Mediation ist natürlich kein Wundermittel. Ebenso wenig erhebt sie den Anspruch, in jedem einzelnen Fall eine garantierte Lösung zu bieten. Schon allein deswegen nicht, weil wir als Mediatorinnen und Mediatoren ja die Lösungen der Konflikte unserer Mediandinnen und Medianden nicht selber finden, sondern begleitend bei der Konsenssuche unterstützen dürfen. Hier aber gibt es wiederum jene Irrtümer, die sich oftmals aus der Lektüre von Ratgebern oder auch dem Hörensagen ergeben. Irrtümer, die den Weg zwischen den Parteien und der anzustrebenden Lösung versperren. In Mediationen, die eine umfassende Scheidungsfolgenvereinbarung zum Ziel haben, wird diese Lösung durchaus prominent durch die Frage des nachehelichen Unterhalts repräsentiert.

zerknüllte Geldscheine
Der Unterhalt als janusköpfiger Aspekt in der Scheidungsthematik.
IMAGO/Felix Schlikis

Der Unterhalt ist dabei in vielerlei Hinsicht ein janusköpfiger Aspekt in der Scheidungsthematik. Einerseits dient er zur Absicherung der berechtigten Person, andererseits verbindet er gerade anlässlich der Trennung der Ehegatten erst wieder aufs Neue und stellt somit eine neue, stressbegründende Verbindung dar.

Zudem werden auf dem Feld der Unterhaltsfrage (sowohl des Kindesunterhalts als auch des nachehelichen Unterhalts) oftmals noch offene Rechnungen beglichen – somit kann der Unterhalt auch als Schmerzensgeld für erlittene Kränkungen und Enttäuschen gesehen werden.

Die Grundlagen im Unterhaltsrecht

Zu den Basics: Während der Ehe existiert der rechtliche Unterhaltsanspruch ex lege, also aufgrund des Rechtsanspruchs des weniger verdienenden Ehegatten bzw. der Ehegattin. Hier existieren Berechnungsschlüssel, die je nach dem Vorhandensein von unterhaltsberechtigten Kindern noch mit diversen Abzügen herangezogen werden können.

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, wird für den Fall, dass beide Ehegatten verdienen, ein Prozentsatz des gemeinsamen Einkommens herangezogen. Die Differenz zwischen dieser Summe zum Einkommen des schlechter verdienenden Ehegatten wäre der Unterhaltsanspruch. Im Falle einer "Hausfrauenehe", wo sich also ein Teil ausschließlich um die Einkünfte kümmert, während der andere die Haushaltsführung übernimmt, errechnet sich der eheliche Unterhaltsanspruch aufgrund des Einkommens des nicht haushaltsführenden Teils unter allfälliger Bezugnahme auf unterhaltsberechtigte Kinder.1

Ein wesentlicher Aspekt der Unterhaltsthematik ist auch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen ehelichem und nachehelichem Unterhalt. Während der eheliche Unterhalt dem nicht oder weniger verdienenden Teil ex lege zusteht, so ist die Grundlage eines allfälligen nachehelichen Unterhalts zu über 85 Prozent die Scheidungsfolgenvereinbarung im Rahmen des Scheidungsbeschlusses. Dieser Unterschied ist insbesondere deswegen bedeutsam, weil die Scheidungsfolgenvereinbarung, wie der Name vermuten lässt, eine Vereinbarung ist, also zwischen den Parteien ausgemacht werden kann. Genau hier setzen die Möglichkeiten der Mediation an. Im Gegensatz zu den standardisierten Varianten eines völligen Unterhaltsverzichts oder einer lebenslangen Unterhaltsverpflichtung bietet sich hier noch eine Vielzahl von Zwischenstufen.

Verzicht oder lebenslang

Der wechselseitige Verzicht auf Unterhalt, auch bei unverschuldeter Not, Krankheit oder Arbeitslosigkeit, ist in vielen Vordrucken der Scheidungsfolgenvereinbarung bereits vorformuliert und bietet so eine verlockend einfache Variante. Bei allen Vorteilen, die ein Verzicht zu bieten hat (Entflechtung der finanziellen Verbindung der Ex-Partner, keine Notwendigkeit der Überprüfung hinsichtlich allfälliger Lebensgemeinschaft2 oder Neuverheiratung etc.), so bedeutet dieser für einen der beiden Teile schlichtweg den Entfall einer Einkommensmöglichkeit und kann in manchen Fällen auch Auswirkungen auf den Bezug von Sozialleistungen oder den Anspruch auf Hinterbliebenenpension haben. Gute Beratung ist daher im Vorfeld der Unterschrift sehr wichtig.3

Eine Unterhaltsvereinbarung mit den Worten "A zahlt B ab Rechtskraft der Scheidung jeweils zum Monatsersten einen Betrag von X" liest sich zwar klar und einfach, lässt aber den einen oder anderen Aspekt außer Betracht und könnte daher um etwas ergänzt werden. Beispielsweise wäre eine Wertsicherungsklausel, welche sich am VPI orientiert, eine Sicherheit für den bezugsberechtigten Teil. Ebenso möglich wäre eine Bezugnahme auf die aktuellen Einkommen, sodass bei einem deutlichen Einkommenszuwachs des unterhaltsberechtigten Teils die monatliche Zahlung etwas reduziert werden könnte.

Augenmerk auf die Bedürfnisse legen

Zu den oben skizzierten Lösungen gibt es eine gewisse Bandbreite von Alternativvarianten. Die Kunst der Mediation ist es hier, sich nicht primär an Bemessungsgrundlagen und Prozentsätzen zu orientieren, sondern das Augenmerk auf die dahinterliegenden Bedürfnisse der Parteien zu legen. Oftmals spiegeln sich in der Forderung nach nachehelichem Unterhalt noch die Enttäuschungen und Kränkungen während der Ehe wider, dann bilden sich auch in so manchen Fällen Zukunftsängste oder schlichte finanzielle Notwendigkeiten ab, wie beispielsweise die Finanzierung von neuem Wohnraum oder die Deckung eines notwendig gewordenen Kredits.

Spricht man in einer offenen Atmosphäre diese Motive an, so finden sich oftmals neue Wege, die ansonsten zugunsten der 08/15-Lösung übersehen werden. So hilft manchmal eine einmalige Ausgleichszahlung bei der Schaffung von Wohnraum mehr als eine monatliche Unterhaltszahlung und kann die Übernahme einer Kreditbürgschaft für den zukünftigen oder die zukünftige Ex von großer Hilfe sein.

Ein Beispiel aus der Praxis

So gut bisher die Scheidungsmediation im folgenden Beispiel verlaufen ist, so hartnäckig erwies sich die Diskussion beim Thema Unterhalt. Andrea stand knapp vor den Pension und hatte sich in der Lebensplanung auf die gemeinsamen Finanzen verlassen. Michael war psychisch bedingt vorzeitig aus dem Job ausgeschieden und konnte sich daher eine laufende Unterhaltszahlung nicht vorstellen. Nachdem Andrea eine Möglichkeit bekommen hatte, die günstige Genossenschaftswohnung ihres Bruders zu übernehmen, stand aktuell die Auszahlung des Genossenschaftsbeitrags in der Höhe von 35.000 Euro an ihren Bruder im Raum, den sie mit einem Kredit zu finanzieren gedachte.

Als die beiden im Rahmen der Scheidungsmediation dieses Thema besprachen, erbat sich Michael eine Pause, er wollte kurz telefonieren. Danach hat er seiner Frau eine Einmalzahlung in der Höhe von 45.000 Euro angeboten. Er hatte vor kurzem eine Erbschaft gemacht und war so in der Lage, diese Zahlung zu leisten. Andrea überlegte und erwiderte, dass sie jedoch nicht gänzlich auf nachehelichen Unterhalt verzichten könne.

Nach einer Pause bot Michael an, dem Schwager den Genossenschaftsbeitrag zu überweisen und ab Pensionseintritt seiner zukünftigen Ex-Frau einen monatlichen wertgesicherten Unterhalt von 200 Euro zu zahlen, wobei dieser unter der Voraussetzung stand, dass Michaels Einkommen aus Pension und Zinsgewinn einen gewissen Betrag nicht unterschreiten würde.

Andreas Bedürfnis nach Absicherung war nun Genüge getan. Michael wiederum konnte für die Zahlung der Genossenschaftsbeitrags auf die gemachte Erbschaft zurückgreifen. Ihm war dabei klar, dass Andrea keinen Rechtsanspruch auf dieses ererbte Geld hatte, doch erweiterte der finanzielle Zugewinn den Verhandlungsspielraum, weswegen er diese Chance nutzen wollte.

Bedingungen und Befristungen

Eine weitere Möglichkeit, den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt mehr oder weniger maßzuschneidern, besteht in der Variante, den Beginn und/oder das Ende der Unterhaltsberechtigung an eine Frist oder Bedingung zu knüpfen: "Die Unterhaltsberechtigung beginnt mit dem Monatsersten ab Eintritt des Bezugsberechtigen in die Pension", "Die Unterhaltsberechtigung endet/reduziert sich um ... ab dem Moment, an dem XY die Wochenstunden im Job auf 35 erhöht" (hier gilt es zu bedenken, dass im Falle eines Nullsummenspiels die Motivation der Stundenerhöhung möglicherweise nicht vorhanden wäre), "Der Unterhaltsanspruch beginnt mit dem Eintritt des/der XY in den neuen Job".

Sollte der Verdacht im Raum stehen, dass eine freiwillige Stundenerhöhung aus Unterhaltsgründen nicht angestrebt werden könnte, sollte er jedenfalls angesprochen werden und allenfalls auch in die Vereinbarung dahingehend einfließen, dass möglicherweise eine terminliche Fallfrist ("Unterhalt bis Stundenerhöhung, jedenfalls aber bis zum 31.7. ...") Sicherheit für alle Beteiligten schaffen kann.

Die Möglichkeiten der Mediation

Im Rahmen einer Scheidung ist das gegenseitige Vertrauen und Wohlwollen nicht immer das tragende Leitmotiv, weswegen der Streit um den Unterhalt für die zukünftige Ex-Partnerin oder den zukünftigen Ex-Partner natürlich immer wieder zum nahezu unlösbaren Konflikt wird. Dies darf aber gerade in der Mediation nicht davon ablenken, dass es immer wieder Möglichkeiten gibt, die die Bedürfnisse und Möglichkeiten aller Beteiligten unter den sprichwörtlichen Hut bringen können. Es ist die Aufgabe der Mediation, eine Atmosphäre zu schaffen, in der offen und ruhig über die Motive und Wünsche auf der einen sowie die Möglichkeiten und Ressourcen auf der anderen Seite gesprochen werden kann. Für die Sicherheit im Sinne der Verbindlichkeit sorgt in weiterer Folge das Gericht mit der Rechtskraft der Scheidungsfolgenvereinbarung im Rahmen des Scheidungsbeschlusses. (Ulrich Wanderer, 11.3.2024)