Spätestens seit Vorlage der 2022er-Zahlen war die Krise der Prime laut Sanierungsverwalter ersichtlich.
APA/Roland Schlager

Personelle Veränderungen stehen im Vorstand und im Aufsichtsrat der insolventen Signa Prime Selection AG an. Das geht aus dem zweiten Zwischenbericht des Sanierungsverwalters der Immobiliengesellschaft, der Anwaltskanzlei rund um Norbert Abel, hervor. Um die erfolgreiche Restrukturierung umsetzen zu können, suche man nach dem Ausscheiden von Vorstandsmitglied Tobias Sauerbier "ein qualifiziertes neues Vorstandsmitglied mit entsprechender immobilienwirtschaftlicher Erfahrung und internationaler Reputation", heißt es im Bericht. Auch im Aufsichtsrat, der mit "hochqualifizierten Persönlichkeiten" besetzt sei und bei dessen Sitzungen Berater René Benko Gast war, wäre "zusätzliche Expertise" für die Sanierung vorteilhaft. Aufsichtsratschef Alfred Gusenbauer hat jüngst seinen Rückzug angekündigt. Stichwort Vorstand: Protokolle der Vorstandssitzungen der Jahre 2022 und 2023 liegen dem Sanierungsverwalter nicht vor.

Der Sanierungsverwalter beschäftigt sich auch mit den Ursachen der Mega-Pleite (angemeldet wurden bisher 6,3 Milliarden Euro an Forderungen, aber allein seit 19. Februar sind weitere hundert Anmeldungen dazugekommen) und ortet dabei "exogene und endogene" Ursachen. Zu Ersteren zählt er beispielsweise die gestiegenen Zinsen oder die Recherchen der EZB bei Großbanken, die Signa-Kredite vergeben haben – prüfen müsse man nun aber auch die hausgemachten, "die den Vermögensverfall mitbeeinflusst haben", insbesondere strategische Fehleinschätzungen im Unternehmen. Stichwort Zinsen: Die Prime-Kredite waren ungefähr halbe-halbe fix (3,1 Milliarden Euro) und variabel (3,6 Milliarden) verzinst.

Kapitalerhöhung wird geprüft

Geprüft wird nun vor allem auch, wann die Krise eigentlich erkennbar war oder erkennbar hätte sein können. In den Augen des Sanierungsverwalters war das spätestens der Fall, als der Konzernabschluss 2022 vorlag, der einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro auswies, die Immobilien waren um 1,7 Milliarden Euro abgewertet worden. Schon im Bestätigungsvermerk des Prüfers KPMG habe sich der Hinweis auf die "nachteiligen Veränderungen" gefunden. Damals holte sich die Prime noch eine Kapitalerhöhung um 750 Millionen Euro – auch die und die Verwendung dieser Mittel kommen nun unter die Lupe.

Mitte des Vorjahres, die Medien berichteten längst von Problemen bei Europas größtem Immo-Unternehmen, gaben die Prime-Manager neue Immobiliengutachten in Auftrag und erkannten den Wertminderungsbedarf. Um Geld in die Kassen zu bekommen, wurden Verkaufsprozesse angestoßen, man bemühte sich um neue Finanzierungen. Die Prime nahm frisches Kapital auf – Ende 2022, Anfang 2023 holte sich beispielsweise die (nun zum Verkauf stehende) Tochter Prime Assets GmbH ein 150 Millionen Euro schweres Darlehen von der Benko zuzurechnenden Ingbe-Privatstiftung und der deutschen Ameria. Die Kreditgeber ließen sich Sicherheiten einräumen, die nun im Weg stehen dürften: Laut Bericht stellen sie "wesentliche Hürden bei der Erlangung neuer finanzieller Mittel für die Stabilisierung des Signa-Prime-Konzerns dar". Die Ingbe hat übrigens insgesamt 156 Millionen Euro an Forderungen bei der Prime angemeldet, der Sanierungsverwalter hat sie aber bestritten.

Stundungsansuchen bei der Finanz und Investoren

Einem Teil der Signa-Investoren war die Schieflage der Prime jedenfalls schon Ende 2022 bekannt, sie wurden, wie berichtet, um Stundung der ihnen zustehenden Dividenden fürs Jahr 2021 von in Summe 220 Millionen Euro brutto gebeten. Ein Großteil stimmte laut Bericht des Sanierungsverwalters zu. Auch beim Staat, konkret der Finanz, beantragte Prime-Steuerberater TPA (TPA-Partnerin Karin Fuhrmann ist im Stiftungsvorstand der Familie-Benko-Privatstiftung) eine Stundung für die Kapitalertragssteuer, begründet wurde das Ansuchen mit einem "vorübergehenden Liquiditätsengpass".

Andere Geschäftspartner und Dritte allerdings hatten das Nachsehen. Sie waren laut Sanierungsverwalter "wegen der Konzernkomplexität und der Informationspolitik in erster Linie auf die Medienberichterstattung und die öffentlich zugänglichen Informationen angewiesen". (Renate Graber, 27.2.2024)