Betoniert und versiegelt: neue, hochpreisige Verbauung im Zentrum von Saalfelden am Steinernen Meer.
Verbauung im Zentrum von Saalfelden am Steinernen Meer.
Betoniert und versiegelt: neue, hochpreisige Verbauung im Zentrum von Saalfelden am Steinernen Meer.
Foto: Richard Seiß

Die Stadtväter staunten nicht schlecht, als im Herbst 2022 das Saalfeldener Kunsthaus Nexus mit dem Projekt "Der Blick von außen" an die Öffentlichkeit ging. Das Nexus – Intendant Mario Steidl ist bekannt als Programmchef des renommierten Jazzfestivals Saalfelden – hat Stadtplaner Reinhard Seiß engagiert, um zwei Jahre lang einen kritischen Blick auf die größte Stadt des Pinzgaus und die drittgrößte im Bundesland Salzburg zu werfen.

Herausgekommen ist eine Ausstellung, die der 17.000 Einwohner zählenden Gemeinde den Spiegel ungeschminkt vorhält: Thematisiert werden innerstädtische Brachflächen, Leerstand im Zentrum, Verödung und Verfall, Bodenversiegelung bis zur Hässlichkeit von Gewerbegebieten und Gewerbebauten oder der menschenfeindlichen Gestaltung von Wohnbauten; und über allem die Unterordnung einer ganzen Stadt unter den Autoverkehr, die so weit geht, dass sich fallweise Fußgänger Verkehrsflächen mit Sattelschleppern teilen müssen. Die Stadtoberhäupter waren sichtlich "not amused": Er hätte sich gewünscht, dass Saalfelden nicht nur negativ dargestellt werde, sagte damals Bürgermeister Erich Rohrmoser (SPÖ).

Dialog zur Stadtgestaltung

Steidl und der Vereinsobmann des Nexus, Wolfgang Hartl – selbst Architekt und Raumplaner –, haben mit dem Widerstand vonseiten der Stadtherren gerechnet und von Anfang an betont, dass Saalfelden mit den aufgezeigten Problemen in Österreich keine Ausnahme darstelle. Und sie haben das Projekt von Anfang an als Dialog konzipiert: In zahlreichen und gutbesuchten Stadtgesprächen wurden die Themen diskutiert und abgearbeitet.

Die drei großen Parteien in der Gemeindevertretung – SPÖ, ÖVP und Grüne – stiegen mit unterschiedlichem Engagement in das Projekt ein und diskutierten mit. Sie hatten auch wenig andere Möglichkeiten, am 10. März finden in Salzburg Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen statt. Aktuell haben im 25 Mandate zählenden Saalfeldener Gemeinderat die SPÖ zwölf, die ÖVP neun und die Grünen drei Mandate. Die FPÖ liegt mit einem Mandat knapp über der Wahrnehmungsschwelle.

Ausstellung
Ausstellung "Blick von außen" im Kunsthaus Nexus
Mit der Ausstellung "Der Blick von außen" wurde Saalfelden der stadtplanerische Spiegel vorgehalten.
Foto: Thomas Neuhold

Man habe in dem einen Jahr die Stadtplanung zwar nicht auf völlig neue Beine gestellt, aber die Verantwortlichen "aus dem Wachkoma geholt", bilanziert Reinhard Seiß im STANDARD-Gespräch die Aktion. Immerhin sei ein intensiver Kontakt mit dem Osttiroler Lienz zustande gekommen; Lienz gilt vielfach als Musterbeispiel für eine gelungene Wiederbelebung verödeter Innenstadtbereiche.

"Der Kümmerer"

Lienz ist auch das Vorbild für das derzeit konkreteste Ergebnis der Stadtgespräche. Bürgermeister Rohrmoser sagte bei der vorläufigen Abschlussdiskussion Dienstagabend im bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltungssaal des Nexus zu, dass es einen eigenen weisungsfreien Beamten geben werde, der sich nur um die Wiederbelebung und die Gestaltung des Stadtkerns kümmern werde. Lienz habe die besten Erfahrungen mit so einem "Kümmerer", sagt Rohrmoser.

Bei den meisten anderen Themen sind die Anliegen von Seiß und dem Nexus freilich noch nicht angekommen. So sollen beispielsweise im Stadtkern mit einem neuen Bebauungsplan mehr Licht und Grünraum entstehen, wie Rohrmoser sagt, gleichzeitig ist bei der Neugestaltung der Bau einer neuen Tiefgarage mit 150 Stellplätzen geplant. Den Hinweis von Stadtplaner Seiß, dass so eine Garage der nächste innerstädtische Verkehrserreger werde, lassen Rohrmoser wie auch sein türkiser Stellvertreter Thomas Haslinger nicht gelten. "Die Autos lösen sich ja nicht auf", sagt Haslinger. (Thomas Neuhold, 28.2.2024)