verlängerung der Lizenz verhandelt, bleibt somit offen.

Keine Angst vor dem Experiment

Klar ist aber, dass HMD andere Marken in sein Produktionsboot holen wird. Diese möchte man – abseits des Barbie-Herstellers Mattel – noch nicht nennen. Sie sollen aber aus sehr unterschiedlichen Branchen stammen. Die scherzhafte Anmerkung, ob man nun mit einem Überraschungs-Comeback von LG im Smartphonegeschäft rechnen könne, wollte Ferguson zumindest nicht verneinen. Realistisch ist es freilich nicht.

Sollte der Eigenmarkenausflug nicht aufgehen, sieht man bei HMD keine substanzielle Gefahr für das eigene Bestehen. 2023 sei man geschäftlich sehr erfolgreich gefahren, sagt Ferguson. Und das, obwohl der Smartphonemarkt insgesamt nachgelassen habe. Das starke Ergebnis habe die Grundlage dafür gelegt, es jetzt selbst zu versuchen. (gpi, 27.2.2024)